Sie wollten einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und stießen dabei auf das Problem des Bienensterbens: In den vergangenen 20 Jahren sind die Bienenvölker in Deutschland um knapp 30 Prozent zurückgegangen. Das veranlasste gerade auch das Bundesumweltministerium dazu, den Insektenschutz in Deutschland und Europa mit 100 Millionen Euro zu fördern. Mit ihrem ehrenamtlichen Projekt „There is a Bee on the Roof“ leisten die Freunde Jean-Baptiste und Paul Gros, Sebastian Domaingue, Thomas Canton und Benjamin Puech, alle zwischen 28 und 33 Jahren alt, ihren eigenen Beitrag: Sie geben Bienen ein neues Zuhause – und versorgen uns gleichzeitig mit leckerem Honig aus Hamburg. Wo man ihn bekommt, wie das Imkern funktioniert und wie seine Leidenschaft für Bienen entstand, hat uns einer der Gründer, Benjamin Puech, im Interview hoch über Hamburg erzählt.
Benjamin Puech: Jean-Baptiste, Paul, Sebastian, Thomas und ich haben uns bei der Arbeit kennengelernt. Wir arbeiten alle in der Luft-und Raumfahrtbranche und irgendwann kam der Punkt, an dem wir etwas neues probieren wollten. 2016 trafen wir einen Bekannten, der Imker in Frankreich ist. Er hat uns alles über Bienen erzählt und wir haben uns gefragt, warum es in Hamburg nur so wenig lokalen Honig gibt und in den Supermärkten in Deutschland fast immer nur Importware aus Mexiko, Chile oder Rumänien steht. Und natürlich hatten wir auch davon gehört, dass Insekten und Bienen immer weiter verschwinden und das zu einem Problem wird. Also dachten wir uns, wenn Bienen auf den Dächern in Paris, London oder New York leben können, müsste das auch in Hamburg funktionieren.
Zuerst haben wir uns wochenlang YouTube-Videos übers Imkern angeschaut. Und natürlich Bücher gelesen und sogar den Bekannten in Frankreich besucht. Er hat uns vor allem technische Sachen erklärt, zum Beispiel wie man die Bienen ausräuchert. Aber das meiste haben wir durchs Ausprobieren gelernt. Als wir das erste Mal einen Bienenkasten geöffnet haben, waren wir mega aufgeregt.
In der Stadt gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen und keine Pestizide an den Blumen, weil Städte wie Hamburg das verbieten. Auf dem Land gibt es häufig nur noch Monokulturen einzelner Pflanzen und die sind oft mit Pestiziden besprüht. Bienenstämme, die dort leben, ernähren sich also nur von einer Art Blüten. Und das wirkt sich auf den Honig aus. Stadthonig enthält viel mehr Vitamine und weniger Pestizid-Rückstände, was auch für uns Menschen gesünder ist. Wir haben für unseren Honig ein Zertifikat und lassen testen, ob er frei von Schadstoffen ist.
Wir haben über Google Maps nach flachen Dächern gesucht und sind dann einfach auf Unternehmen zugegangen. Bei privaten Wohngebäuden hätten wir nämlich die Zustimmung aller Bewohner gebraucht und das wäre komplizierter gewesen. Wir haben als erstes bei Burgerkultour in Eimsbüttel angefragt und die waren sofort einverstanden. Danach kamen das Hamburghaus in der Nähe und das Institut Francais im Stadtteil Rotherbaum dazu.
Sie bekommen Honig von uns, aber wir bezahlen nichts dafür, dass die Bienenstöcke bei ihnen stehen. Das würde nicht zu unserer Philosophie passen.
Wir sind Teil einer Imker-Gemeinschaft in Hamburg. Dort haben wir Tipps bekommen, wo wir Bienenstöcke kaufen können. Fast alle anderen Imker in der Gemeinschaft sind über 80 Jahre alt, die haben sich riesig gefreut, dass wir mitmachen wollten. Wir haben über das Internet noch weiter recherchiert und die Stöcke in der Nähe von Bremen abgeholt. Für 40.000 Bienen und eine Bienenkönigin zahlt man etwa 100 Euro.
Bevor Bienen verkauft werden dürfen, muss ein Tiermediziner den Stamm überprüfen und der Verkäufer muss eine Bestätigung haben, dass die Tiere gesund sind.
Die Bienen sollten aus Deutschland beziehungsweise der eigenen Region stammen, damit sie an die Bedingungen und Umgebung gewöhnt sind. Durch zu große Veränderungen oder Umstellungen würden sie eventuell sterben.
Hier darf jeder imkern. Man kann einen Kurs für ein Zertifikat machen, aber das kostet ziemlich viel Geld.
Im ersten Jahr durften wir noch keinen Honig über Restaurants oder Shops verkaufen, weil wir keine eingetragene Firma waren. Das ist jetzt der Fall und wir dürfen den Honig überall verkaufen und zahlen Steuern. Die strengsten Vorschriften gibt es für den Prozess beim Honig gewinnen, weil es ja ein Nahrungsmittel ist. Wir müssen spezielle Kleidung und Handschuhe tragen, alles muss perfekt sauber sein.
Man kann zwei mal im Jahr ernten, einmal den Honig der Frühlingsblumen und den der Sommerblumen. Wir ziehen dazu unsere Schutzkleidung an und entfernen die Waben-Rahmen, die voll mit Honig sind. Die ersten beiden Rahmen darf man nicht entnehmen, weil da die Bienen-Eier drin sind und die Königin dort lebt. Aber die anderen sind voll mit Honigwaben. Wir pusten vorsichtig die Bienen von ihren Waben, bringen die Rahmen in die Küche und entfernen als erstes das Wachs, mit dem die Bienen ihre Honigwaben verschlossen haben. Das macht man durchs Schleudern, denn durch die Bewegung wird der Honig aus den Waben gedrückt. Dann filtert man in den Honig in Gläser und die leeren Rahmen kommen zurück in die Bienenstöcke. Den Bienen überlassen wir immer einen gewissen Anteil und füttern sie zusätzlich mit natürlichem Zucker.
Wir wollen den Hype um die Honigbienen nutzen, um auch etwas für die Wildbienen tun zu können.
Wir haben 2015 mit vier Bienenstöcken angefangen. Der Plan war dann, den Honig zu verkaufen und mit dem Geld weitere Bienenstöcke zu finanzieren. Das hat zum Glück geklappt und wir haben inzwischen acht Bienenstöcke auf drei Dächern. Dieses Jahr wollen wir mit dem Geld aus dem Honigverkauf Unterschlupfe für Wildbienen kaufen, denn sie sind vom Aussterben bedroht. Sie produzieren keinen Honig, sondern bestäuben nur und deshalb bekommen sie weniger Aufmerksamkeit. Und wir wollen den Hype um die Honigbienen nutzen, um auch etwas für die Wildbienen tun zu können.
Klar, in Bäumen oder Gärten. Wenn die Wildbienen eines Tages verschwinden, würden wir Menschen etwa ein Drittel der täglichen Nahrungsmittel nicht mehr ernten können.
Auf Dächern, Bäumen oder im Garten. Am besten werden sie hoch wie möglich befestigt, damit sie niemand kaputt machen kann. Aber das müssen wir noch mit der Stadt besprechen. Es wäre auch eine große Hilfe, wenn viele Gartenbesitzer mitmachen würden.
Von Anfang April bis Ende August sind wir jede Woche an den Bienenstöcken um zu checken, ob sie gesund sind, ob alles sauber ist und ob schon Honig da ist.
Bienen sind super smart – sie wissen, wie man Entscheidungen trifft und wie man als Gruppe Probleme löst.
Sie bleiben auf den Dächern, aber rücken in den Bienenstöcken eng zusammen, damit sie es warm haben. Und sie essen dann ihren Honig, den wir ihnen übriggelassen haben.
Bienen sind super smart – sie wissen, wie man Entscheidungen trifft und wie man als Gruppe Probleme gemeinsam löst. Wenn sie Blumen oder Nektar suchen und eine Biene etwas findet, fliegt sie sofort zurück in den Stock. Durch einen Tanz erzählt sie den anderen Bienen, wo die Blumen sich befinden. Durch den Stand der Sonne können die anderen Bienen dann herausfinden, wie sie zu diesen Blumen kommen. Bienen können bis zu drei Kilometer wie fliegen. Aber es ist besser, wenn sie in näherer Umgebung ihre Nahrung finden, dann ist das Sammeln weniger anstrengend für sie.
Die größten generellen Probleme sind Pestizide, Monokulturen und der Voroer-Parasit. Der Befall von diesem Parasit ist schwer zu verhindern und vergangenes Jahr haben wir trotz einer Behandlung zwei von vier Bienenvölkern verloren. Er setzt sich auf den Rücken der Bienen, die bringen ihn dann in den Stamm und er befällt die Larven. Ursprünglich kommt der Parasit aus Asien und hat sich nach Europa ausgebreitet.
Man sollte Blumen auf den Balkonen pflanzen, zum Beispiel Lavendel, Sonnenblumen oder Basilikum. Aber auf jeden Fall möglichst viele verschiedene Sorten. Sonst hat man eine Mini-Monokultur auf dem Balkon.
Wir haben Aufgaben wie den Vertrieb, Marketing, die Finanzen, alles juristische und das Imkern selbst unter uns aufgeteilt. Letztes Jahr haben wir über unsere Website und Instagram einen Aufruf gemacht, dass wir unser Wissen über das Imkern unbedingt weitergeben wollen, auch wenn wir natürlich keine Experten sind. Es haben sich daraufhin viele Leute gemeldet, wir haben ein paar kennengelernt und uns dann für Alina als unser neues und sechstes Mitglied entschieden.
Wir wollten einen besonderen und vor allem nachhaltigen Verschluss verwenden und haben uns deshalb für Kork entschieden. Wenn der Honig alle ist, kann man das Glas einfach weiter verwenden und den Korken zu Budni oder Edeka bringen. Die haben eine Kooperation mit Nabu, die den Kork recyceln.
In lokalen Hamburger Shops, die die gleiche Philosophie haben wie wir. Zum Beispiel Hermetic Coffee Roasters oder das Roots-Restaurant. Wir wollen aber keinen Versand machen, weil wir Kohlenstoffdioxid-frei produzieren wollen.
2017 haben wir alle 600 Gläser bis Weihnachten verkauft. Dieses Jahr ernten wir etwa 1300 Gläser und hoffen, die auch alle verkaufen zu können.
Wir wollen erreichen, dass Insekten und Bienen eines Tages nicht mehr in akuter Gefahr sind.
Wir würden gerne noch sichtbarer werden, um mehr Aufmerksamkeit auf das Imkern und die Bienen zu bringen und zu erreichen, dass Insekten und Bienen eines Tages nicht mehr in akuter Gefahr sind. Aber wir glauben, dass Veränderungen heutzutage nicht mehr durch die Politik, sondern durch uns Einzelne kommen. Und wir wollen den Leuten zeigen, dass es auch so einfach sein kann, etwas Gutes zu tun.
Leider bisher nicht. Spätestens wenn wir die Unterschlupfe an Bäumen anbringen wollen, müssen wir mit ihnen sprechen. Aber von vielen anderen Leuten haben wir bisher sehr positive Rückmeldungen zu unserem Projekt erhalten und auch schon viel Unterstützung bekommen.
Klar, kontaktiert uns einfach. Wir freuen uns über jeden, der sich für Bienen interessiert.
Text: Anissa Brinckhoff
Fotos: Sarah Buth
Layout: Carolina Moscato