Trine Tuxen ist nicht nur eine der erfolgreichsten jungen Schmuckdesignerinnen Dänemarks, sondern auch eine erklärte Feministin, die eine Schmuckkollektion entwarf, um ihre Unsicherheit gegenüber dem Aussehen ihrer Vulva abzubauen – und um andere Frauen dazu anzuregen, über dieses Tabuthema zu sprechen. Die 35-Jährige sprüht geradezu vor positiver Energie als wir sie in ihrer schönen Dachgeschosswohnung im Kopenhagener Stadtteil Nørrebro besuchen. Zusammen mit ihrem Freund erwartet sie ihr erstes Kind, gerade pendelt sie hochschwanger zwischen ihrem Flagship-Store im Stadtteil Frederiksberg und ihrer Wohnung. Wir sprechen mit Trine darüber, wie sie dazu kam, vor sieben Jahren ihr eigenes Schmucklabel, „Trine Tuxen Jewelry“, zu gründen, was sie inspiriert und welche Rolle Spiritualität für sie spielt.
Trine Tuxen: Ich denke, ich werde nie wieder etwas finden, das mich so berührt wie das Tanzen und auf der Bühne zu sein. Das habe ich geliebt. Es ging mir nicht darum, die beste Tänzerin zu sein, sondern darum, mein Bestes auf der Bühne zu geben. Dieser Kick, diese Aufregung kurz vor dem Auftritt. Und alle Augen aus dem Publikum sind auf dich gerichtet. Ich liebe die Arbeit, die ich jetzt mache, und den Weg, den ich gewählt habe, aber ich werde nie wieder etwas finden, das sich damit vergleichen lässt.
Ich wurde mit einem Hüftfehler geboren. Meine Ärzte haben mir immer geraten, nicht weiter zu tanzen, weil es meine Hüfte zu stark belastet. Als ich etwa 25 war, habe ich mir das Hüftgelenk ausgekugelt – das Thema hat mich einfach verfolgt. Irgendwann habe ich entschieden, dass ich etwas Anderes machen muss. Es war schwierig, weil ich diese Karriere eigentlich nicht aufgeben wollte. Aber vor ein paar Jahren habe ich tatsächlich noch einmal auf einer großen Bühne getanzt: Ich bin für eine Freundin eingesprungen und es war ein Stück, das ich immer schon tanzen wollte. Das war ein guter Abschluss.
Ich werde nie wieder etwas finden, das mich so berührt wie das Tanzen und auf der Bühne zu sein.
Wie bei allem im Leben braucht es etwas Talent und Entschlossenheit, aber es hat auch mit Glück zu tun und – auch wenn ich das ungern sage – mit deinem Netzwerk und den Menschen, die du kennst. Es ist eine Kombination aus diesen Aspekten. Es gibt so viele talentierte Schmuckdesigner! Die Straße, auf der ich meinen Laden habe, ist zur Straße der Schmuckdesigner in Kopenhagen geworden. Ich hatte extremes Glück: Ich durfte als eines meiner ersten Projekte bei einer Modenschau von Stine Goya mitmachen. Normalerweise nutzt sie für ihre Fashion Shows Schmuckstücke von Sophie Bille Brahe, aber aus irgendeinem Grund durfte ich damals mit meinem Schmuck dabei sein. Dadurch habe ich viel Aufmerksamkeit bekommen. Ich habe damals noch alle Schmuckstücke allein zu Hause an meinem Schreibtisch hergestellt. Das war wahnsinnig aufregend.
Ja, die ersten drei bis dreieinhalb Jahre lang habe ich hier zu Hause gearbeitet. Wenn ich spezielle Maschinen oder Werkzeuge brauchte, bin ich mit dem Rad in eine Werkstatt gefahren, wo ich Poliermaschinen und andere nutzen durfte. Später hatte ich eine eigene Werkstatt, habe aber immer noch alles alleine produziert. Irgendwann hatte ich eine neue Agentin, die mir riet, die Produktion auszulagern. Als in meine Werkstatt eingebrochen und mir meine komplette neue Kollektion gestohlen wurde, ein paar Tage, bevor ich sie präsentieren wollte, wurde mir klar, dass ich das wirklich anders machen muss. Jetzt werden meine Schmuckstücke in Thailand produziert.
Wie bei allem im Leben braucht es etwas Talent und Entschlossenheit, aber es hat auch mit Glück zu tun und – auch wenn ich das ungern sage – mit deinem Netzwerk.
Ich habe im Alter von 21 angefangen, Kurse dazu zu belegen. Das habe ich parallel zum Tanzen gemacht. Ich hatte immer schon ein hohes Energie-Level, und beim Goldschmieden konnte ich super abschalten. Vieles habe ich dann einfach nach dem Prinzip „Learning by doing“ gelernt. Aber da ich keine klassische Goldschmiedeausbildung habe, beherrsche ich nicht alle Techniken perfekt. Vieles kann ich nicht – ich bin zum Beispiel sehr schlecht darin, Steine einzusetzen. Irgendwann dachte ich: Na gut, ich kann eben nicht alles. Ich tue das, was ich kann, und für alles andere hole ich mir Hilfe.
Mit der „V“ Kollektion, die der weiblichen Anatomie gewidmet ist, habe ich eine neue Methode entdeckt, meine Prototypen zu entwickeln. Diese Methode hat mich echt befreit! Früher habe ich meine Schmuckstücke immer gefeilt und gehämmert, es war ziemlich rabiat. Das hat bei der „V“ Kollektion nicht funktioniert. Die Entwürfe sollten ganz weich und organisch sein. Ich kann doch keine Form, die an die Vagina erinnern soll, mit Hammer und Säge kreieren! Ich habe dann eine Möglichkeit gefunden, Formen aus Wachs herzustellen, die mir ganz neue Horizonte eröffnet hat. Das mache ich jetzt sehr gerne. Manchmal zeichne ich Entwürfe auch.
Bei der „V“ Kollektion war der Ausgangspunkt ein persönliches Gefühl, das ich gerne mit den Materialien, mit denen ich arbeite, ausdrücken wollte. Vielleicht sind Gefühle auch immer der Ausgangspunkt. … Zu Beginn meiner Karriere als Schmuckdesignerin dachte ich oft, ich müsse sagen, dass ich von Architektur oder „typisch skandinavischem Stil“ inspiriert sei. Das hat sich damals richtig angehört, aber ich weiß nicht, ob ich jemals von Architektur inspiriert war. Mir ging es eigentlich immer darum, dass meine Stücke eine emotionale Reaktion auslösen. Es ist eine emotionale Reise. Manchmal weiß ich schon vorher, was genau ich sagen möchte, in anderen Fällen folge ich einfach meinem Gefühl. Es hat aber immer etwas mit mir persönlich zu tun – und das Ziel ist, eine Verbindung zu anderen Menschen herzustellen.
Mir ging es eigentlich immer darum, dass meine Stücke eine emotionale Reaktion auslösen. Es ist eine emotionale Reise.
Bei dieser speziellen Kollektion war es sehr wichtig. Das Thema hat mich lange beschäftigt. Der Auslöser war meine eigene Unsicherheit bezüglich meiner Vulva. Ich wollte diese Unsicherheit loswerden und dazu beitragen, dass andere Frauen diese Unsicherheit ebenfalls abbauen können. Theoretisch hätte sich die Kollektion auch um meine Nase drehen können und um meine Unsicherheit bezüglich meiner eigenen Nase, versteht ihr, was ich meine? Ich habe dann herausgefunden, dass ich mit dieser Unsicherheit nicht alleine bin und dass es ein wichtiges Thema für Frauen ist. Wir müssen darüber reden und es darf nicht länger ein Tabu sein. Ich habe so viel Recherche betrieben und mit so vielen Frauen aus unterschiedlichen Altersgruppen gesprochen.
Zuerst habe ich über meine eigenen Unsicherheiten gesprochen. Das finde ich wichtig bei einem sensiblen Thema, um überhaupt die Möglichkeit für ein offenes Gespräch zu schaffen. Zu Frauen, die sich total selbstbewusst fühlen und die sagen, „Meine Vagina ist mein Powerhouse!“, habe ich gesagt: „Ich beneide euch!“. Ich habe auch mit guten Freundinnen über das Thema gesprochen, zum ersten Mal. Selbst mit der Frau in meinem Waxing-Studio habe ich darüber gesprochen (lacht). Sie meinte nur: „Wow, wenn Sie wüssten, wie viele Frauen mir sagen, dass sie sich Gedanken darum machen, wie ihre Vulva aussieht und sich unsicher fühlen!“. Je mehr ich darüber geredet habe, desto mehr hat es mir geholfen. Mehr und mehr habe ich gemerkt, wie wichtig das Thema ist und dass wir uns mehr darüber austauschen müssen. Man müsste das in Schulen zum Thema machen. Im Alter zwischen 11 und 15 hat man so viele Fragen und Unsicherheiten, und es gibt wenige Orte, an denen man sich sicher fühlt, darüber zu sprechen. Selbst mit seinen Freunden möchte man vielleicht nicht darüber reden, aus Angst, sich bloßzustellen. Und letztlich war meine Hoffnung einfach, dass meine Schmuckkollektion Gespräche in Gang bringt.
Mir war es auch wichtig, dieses Tabuthema in etwas zu übersetzen, das man jeden Tag sieht – beispielsweise in Form eines Ohrrings oder einer Halskette – und dabei eher subtil zu arbeiten. Man erkennt ja nicht sofort bzw. nicht eindeutig, was die Schmuckstücke darstellen. Sie sind recht abstrakt. „Schöner Ohrring!“ – „Danke, er ist eine Hommage an die Vagina.“ Das kann eine Unterhaltung in Gang setzen, die dazu beiträgt, das Thema zu enttabuisieren. Ich freue mich wirklich, dass ich diese Kollektion gemacht habe.
Der Auslöser für die „V“ Kollektion war meine eigene Unsicherheit bezüglich meiner Vulva. Ich wollte diese Unsicherheit loswerden und dazu beitragen, dass andere Frauen diese Unsicherheit ebenfalls abbauen können.
Selbst mit der Frau in meinem Waxing-Studio habe ich darüber gesprochen. Sie meinte nur: „Wow, wenn Sie wüssten, wie viele Frauen mir sagen, dass sie sich Gedanken darum machen, wie ihre Vulva aussieht und sich unsicher fühlen!“.
Das Thema habe ich einfach verinnerlicht. Genauso wie ich gutes Essen brauche, ist mir bewusst, dass es im Leben mehr gibt als wir greifen und sehen können, und dass wir mit größeren Dingen verbunden sind. … Und ich mag einfach schöne Dinge – diese Kristalle sind so hübsch! Und diese Blumen hier, sind die nicht verrückt? Die Natur ist echt wild! In Dänemark war Spiritualität lange kein großes Thema, aber in letzter Zeit ist es ja ein gewisser Trend geworden, wenn man das so sagen will. Das ist ja immer mit gesellschaftlichen Strömungen verbunden, solche Trends entstehen ja aus Bedürfnissen von Menschen. Ich denke schon länger darüber nach, wie ich Kristalle in meine Schmuckstücke integrieren kann, sodass es modern aussieht und zu mir passt. Das würde ich gerne machen.
Wisst ihr was – ich dachte immer, wenn ich schwanger werde, würde ich die ganze Zeit stricken und basteln und Dinge für das Baby vorbereiten. Aber irgendwie tue ich das nicht! Dabei habe ich früher immer Geschenke für die Babys von Freundinnen selbstgemacht. Das einzige, was ich jetzt gemacht habe, ist ein Mobile aus kleinen Steintieren zu basteln (lacht).
Mein Freund meinte, unser Kind würde wahrscheinlich traumatisiert von den komischen Tieren im Mobile. (lacht)
Ich bin einfach offen und lasse alles auf mich zukommen.
Großartig! Ich finde es so toll, das direkte Feedback von Kunden zu bekommen und zu hören, was ihnen gefällt. Außerdem bin ich, ehrlich gesagt, hier zu Hause etwas vereinsamt. Ich habe bis zur Eröffnung des Ladens im November 2018 von zu Hause gearbeitet. Jetzt bin ich fast jeden Tag im Laden. Ich liebe es, aber es ist auch ein weiterer Vollzeit-Job. Zum Glück habe ich zwei Girls, die in Vollzeit bei mir im Laden arbeiten. Das ist so ein Geschenk!
Ja, aber da es mein erstes Kind ist, habe ich keine Vorstellung davon, wie es sein wird – und wer ich sein werde. Ich kenne sowohl Mütter, die erst einmal ganz Mutter sein wollen, als auch solche, die es eher langweilig finden und die gerne möglichst schnell wieder arbeiten wollen. Ich habe keine Ahnung, wie ich sein werde. Ich bin einfach offen und lasse alles auf mich zukommen. Meine beiden Mitarbeiterinnen können auf jeden Fall fast alles übernehmen, solange ich eine Pause mache. Das beruhigt mich enorm. Mein Freude ist Schwede und arbeitet freelance, deshalb betrifft uns die gesetzliche Elternzeitregelung in Dänemark nicht so richtig. Wir schauen einfach, wie sich die Dinge entwickeln.
Layout: Kaja Paradiek
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