Gianna Possehl und ihre Agentur „Basic“ kennt man in der Hamburger Medien- und Agenturbranche. Seit vielen Jahren unterstützt Gianna Kreativ- und Medienagenturen sowie Verlage dabei, neue Kunden zu gewinnen, sich zu modernisieren und Führungskräfte fit zu machen. Als sie ihre Agentur 1997 gründete, kamen Giannas Kunden vorwiegend aus der Musikbranche – sie half Popstars und anderen Personen, die berufsbedingt im Rampenlicht stehen, dabei, sich souverän vor der Kamera und in Interviews zu verhalten. Step-by-step hat Gianna Possehl ihre Agentur groß gemacht und erweitert. Dieses Jahr hat sie sich erstmals weitere Coaches und Berater mit ins Boot geholt und eine Webseite für Basic ins Leben gerufen. Gianna ist aber nicht nur ein Kommunikations- und Businessprofi, sondern auch eine Designliebhaberin mit einem supercoolen Wohnstil. Wir treffen sie zum Kaffee und Gespräch in ihrer traumhaft schönen Eigentumswohnung östlich der Alster.
Gianna Possehl: Ich fand mein Studium toll und bereichernd, aber ich habe mir ernsthaft die Frage gestellt, was ich danach mache. Es schien zwei Optionen zu geben: reich heiraten oder arbeitslos werden. Ich habe während des Studiums sofort diverse Praktika gemacht. Mit Musik hatte ich immer viel zu tun. Sobald ich 18 wurde, habe ich meine erste Firma angemeldet: einen Musikverlag. Ich habe Bands gemanaget, Bookings gemacht, Veranstaltungen organisiert, und bin darüber ins Musikbusiness gerutscht. Zuerst war ich bei einem Veranstalter in Bonn, wo ich auch studiert habe. Da bin ich von der Praktikantin zur Geschäftsführerin geworden und war im Alter von 21 schon Chefin des damals größten deutschen Open-Air-Festivals. Als ich wieder in der Uni saß, fand ich das alles zu slow. Ich wollte machen!
Ich habe mich getraut, das Studium nicht abzuschließen.
Ich habe mich getraut, das Studium nicht abzuschließen. Ich hatte aber auch schon Angebote auf dem Tisch. Mich hat seitdem niemand mehr nach einem Studienabschluss gefragt.
Damals fand ich das spannend. Ich hatte aber viele Interessen. Ursprünglich wollte ich Modedesignerin werden. Ich habe während der Schule Klamotten selber gemacht, Modenschauen organisiert und tatsächlich auch Sachen verkauft. Parallel habe ich Bands gemanaget. Rückblickend ist es erstaunlich, dass ich überhaupt das Abi durchgezogen habe – ich wollte viel lieber arbeiten.
Ich habe zuletzt im Marketing gearbeitet und Kampagnen von großen Bands verantwortet. Ich habe damals aber für mich festgestellt, dass diese klassische Karriere im großen Konzern nicht das ist, wo ich gut funktioniere. Ich wollte es kleiner und agiler haben. Ich wollte schneller Entscheidungen treffen und nicht so limitiert arbeiten. Deswegen habe ich mich selbstständig gemacht – mit einer Beratungsagentur. Das war 1997 und naturgemäß waren meine ersten Kunden Plattenfirmen, weil ich da die besten Kontakte hatte.
Ich hatte nebenbei eine Ausbildung als Kommunikationstrainerin gemacht und habe anfangs Musiker beraten. Dass es einen Bedarf für Medientraining gab, hat sich schnell erschlossen, wenn man sich Interviews mit Bands angesehen hat. Manche Leute sehen ein schlechtes Interview und denken, die Musiker seien einfach blöd. Aber das ist Quatsch. Es hat einfach etwas mit Schulung zu tun. Es ging mir darum, den Künstlern eine Sicherheit im Umgang mit Journalisten zu geben. Was erzähle ich? Wie schütze ich mein Privatleben? Welches Image möchte ich aufbauen? … Das war am Anfang. Mit der Zeit kamen aber immer mehr Klienten aus anderen Bereichen dazu.
Ich arbeite seit circa 2004 viel für große Kreativ- und Mediaagenturen und Kunden aus dem Digitalbereich. Zum Beispiel Google, Xing, Dentsu, Aegis, VIVAKI, Serviceplan, aber auch Technologieentwickler und Verlage wie Gruner+Jahr. Gleichzeitig schaue ich immer gerne auf Unternehmensseite vorbei. So verstehe ich die Kunden meiner Kunden.
Ja, es gibt zwei große Felder: Kommunikation und Führung. Aber immer mit einem strategischen Ansatz. Und alles im Business-Kontext. Ich mache viele Business-Coachings, aber keine Life-Coachings. Ich bin als systemischer Coach ausgebildet und zertifiziert und berate Führungskräfte – im Coaching überwiegend Geschäftsführer, Vorstände oder Gründer.
Ich habe beispielsweise Xing zur Vorbereitung auf den Börsengang begleitet. Agenturen unterstütze ich unter anderem dabei, in wichtigen Pitches neue Kunden zu gewinnen. Ich begleite Unternehmen in Change-Prozessen. Im Moment mache ich bei einer großen Agenturgruppe 120 Führungskräfte fit für die anstehenden Mitarbeitergespräche. Das macht sehr viel Spaß und ist ein wichtiger Hebel, der auf die Unternehmensziele, als auch auf die Mitarbeiterzufriedenheit stark einzahlt.
Ich kann nichts mitnehmen, außer meinem Kopf, meiner Erfahrung und meiner Fähigkeit, Menschen in kurzer Zeit einen großen Schritt weiter zu bringen.
Ich mag, dass ich ganz spontan reagieren muss. Ich kann nichts vorbereiten. Ich kann nichts mitnehmen, außer meinem Kopf, meiner Erfahrung und meiner Fähigkeit, Menschen in kurzer Zeit einen großen Schritt weiter zu bringen.
Genau. Das brauche ich aber auch. Für mich ist Abwechslung wichtig. Ich bin ein schlechter Routinemensch. Das langweilt mich schnell. Deswegen ist es mir wichtig, einen guten Mix in meinen Tätigkeiten zu haben.
Wir haben nie ausgelernt. Bis ins hohe Alter haben Menschen die Möglichkeit, dazuzulernen und sich zu entwickeln. Wie großartig! Wir werden dann schlecht, wenn wir denken, wir könnten schon alles.
Ja, das kam mit der Erfahrung. Ich bin eigentlich ein introvertierter Mensch. Ich kann hervorragend ohne Menschen sein. Aber ich habe für meinen Job gelernt, extrovertiert zu agieren und das macht mir Spaß. Die Sicherheit, die ich heute habe, habe ich aufgrund der Erfahrung, die ich gesammelt habe. Und aufgrund der Tatsache, dass ich mich immer bemühe, weiter dazuzulernen. Ich glaube, dass ich durch jeden Job und jeden Menschen dazulernen kann. Wir haben nie ausgelernt. Bis ins hohe Alter haben Menschen die Möglichkeit, dazuzulernen und sich zu entwickeln. Wie großartig! Wir werden dann schlecht, wenn wir denken, wir könnten schon alles.
Wenn es immer total sicher wäre, dann hätte ich das Gefühl, dass für mich kein Wachstum möglich ist. Ich gehe natürlich immer mit dem Gewissen rein, dass ich dem Kunden etwas bieten kann. Aber ich muss mir auch Herausforderungen stecken. Die Komfortzone lähmt und blockiert. Es ist natürlich wichtig, zu wissen, was man kann und welche Jobs zu einem passen.
Wenn es darum geht, knifflige Aufgaben zu lösen oder um Herausforderungen, bei denen man nicht sofort eine Lösung hat, dann muss man sich einerseits intensiv mit der Thematik befassen, aber es ist genauso wichtig, in die so genannte Inkubationsphase zu gehen. Das heißt, ich entferne mich vom Problem und bekomme die Antwort gefühlt aus dem Off. Deshalb sagen so viele Leute, dass sie die besten Ideen unter der Dusche haben. Und deshalb bringt es oft so wenig, sich an den Tisch zu setzen und zu sagen: Jetzt brainstormen wir. … Wenn ich nach Hause komme, gibt es wenig Raum für die Arbeit. Ich wälze mich nachts nicht im Bett und denke über die Arbeit nach, aber die Antworten kommen.
Es sind deutlich weniger geworden, aber manchmal mache ich das noch. In der Musikbranche sind die Budgets für Beratung zurückgegangen, also sind es seltener Musiker. Manchmal helfe ich auch Prominenten dabei, sich auf einen Talkshow-Auftritt vorzubereiten.
Die Frage ist: Warum braucht man grundsätzlich Coaching? Die Antwort ist nicht, weil man trainieren will, in Standardsätzen zu antworten. Sondern es geht darum, den Kern dessen, was man sagen möchte, formulieren zu können. Damit haben die meisten Menschen Schwierigkeiten. Wie bringe ich meine Aussage auf den Punkt? Wie fühle ich mich souverän und sicher? Wie lerne ich, bei mir zu sein?
Es ist hilfreich, sich von einem übertriebenen Perfektionismus zu lösen. Ich habe in den letzten Jahren Berufstätigkeit plus Kinder festgestellt: perfekt muss gar nicht sein. Gut ist fein.
Was grundsätzlich gilt: eine gute Vorbereitung hilft. Sich mit der Situation auseinanderzusetzen und außerdem sich seiner Stärken bewusst zu sein. Nicht schwächenverhaftet denken! Es ist hilfreich, sich von einem übertriebenen Perfektionismus zu lösen. Ich habe in den letzten Jahren Berufstätigkeit plus Kinder festgestellt: perfekt muss gar nicht sein. Gut ist fein. Perfekt ist in den meisten Fällen eine totale Bremse. Man muss das für sich loslassen und sich sagen: Das perfekte Interview wird es nicht geben, es wird ein gutes Interview.
Ich war schon selbstständig als das erste Kind kam. Im Nachhinein empfinde ich das als einen großen Vorteil. Ich musste mich nie mit den Fragen rumschlagen: Wie geht mein Arbeitgeber damit um, dass ich schwanger bin? Wird es meinen Job noch geben, wenn ich zurückkomme? Wir sind noch weit davon entfernt, dass das in Unternehmen in Deutschland ideal läuft. Ich war sehr frei und konnte alles so entscheiden, wie ich es gerne wollte. Ich habe meinen ersten Sohn mit ins Büro genommen und habe aus einem Raum ein Kinderzimmer gemacht.
Ja. Ich habe auch keine blöden Blicke dafür bekommen, dass ich drei Wochen nach der Entbindung schon wieder gearbeitet habe. Ich war jeden Tag vielleicht nur zwei oder drei Stunden in meiner Agentur, aber ich konnte das selbst steuern und ich hatte nicht das Gefühl, mich für irgendwas rechtfertigen zu müssen.
Damit habe ich vielleicht ein bisschen kompensiert, dass ich das Studium nicht beendet habe (lacht). Es waren beides Auftragsarbeiten. Mir hat die Recherche wahnsinnig viel Spaß gemacht, das Runterschreiben war … okay. Eine Fleißarbeit. Das Glücksgefühl, als die Bücher hier ankamen, hat sich nicht eingestellt. Ich sehe meine Zukunft nicht darin, Fachbücher zu schreiben.
Damit habe ich mich schon länger beschäftigt. Ich bekomme so viele Anfragen, dass ich das alleine nicht bewältigen kann und meine Agentur breiter aufstellen wollte, um große Kunden umfassender beraten zu können. Außerdem möchte ich gerne die Bereiche Fashion und Beauty angehen. Ich habe über zwei Jahre sehr intensiv gesucht, um einen Pool an Trainern und Coaches zusammenzustellen, die alle top ausgebildet und wahnsinnig erfahren sind, alle selbst einmal Führungskräfte waren und die denken wie ich – nämlich, dass sie nie ausgelernt haben. Jetzt habe ich sechs Coaches und Trainer zusammen und wir stecken schon mitten in der Arbeit mit den Kunden, obwohl wir noch nicht mal die Homepage fertig haben. Ich habe zwanzig Jahre lang keine Homepage gebraucht, aber jetzt brauchen wir wohl eine.
Es war nie nötig. Meine Kunden, die ich neu gewonnen habe, kamen immer über Empfehlungen zu mir.
Selten. Genug zu tun hatte ich immer.
Doch doch. Jahrelang saß ich im Januar da und dachte: Das wird ein schlimmes Jahr, ich habe noch keine Aufträge. Und mein Mann sagte immer: „Das sagst du jedes Jahr im Januar. Im Februar geht es wieder rund. Vielleicht solltest du im Januar Urlaub machen.“ Und dann ging es im Folgejahr im Januar so dermaßen los, dass ich auch nicht wegkam.
Nach einem langen Workshop-Tag entspanne ich am allerbesten, indem ich auf Living- und Interior-Websites unterwegs bin. Bei Apartment Therapy und Design Sponge schaue ich jeden Tag vorbei. Ich mag es wahnsinnig gerne, mir tolle Wohnungen und Häuser von verschiedenen Menschen anzuschauen. Dann kriege ich immer Ideen und Inspiration, was zu Hause bedeutet: Können wir nicht noch mal renovieren? Bis jetzt ziehen mein Mann und meine Kinder gut mit. Und im letzten Jahr konnte ich mich in einer Wohnung auf Sylt ausleben, die wir als Ferienwohnung gekauft haben. Ich habe jedes Teil sehr handverlesen ausgewählt. Wir vermieten sie, weil wir sie relativ selten nutzen. Aber wenn ich reinkomme, fühle ich mich sofort zu Hause.
Zum Teil sind es Familienerbstücke. Aber ich gehe auch wahnsinnig gerne auf Flohmärkte. Das ist mein größtes Hobby. In Hamburg finde ich den Lehmweg- und Turmweg-Flohmarkt großartig. Letztes Wochenende war ich auf Sylt auf zwei Flohmärkten: in einer Kirche und im Tierheim. Zum Tierheim mussten wir ziemlich lange laufen und meine Kinder hatten schon keinen Bock mehr. Ich dachte schon: Um das zu kompensieren, muss ich jetzt wahrscheinlich eine Katze mitnehmen (lacht). Wir haben dann aber ganz tolle Sachen auf dem Flohmarkt gefunden.
Ja. Das mag ich gerne und ich mache das auch gerne alleine. Das ist mein Date mit mir selbst. Ich stehe früh auf und schlendere mit einem Kaffee über den Turmwegflohmarkt. Um 10 Uhr bin ich dann zu Hause und es gibt Frühstück.
2 Kommentare
Wahnsinn! Das ist meine Traumwohnung! Möchte Gianna vielleicht mal bei mir vorbei kommen? 🙂