Sada Dehgani: „Wenn du auf dein Herz hörst, passieren die richtigen Dinge.“

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1. Juni 2015

Ihre offene, authentische Art macht es unmöglich, nicht direkt Sympathie für Sada Dehgani zu entwickeln, wenn man sie trifft. Die 31-Jährige ist „Head of PR“ für das Unternehmen Unger Hamburg, sowohl für den Fashion-Store Unger als auch den jüngeren Store UZwei. Für diesen Traum-Job zog sie Ende 2014 von München um nach Hamburg. Und als wir mit ihr über diese Erfahrung sprechen wollten, erzählte sie uns, dass sie den Umzug zurück nach München bereits geplant hat. Nicht, weil ihr die Arbeit oder Hamburg nicht gefallen, sondern weil die Liebe sie zurück nach München ruft. Wie sieht das denn nun aus, mit dem Spagat zwischen privatem Glück und Karriere?

 

Femtastics: Wolltest Du immer schon etwas mit Mode machen?

Sada Dehgani: Mode hat mich immer interessiert, ich habe aber Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt Social Media studiert und bin zunächst in Richtung TV gegangen. Ich habe während meines Studiums fast drei Jahre bei RTL gearbeitet. In der Zeit habe ich alles gemacht, von Archivarbeit bis zu eigenen Beiträgen. Dann bin ich zu Pro Sieben gewechselt, in den Bereich Redaktion und Projektmanagement. Das war auch noch während des Studiums. Irgendwie habe ich Stefan Gessulat getroffen und er hat mir gesagt: „Ich glaube, Du wärst gut in der PR aufgehoben.“

Dann hast Du bei seiner PR-Agentur angefangen?

Genau, bei Gessulat/Gessulat. Da habe ich viele Kunden aus der Mode betreut. Ich habe relativ schnell den Code der Modebranche verstanden, also wie die Branche tickt, wie man die Leute ansprechen muss. Zwischenzeitlich bin ich zur PR-Agentur We Love PR gewechselt, aber dann wieder zurück zu Stefan Gessulat. Unger Fashion war einer meiner Kunden dort und hat mich irgendwann abgeworben.

Du kennst also die PR-Arbeit in Agenturen ebenso wie in Unternehmen. Worin unterscheidet sich die Arbeit – außer, dass man in einer Agentur für mehrere Kunden arbeitet?

Der Agenturalltag ist wenig strukturiert, da herrscht oft Chaos. Das braucht man auch, um kreativ sein zu können – und das ist ja das A und O in einer Agentur. Das ist in einem Unternehmen weniger so. Da hat man eine klar zugeteilte Aufgabe, es ist erwachsener.

Was würdest Du jemandem empfehlen, der in der PR arbeiten möchte – wo sollte man anfangen, in einer Agentur oder in einem Unternehmen?

Eher in einer Agentur, weil Du dort unterschiedliche Kunden hast. Dadurch brauchst Du auch unterschiedliche Zielmedien und Du kannst Dein Kontaktportfolio breit bestücken. Das hilft ungemein, denn in der PR bist Du auf Kontakte angewiesen. Kontakte sind Dein größtes Kapital. Wenn Du keine Kontakte hast, nützt Dir auch die beste Story nichts.

 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es in der PR auf Echtheit ankommt.

 

Und die kann man sich in der Agenturarbeit aufbauen?

Genau. Im Unternehmen ist der Anspruch ein anderer, da musst Du schon viel mitbringen.

Was braucht man denn über Kontakte hinaus, um in der PR erfolgreich zu sein?

Kommunikationstalent spielt eine große Rolle. Mir ist aber aufgefallen, dass das zum Beispiel bei Events oft übertrieben wird. Hauptsache freundlich und mega gut gelaunt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es auf die Echtheit ankommt. Ich musste mich noch nie verstellen. Wenn Du ehrlich bist, hat es einen längeren Bestand. Ansonsten kommen und gehen die Kontakte.

Ich weiß, was Du meinst. Manchmal begegnet einem in der Modebranche auch viel aufgesetzte Freundlichkeit.

Dabei kommt man mit Ehrlichkeit viel weiter!

 

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Sada Dehgani im Hamburger Store UZwei

 

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Hinter den Kulissen: Der Konferenzraum des Teams

 

Apropos Ehrlichkeit, hast Du nach der Arbeit manchmal keinen Bock mehr, zu reden oder überhaupt zu kommunizieren?

Ja, mein Tag besteht ja eigentlich nur daraus, mit Menschen zu kommunizieren. Ich bin von Natur aus sehr gesellig, deshalb kann ich das. Aber es hat alles seine Grenzen – auch bei mir. Ich habe manchmal Abende, da ist mir sogar eine TV-Serie zu viel. Da kann ich gar nichts mehr hören. Aber dann habe ich wieder Phasen im Leben, da bin ich so belastbar, da gehe ich nach einer stressigen Arbeitswoche noch zum Mädelsstammtisch und unterhalte mich noch fünf Stunden weiter. Aber so oder so ist es Beschweren auf hohem Niveau, ich habe ja eine sehr angenehme Arbeit. Ich arbeite immer mit schönen Dingen und habe meistens mit netten Leuten zu tun

Was magst Du denn am meisten an Deiner Arbeit?

Ich liebe es, mir immer neue Geschichten zu einem Produkt oder Label auszudenken. Und ich mag den Kontakt zu anderen Menschen. Ich könnte keinen Job haben, in dem ich den ganzen Tag nur Formulare ausfülle.

Und wie ist das, wenn man den ganzen Tag von so schönen Dingen umgeben ist?

Ich shoppe viel weniger, seitdem ich so viel mit Mode zu tun habe. Ich packe das nicht mehr. Meine Wände zu Hause sind auch ganz weiß – ich sehe während meiner Arbeit schon so viele Bilder. Das reicht mir dann.

Das heißt, in Deiner Freizeit brauchst Du einen Ausgleich – sofern Du mal Freizeit hast.

Das ist so eine Sache. Freizeit und Beruf verknüpfen sich immer mehr, weil ich auch viele Bekanntschaften über die Arbeit geschlossen habe. Aber in der Regel versuche ich, meine Freizeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Meine Mädels kenne ich seit siebzehn Jahren …

Arbeiten sie auch im Lifestyle-Bereich?

Nein, die belächeln das. Die haben Medizin oder Politikwissenschaften studiert und sind alle ganz anders. Ich verstehe das aber auch, wenn sie mich belächeln, ich tue ja nicht gerade was für die Menschheit.

Es tut doch gut, Freunde zu haben, die etwas ganz Anderes machen als man selbst. Dann drehen sich die Gespräche nicht immer um die gleichen Themen.

Ja, so geht es mir auch.

 

Ich hatte früher immer das Ziel, irgendwann Head of PR zu sein. Aber ich dachte, das passiert mit 40. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mit 30 schon erreiche.

Für den Job bei Unger bist Du Ende 2014 von München nach Hamburg umgezogen, ohne in Hamburg Freunde oder Familie zu haben. Wie war das?

Als ich das Angebot von Unger bekommen habe – das war im Juli letztes Jahres – da war ich Single, es war Sommer und ich dachte: Das machst Du jetzt! Es war kurz nach meinem 31. Geburtstag. Ich hatte früher immer das Ziel, irgendwann Head of PR zu sein. Aber ich dachte, das passiert mit 40. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mit 30 schon erreiche. Da habe ich mir gesagt: Du wärst ja doof, wenn Du den Job nicht nimmst!

Also bist Du nach Hamburg gezogen?

Ich habe den Vertrag unterschrieben, habe alles vorbereitet, und kurz bevor ich nach Hamburg gezogen bin, habe ich in München jemanden kennengelernt. Der Klassiker! Dadurch bin ich dann andauernd zwischen den beiden Städten hin und her gependelt. Gerade am Anfang einer Beziehung will man sich ja am liebsten die ganze Zeit sehen. Gleichzeitig wollte ich meine ganze Power in den neuen Job stecken.

Das klingt stressig.

Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich entscheiden muss – beides zusammen, Job und Beziehung, in zwei verschiedenen Städten, ist schwer. Ich habe mich in Hamburg direkt wohlgefühlt, das war nicht das Problem. Aber irgendwann habe ich mir gedacht: Karriere hin oder her, was sagt mein Herz? Mein Freund sagte zu mir: „Sada, weißt Du, was das größte Problem ist? Wir verlieren so viel Zeit.“ Er hat dann entschieden, dass er zu mir nach Hamburg ziehen will, weil es so nicht mehr weiter gehen konnte. Aber da habe ich gemerkt: Ich sehe mein Leben in Zukunft in München, da habe ich meine Freunde, meine Familie – und ich wollte auch nicht, dass mein Freund sein Leben in München für mich aufgibt. Die Gewissheit, dass er es getan hätte, hat mir gereicht.

Und jetzt?

Jetzt ziehe ich zu meinem Freund nach München zurück und versuche, meinen Job von München aus zu machen. Ich glaube, ich hätte es bereut, wenn ich die Beziehung dem Job geopfert hätte. Man muss sich trauen, auf sein Herz zu hören.

 

Kommt es wirklich darauf an, dass mein Baby später in einer goldenen Wiege liegt? Nein, tut es nicht.

 

Frauen bekommen ja oft vorgeworfen, sich nicht genug für ihre Karriere einzusetzen. Da braucht es andersherum auch Mut, heute zu sagen: Meine Beziehung ist mir wichtiger als meine Karriere.

Für meinen Freund ist Karriere nicht so wichtig, da ist er mein Gegenteil. Und ich habe mich irgendwann auch gefragt: Ist das wirklich so wichtig? Kommt es wirklich darauf an, dass mein Baby später in einer goldenen Wiege liegt? Nein, tut es nicht. Ich möchte jetzt mein Leben genießen. Man weiß ja leider immer erst im Nachhinein, ob etwas die richtige Entscheidung war oder nicht.

Aber wenn sich etwas gut anfühlt, ist es meistens nicht falsch, oder?

Ich denke auch. Und ich will gar nicht die Leute hören, die rufen: „Wie konntest Du nur? Diesen Job wünschen sich so viele Mädchen, und Du gehst zurück nach München!“. Aber ich glaube, wenn man auf sein Herz hört, dann kommen schon die richtigen Dinge. Und vielleicht kann ich meinen Job ja auch gut von München aus weiter machen.

Du bleibst also erst einmal Head of PR bei Unger?

Zunächst ja. Es wird sich zeigen, wie alles funktioniert.

Es ist toll, dass Dein Arbeitgeber offen dafür ist, Dich flexibel arbeiten zu lassen.

Absolut. Das verstehe ich als Wertschätzung von mir. Und man muss ja auch sagen, dass man in der PR gut ortunabhängig arbeiten kann.

Kommen wir noch einmal zur Mode zurück. Du hast mir einmal erzählt, dass Du sehr gerne Vintage trägst. Und das, obwohl Du von so vielen schönen, neuen Dingen umgeben bist. Wie kommt das?

Ich schätze den Stil meiner Mama total. Meine Mama ist ganz eigen. Sie war damals in Teheran, wo sie aufgewachsen ist, mit ihren Schwestern stadtbekannt in der Disco-Szene. Ich fand immer alles, was sie getragen hat, so toll. Sie hatte das Talent, mit wenig Mitteln einen ganz tollen Look zu kreieren. Ich habe von meiner Mama eine wunderschöne, handgeflochtene Jil Sander Tasche. Ich liebe sie. Die kann ich zu allem tragen. Vielleicht bedingt dadurch, dass meine Mama seit über zwanzig Jahren in München lebt, liebt sie auch Escada – und ich habe einige alte Stücke von ihr bekommen.

Ist Dir in modischer Hinsicht ein Unterschied zwischen den Hamburgern und Münchnern aufgefallen?

Das ist ein Riesenunterschied! Bei Berlin weiß man ja: Willst Du was gelten, trägt Du Schwarz – das ist so traurig. Aber über Hamburg und München sagen manche Leute ja, der Stil sei sich so ähnlich. Das finde ich nicht. In München sehen viele Frauen gleich aus, mit Perlenohrsteckern, Longchamp-Tasche und Tory Burch-Ballerinas. Das ist kein Vorurteil, das ist so. Geh mal in den Biergarten und schau Dir die Leute an. In Hamburg ist das nicht so – obwohl hier unglaublich viele Frauen Chanel-Taschen tragen. Ich habe mich schon gefragt, ob man die am Fischmarkt nachgeschmissen kriegt. An Hamburg gefällt mir besser, dass es etwas skandinavisch angehaucht ist. Hamburg ist noch ein bisschen stilvoller – sorry, München.

Vielen Dank für das Gespräch, Sada! Komm uns ab und zu besuchen in Hamburg.

 

Hier findet ihr Sada:

 

3 Kommentare

  • Franzi sagt:

    hahaha „Perlenohrsteckern, Longchamp-Tasche und Tory Burch-Ballerinas“ so habe ich München Außenstehenden immer beschrieben 😀 hier laufen 16-jährige Mädels ja schon so rum. Was für ein tolles Interview. Ich wäre letztes Jahr auch fast nach Hamburg gezogen, weil die Stadt so viel offener, weiter, freier wirkt als München und dann hab ich meinen Freund kennen gelernt und nun erwarten wir Nachwuchs. Auch wenn wir erstmal in München bleiben, bekommt das Kind wenigstens einen norddeutschen Namen und wer weiß, vielleicht klopfen wir doch irgendwann an die Stadttore von Hamburg, ich gebe die Hoffnung nicht auf. Hoffentlich schafft Sada den beruflichen Spagat zwischen Hamburg und München – wünsch es ihr sehr!
    Franzi von https://www.beeminent.wordpress.com

  • Nina sagt:

    Danke für das tolle und spannende Interview!
    Und ich finde es toll, dass Sada so mutig ist, Karriere nicht über die Liebe zu stellen. Ich selbst habe auch für mich gemerkt, dass es wichtiger ist, dass man glücklich ist dort wo man ist – da hilft einem der tollste Job nicht, wenn man dennoch traurig und alleine in der Stadt ist und das Herz einen eigentlich wonanders hinzieht.

    Ich wünsche Sada viel Glück für ihre spannende Zukunft 🙂

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