Wir haben das Jahr 2024 und fremde Menschen bzw. Ärzt*innen bestimmen immer noch über die Körper von Schwangeren. femtastics Autorin Paula Becker* entscheidet sich nach zwei Kindern bewusst gegen ein drittes Kind – obwohl die Rahmenbedingungen auf dem Papier gestimmt haben. Was sie dann erlebt, zeigt auf, warum Gewalt gegen Frauen* eben auch ist, dass Schwangerschaftsabbrüche – aus welchen Gründen auch immer – illegal sind.
Mein Mann und ich wohnen in einem Haus im Grünen mit unseren zwei Kindern. Kind 1 war eine spontane Wunschschwangerschaft, auf Kind 2 haben wir sehr lange gewartet, inklusive Besuch in der Kinderwunschklinik. Man könnte meinen, ich könnte glücklich sein über eine dritte, spontane Schwangerschaft?
Uns war unmittelbar klar: Wir wollen dieses Kind nicht.
Im Gegenteil. Es war ein Schock. Wir, 41 und fast 50, haben nicht mehr damit gerechnet, dass ich noch einmal schwanger werde. Uns war unmittelbar klar: Wir wollen dieses Kind nicht. So sehr ich meine Kinder liebe, so sehr wussten wir, dass ein drittes Kind bei uns nicht gepasst hätte. Wir standen damals schon kurz vor einer Ehekrise und die Schwangerschaft und vor allem die Babyzeit hätten sehr sicher eine Änderung unserer Beziehungsdynamik hin zum Negativen bedeutet. Denn entgegen der Binsenwahrheit, Kinder könnten Ehen retten, denke ich, dass sie eher eine Belastungsprobe sind. Und manche Paare haben mehr Kapazitäten und Belastbarkeiten für diese Situationen, andere weniger.
Mein Entschluss stand fest. Doch was dann auf mich zukam, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste, dass ein Abbruch grundsätzlich illegal ist und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei und wurde immer wütender, je mehr ich mich damit auseinandersetzte. Nun brauchte ich zunächst einen Termin bei meiner Frauenärztin, dann in einer Beratungsstelle, dann bei der Krankenkasse zur Klärung der Kostenübernahme und schließlich musste ich eine Praxis oder Klinik finden, die den Abbruch durchführen würde. Und da wurde es eng.
Die Beraterin empfand das Prozedere als Bevormundung meiner Person und wünschte, Frauen könnten hier selbstbestimmter handeln.
Meine Frauenärztin war verständnisvoll, sie sagte, sie sei an meiner Seite, egal wie ich mich entscheiden würde. In der Beratungsstelle bremste mich die Beraterin gleich zu Beginn und sagte sofort: „Bitte, Sie müssen sich hier für nichts rechtfertigen!“ – sie selbst empfand das Prozedere als Bevormundung meiner Person und wünschte, Schwangere könnten hier selbstbestimmter handeln. Doch das Timing machte alles noch unangenehmer: Denn nach dem Beratungsgespräch ist frau verpflichtet, drei voll Tage abzuwarten, bis der Abbruch vorgenommen werde dürfe.
Da die Sommerferien bevorstanden und wir unseren Urlaub fest geplant hatten (ohne Reiserücktrittsversicherung), ließ sich der Abbruch, auch aus medizinischen und praktischen Gründen, nicht mehr so kurzfristig vor dem Urlaub durchführen. Somit blieb nur eine bestimmte Woche im Sommer, in der der Abbruch stattfinden konnte, damit er noch medikamentös vorgenommen werden konnte. Sämtliche Arztpraxen hatten da in der Umgebung geschlossen.
Der Oberarzt musste dem Abbruch zustimmen. Doch das tat er nicht.
Ich landete schließlich in der Uniklinik – und da wurde es noch absurder. Die junge Assistenzärztin musste ihre Untersuchungsergebnisse vom Ultraschall einem Oberarzt vorlegen und er musste dem Abbruch zustimmen. Doch das tat er nicht. Sie war lange weg und suchte im ganzen Haus einen anderen Arzt oder Ärztin, während ich einem Nervenzusammenbruch nahe im Untersuchungszimmer saß und darauf wartete, endlich meine Tabletten für den Abbruch zu bekommen.
Anschließend saß ich mit vier Packungen eines Wehen auslösenden Medikaments im Auto und heulte. Nicht, weil ich um die Ansammlung von Zellen in meinem Körper weinte, die mich am nächsten Tag verlassen würde, sondern aus Wut über die Hürden, die mir gestellt wurden. Die infrage stellten, dass ich eine klar denkende und handelnde Person bin. Über die Macht und Gewalt, die ein Oberarzt ausübt, in dem er sich Schwangeren gegenüber anmaßt, dem Abbruch nicht zuzustimmen. Warum kann ein mir fremder Mann* theoretisch über meinen Körper bestimmen?
Gewalt gegen Frauen* ist auch, Schwangerschaftsabbrüche – aus welchen Gründen auch immer – illegal zu belassen.
Gewalt gegen Frauen* ist auch, Schwangerschaftsabbrüche – aus welchen Gründen auch immer – illegal zu belassen und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Im Jahr 2023 wurden 106.218 Abbrüche in Deutschland durchgeführt. Das sind gerade einmal 0.51 % aller Frauen im geschlechtsreifen Alter zwischen 15 und 47. Und von denen hat jede ihren ganz individuellen, triftigen Grund.
Wie diese Promille-Zahl bei bestimmten männlichen Politikern einen Großkonflikt entfacht, ist mir schleierhaft. Es zeigt nur einmal mehr: Herr Merz hat offenbar ein Problem mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau* und Tatsachen sind nicht so seins. Denn eine überwältigende Mehrheit der Deutschen, nämlich laut einer „Statista“-Umfrage 72 % (75 % der Frauen und 69 % der Männer) befürworten die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur zwölften Woche. Das schreit nicht nach Großkonflikt, sondern nach Polemik und Polarisierung.
Parteienübergreifen soll nun eine Neuregelung von Paragraf 218 noch vor den vorgezogenen Neuwahlen im Deutschen Bundestag durchgebracht werden. Demnach sollen Abbrüche bis zum Ende der zwölften Woche grundsätzlich nicht mehr rechtswidrig sein. Wer seine Stimme verweigern wird, wissen wir schon jetzt.
Der Abbruch an sich ist kein Spaziergang.
Der Schwangerschaftsabbruch an sich ist kein Spaziergang. Ich bereue es nicht, möchte es aber nie wieder durchmachen müssen: Schlimmste Unterleibsschmerzen, ein Wehensturm, Übelkeit bis zum Erbrechen, Schüttelfrost. Nach fünf Stunden war es endlich vorbei und ich erleichtert. Unsere Lösung: Mein Mann lässt eine Vasektomie durchführen. Denn Verhütung ist weder Glücks- noch Frauen*sache. Was ich mit meinem Körper tue, ist jedoch allein meine Sache.
Foto: „Canva“
* Der Name wurden auf Wunsch der Autorin geändert