Über das Ende einer Ehe und Trennung mit Kindern: Vier Dinge, die ich gerne früher gewusst hätte

Von: 
13. Januar 2025

Corinna Mamok schreibt über das Ende einer Ehe nach 18 Jahren und wie sie die Trennung mit Kindern erlebt hat.

femtastics Autorin Corinna Mamok hat sich nach 18 Jahren Ehe mit zwei gemeinsamen Kindern von ihrem Mann getrennt. Offen und ehrlich reflektiert sie, was sie jetzt, nach der schweren Zeit der Trennung, gern früher gewusst hätte. Corinna Mamok schreibt über das Ende einer Ehe und damit einhergehende (vermeintliche) Schuld, überquellende Emotionen und das schmerzhafte Loslassen. Sie schreibt, warum ein Zuhause für Kinder kein Ort, sondern ein Gefühl ist – und darüber, dass der Preis für die Idee eines anderen Lebens trotz allem nicht zu hoch ist.

Ich war unsichtbar und irgendwie selbstverständlich und das war unerträglich.

Ich sitze in meinem neuen Wohnzimmer. Ein 25 Quadratmeter großer Raum mit zu vielen Türen, fünf, um genau zu sein, und dem wahrscheinlich hässlichsten Fußboden der Welt. Hellblaues, marmoriertes, abgenutztes PVC. Dazu noch schief. Ein Alptraum. Ein echtes Scheusal. Und doch bin ich froh, dass er da ist. 

Er erinnert mich daran, dass ich, obwohl sich alles gerade dreht, mit beiden Beinen auf dem Boden stehe. Der Grund für diese Drehung: Ich habe meine 18-jährige Ehe beendet und damit meine gesamte Lebensplanung über den Haufen geworfen. Nicht, weil ich meinen Mann nach all der Zeit nicht mehr mochte, sondern weil ich nicht mehr mochte, wer ich war. Ich war unsichtbar und irgendwie selbstverständlich und das war unerträglich. Also habe ich meinen Traum einer Familie in Flammen aufgehen lassen und wie jede gute Krise ist auch diese sehr lehrreich. Auf dem Weg zu einem zufriedeneren Ich gab es viele “Warum habe ich das nicht vorher gewusst?“ Momente. 

1. Ich schulde niemandem etwas, auch nicht meinem früheren Ich. 

    Obwohl die Trennung alles andere als eine Kurzschlussreaktion war, war das präsenteste Gefühl, das ich währenddessen hatte, Schuld. Die Trennung ist das Ergebnis eines Kampfs von mehreren Jahren intensiver Beziehungsarbeit, Hoffen, Bangen, Neuanfängen. 

    Ich war traurig, dass es scheinbar keine Rolle spielte, wie sehr ich mich vorher angestrengt und gekämpft hatte. Ich fühlte mich gegenüber meinen Kindern, meinem Mann, unseren Familien und irgendwie auch gegenüber meinem inneren Kind schuldig. Mein inneres Kind hatte sich seit der Trennung meiner Eltern nichts sehnlicher gewünscht, als eine eigene Familie, in der es diese heile Welt wiederfinden konnte. Und mein Erwachsenes-ich entschied nun, alles aufzugeben.

    Bei einer Trennung mit Kindern geht es um vieles, aber sicher nicht um Schuld.

    Diese Schuld mir selbst gegenüber loszulassen, fiel mir schwer. Deshalb habe ich mir einen Therapieplatz gesucht. Das war eine der ersten und besten Entscheidungen, die ich nach der Trennung getroffen habe. Ich brauchte Hilfe, um mit der Situation umzugehen. In der Therapie habe ich gelernt, das Ganze nüchtern zu betrachten.

    Bei einer Trennung mit Kindern geht es um vieles, aber sicher nicht um Schuld. Die bringt erfahrungsgemäß niemand weiter: weder den*die, der*die gegangen ist, noch den*die, der*die zurückbleibt – und am allerwenigsten die Kinder. Das Schlüsselwort, das einen weiterbringt, heißt Verantwortung. Und die muss übernommen werden. Ich trage täglich die Verantwortung dafür, meinen Kindern durch die Phase zu helfen, die sie nicht selbst verursacht haben. Und ich trage die Verantwortung dafür, mein Leben neu aufzubauen.

    2. Emotionen müssen gefühlt werden, aber nicht rund um die Uhr

    Ich bin ein Mensch, der viel fühlt. Immer und ständig. Und dabei fühle ich nicht nur meine eigenen Gefühle, sondern auch die meiner Mitmenschen. Was im Rahmen der Trennung und der damit einhergehenden Gefühle ein echter Kraftakt war. Es war ein intensiver Gefühls-Cocktail aus Wut, Trauer, Verzweiflung, Hoffnung und Liebe, der mich nicht zur Ruhe kommen ließ. Denn immer, wenn ich meine eigenen Gefühle für einen Moment sortiert hatte, waren da Gefühle von anderen, die es auszuhalten galt. Auch nachts um 1 Uhr. Ich weiß nicht, wie viele Gespräche um diese Uhrzeit stattfanden, aber es waren viele. 

    Es war fast so, als würde diese Trennung und der damit verbundene Schmerz mich mehr definieren als alles, was sonst in meinem Leben passierte.

    Die Gefühle brauchten Raum. Meine eigenen auch. Wie viel Raum, wurde mir erst klar, als fast eine Freundschaft daran zerbrochen wäre. Ich war so inmitten dieses Dramas und den damit verbundenen Gefühlen gefangen, dass ich gar nicht merkte, wie viel Platz das Thema in all meinen Lebensbereichen einnahm. Es war fast so, als würde diese Trennung und der damit verbundene Schmerz mich mehr definieren als alles, was sonst in meinem Leben passierte. Im Nachhinein ganz schön erschreckend und auch eine echte Belastungsprobe für meine Freundschaften. Und definitiv ein Punkt, den ich, wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte, anders lösen würde.

    Denn auch wenn ich eine Verfechterin von “Gefühle müssen gefühlt werden” bin, so darf es auch in Krisen Momenten Platz für kleine Momente der Freude und Ablenkung geben. Und so hätte es nicht geschadet, bei dem ein oder anderen Spaziergang einfach mal die Klappe zu halten und zuzuhören und meinen Freund*innen Raum zu geben. Denn machen wir uns nichts vor, so eine Trennung ist auch für die engsten Freund*innen anstrengend. Auch wenn sie nur am Seitenrand und nicht auf dem Spielfeld stehen, sie leiden und fiebern mit. Vor allem, wenn sie mit meinem Mann und mir oder gar der ganzen Familie befreundet sind.

    3. Zuhause ist kein Ort, sondern das Gefühl, wenn wir zusammen sind.

    Ich bin aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen. In all dem Chaos hatte ich das Bedürfnis nach einem einfachem Wohnraum und zog mit den Kindern und unseren Haustieren in eine renovierungsbedürftige Dachgeschosswohnung eine Straße weiter. In der Theorie perfekt, gerade für die Kinder. In der Praxis ausbaufähig. So sieht man täglich, was mal war. Und ist man nicht in der besten Stimmung und hat einen schlechten Tag, erwischt man sich doch dabei zu vergleichen. 

    Meine Kinder brauchten ein Zuhause, aber dieses Zuhause war ich und nicht irgendwelche vier Wände.

    Ich weiß gar nicht, wie oft ich auf dem hässlichen blauen Boden im Wohnzimmer saß und weinte, weil ich mich fragte, wie ich es schaffen sollte, aus dieser fremden Wohnung einen Ort zu kreieren, an dem sich meine Kinder und ich wohlfühlen. Und vor lauter Renovierungswahn verlor ich das Wesentliche aus den Augen. Meine Kinder brauchten ein Zuhause, aber dieses Zuhause war ich und nicht irgendwelche vier Wände. Es ging nicht darum, einen perfekten Wohnraum zu schaffen. Es ging um uns. Und es war auch absoluter Irrsinn, meine Wohnung nach Wochen oder Monaten mit dem zu vergleichen, was in dem gemeinsamen Haus über Jahrzehnte organisch gewachsen war. 

    4. Man muss loslassen, auch wenn es wehtut

      Die Trennung war für mich mit einer langen Liste von Verlusten verbunden. Ich habe meinen Mann nicht nur als Partner, sondern auch als Elternteil und Freund verloren und mit ihm viele andere Menschen, die ich als Familie betrachtet habe. Etwas, das ich aus tiefstem Herzen bedauere und das mich vor allem in der ersten Zeit sehr traurig gemacht und an meine Grenzen gebracht hat. 

      Ich hatte völlig andere Vorstellungen davon, wie eine Trennung ablaufen würde. Ich dachte, mit meinem “Stopp” würde nur die Liebesbeziehung zwischen mir und meinem Mann enden und nicht auch die auf Eltern- und Erwachsenenebene. Ich habe uns schon als Freunde zusammen lachen sehen und dachte, wir verbringen die Tage, die den Kindern wichtig sind (Geburtstage, Weihnachten) weiterhin zusammen. 

      Ich hatte völlig andere Vorstellungen davon, wie eine Trennung ablaufen würde.

      Fehlanzeige. Mehr als Textnachrichten zum reinen Informationsaustausch funktioniert aktuell leider noch nicht. Und das ist traurig und dafür habe ich mich lange geschämt. Ich schämte mich dafür, dass ich es nicht ändern kann. Und an dem Punkt fällt mir loslassen auch wirklich schwer, denn irgendwas in mir sagt, dass wir trotz allem, was passiert ist, besser sein könnten. 

      Das Festhalten an der Illusion, wie es sein könnte, macht unzufrieden und kostet Kraft, die mir an anderer Stelle fehlt. Es fühlt sich wie ein ständiges gegen Wände rennen an. Und deshalb übe ich gerade loszulassen und zu akzeptieren, was ich nicht ändern kann. Anstatt mich an der Stelle weiter abzumühen, konzentriere ich mich auf das, was ich beeinflussen kann. Und das ist, wenn man mal genauer hinschaut, ganz schön viel.

      War der Preis für die Idee von einem anderen Leben zu hoch? Nein!

      Ich bereue meine Entscheidung nicht. Sie war hart, aber richtig und wichtig. Sie hat keinen neuen Menschen aus mir gemacht. Im Prinzip hat sie nur das wieder freigelegt, was ich im Kern schon immer war. Und es war auch nie eine Entscheidung gegen einen Menschen, sondern eine Entscheidung für einen Menschen und zwar mich. Ich wollte nicht mehr unsichtbar sein. Und das bin ich nicht mehr. Ich kann mich wieder sehen und das fühlt sich gut an. Habe ich Fehler gemacht? Ja, eine Menge. Habe ich Menschen, die ich liebe verletzt? Ja, leider. Für meinen Geschmack zu viele. Aber das Wichtigste ist: Ich habe die Verantwortung dafür übernommen. 

      Ich habe mich aus Hoffnung getrennt, dass sich das Leben anders anfühlen kann.

      Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben. Und ich habe mich aus Hoffnung getrennt. Aus der Hoffnung, dass sich das Leben anders anfühlen kann. Dass Liebe sich anders fühlen kann. Ich weiß noch nicht, wie das “anders” aussieht, aber ich bin mir sicher, ich werde es herausfinden. Und bis dahin heißt es: Blick nach vorne und einen Schritt nach dem anderen gehen.


      Collage/Foto: „Canva“/Corinna Mamok

      Schreibe einen Kommentar

      Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert