Inflation, Energiewende, steigende Bauzinsen … Für viele Menschen stehen die Zeichen gerade nicht gut für einen Immobilienkauf. Dorothea Metasch, Gründerin der Immobilienplattform „26 Homes“, sagt: Gerade junge Menschen sollten sich trotzdem mit dem Thema Immobilienkauf beschäftigen. Mit ihrem neuen Buch „Unlock it!“ hat sie eine Art Guide für die erste eigene Immobilie geschrieben – voller Praxistipps, Beispielen und Anekdoten.
Wir sprechen mit der 40-Jährigen darüber, wieviel Eigenkapital man heute für den Immobilienkauf mitbringen sollte, ob sich eine Immobilie als Kapitalanlage lohnt und welche nicht immer offensichtlichen Kriterien beim Kauf zu beachten sind.
Dorothea Metasch: Ich habe recht lange gebraucht, mich in der Immobilienbranche zurechtzufinden, weil es eine sehr männerdominierte Branche ist. Mein eigenes Unternehmen hat mit meinem Newsletter begonnen, in dem ich kuratierte, interessante Immobilien vorstelle. Außerdem wollte ich Menschen Immobilienprojekte auf persönliche Weise näherbringen, die Bauherr*innen oder Projektentwickler*innen vorstellen, Videos von den Baustellen filmen, Insights teilen, die Menschen mitnehmen. Das war im zweiten Lockdown und alle haben sich fürs Thema Wohnen interessiert. Ich hätte anfangs nie gedacht, dass daraus eine Firma, eine GmbH-Gründung und das alles wird.
In erster Linie an junge Menschen – ich sage mal, ab 25 Jahren – um ihnen Grundwissen zum Thema Immobilien zu vermitteln. Ich wollte gern ein lifestyliges Sachbuch schreiben, in das ich auch meine persönlichen Erfahrungen einbringe. Ich möchte jungen Menschen ein Bewusstsein für Immobilienkauf vermitteln – vielleicht lieber früh Geld dafür zur Seite zu legen anstatt das Geld für unnötige Konsumgüter auszugeben.
Ich möchte jungen Menschen ein Bewusstsein für Immobilienkauf vermitteln – vielleicht lieber früh Geld dafür zur Seite zu legen anstatt das Geld für unnötige Konsumgüter auszugeben.
Stand heute brauchst du ein bestimmtes Budget an Eigenkapital. Die Zeiten der 110%-Finanzierung bei einem Zinssatz von 1% oder weniger, die sind vorbei und die werden auch nicht wiederkommen. Lange dachten alle, es ginge immer so weiter, aber vor rund einem Jahr war es auf einen Schlag vorbei. Jetzt ist Immobilienkauf oder -bau nur noch mit Eigenkapital möglich – und es reicht nicht, nur das Eigenkapital für die Kaufnebenkosten** und vielleicht 10% des Kaufpreises zu haben.
Aktuell, so ist meine Erfahrung, finanzieren die meisten Käufer*innen 60-70% des Kaufpreises. Das heißt, 40-50% des Kaufpreises plus Nebenkosten werden momentan als Eigenkapital eingebracht. Und damit bricht natürlich eine große Masse an Menschen weg. Und vor allem, die Menschen, die Immobilien selbst nutzen wollen. Denn man hat ja andere Ansprüche an eine Immobilie, wenn man sie selbst nutzen möchte, im Gegensatz dazu, wenn man sie als Kapitalanlage zur Vermietung kauft. Die Zielgruppe, die sich eine Immobilie kaufen kann, ist in den vergangenen Monaten viel geringer geworden.
Die Zielgruppe, die sich eine Immobilie kaufen kann, ist in den vergangenen Monaten viel geringer geworden.
Ich schätze, 50.000 Euro Startkapital solltest du haben. Vielleicht klappt es auch mit 30.000 Euro – da kommt es darauf an, wie risikofreudig man ist, wie die Finanzierung aussieht, wo die Immobilie ist. Manche Menschen fangen auch mit einer Garage an, die sie kaufen und vermieten, um in diese Prozesse reinzukommen.
Wenn ein bestimmtes Eigenkapital da ist – zum Beispiel, weil ich zehn Jahre lang gearbeitet und meine Boni zur Seite gelegt habe, Geld geerbt habe oder Ähnliches – dann sollte ich weiterhin darüber nachdenken, eine Immobilie zu kaufen, denn aktuell gibt es so viele Immobilien auf dem Markt verfügbar wie noch nie. Hier in Berlin stehen dieses Jahr 50% mehr Wohnungen zum Verkauf als letztes Jahr. Ich habe also eine größere Auswahl und viel weniger Mitbewerber*innen. Ich kann also in Ruhe vergleichen und ich kann bei den Preisen verhandeln – zumindest bei Bestandsimmobilien. Bei Neubauten stehen die Preise meist fest.
Wenn ich eine Immobilie als Kapitalanlage kaufen möchte, kann ich aktuell zudem sehr gut vermieten, weil der Wohnraum so knapp ist. Und auch, weil immer mehr Menschen mieten müssen.
Natürlich! Es ist nie zu spät. Das will ich damit gar nicht sagen. Bei mir war es nur so, als ich meine erste Wohnung mit 32 gekauft habe, dass ich festgestellt habe: Ich habe bislang 200.000 Euro an Miete ausgegeben. Und das Geld ist weg. Deshalb sage ich: Es ist sinnvoll, früh über einen Immobilienkauf nachzudenken. Vielleicht kann ich dann sogar etwas zur Eigennutzung kaufen, weil ich nur eine kleine 1-Zimmer-Wohnung brauche. Die Rechnung ist ja immer: Wieviel gebe ich monatlich für Miete aus? Und wieviel wäre meine monatliche Rate für Zins und Tilgung? Vielleicht passt es ja, dass es sich ausgeht und man lieber sein Eigentum abbezahlt, als Miete zu zahlen.
Und vielleicht kann man sich dann auch vergrößern und die 1-Zimmer-Wohnung verkaufen, um – wenn man Glück hat – dank der Wertsteigerung der Wohnung, sich etwas Größeres leisten zu können.
Mit ihrem Unternehmen „26 Homes“ möchte Dorothea die Wohnungssuche zeitgemäß, persönlich und digital gestalten. In ihrem Newsletter und auf „Instagram“ zeigt sie Immobilienangebote aus unterschiedlichen Kategorien.
Die Rechnung ist ja immer: Wieviel gebe ich monatlich für Miete aus? Und wieviel wäre meine monatliche Rate für Zins und Tilgung?
Wenn ich eine Wohnung kaufe, um sie zu vermieten, gehe ich viel mehr Kompromisse ein, damit meine Renditerechnung aufgeht, als wenn ich die Wohnung für mich selbst suche, wobei ich meist mehr Ansprüche habe. Bei einer Wohnung, die ich vermiete, muss ich zehn Jahre warten, bis ich die Wohnung steuerfrei wieder verkaufen kann – falls ich das möchte. Innerhalb dieser zehn Jahre kann ich aber auch alle Kosten, wie Renovierungskosten etc., steuerlich absetzen. Das kann ich bei einer Wohnung, die ich selbst nutze, nicht. Dafür kann ich die selbst genutzte Wohnung bereits nach zwei Jahren steuerfrei wieder verkaufen.
Der große Vorteil einer Wohnung, die ich kaufe, um sie selbst zu nutzen, ist natürlich, dass ich die Wohnung komplett nach eigenen Wünschen für mich gestalten kann – anders als bei einer Mietwohnung. Mich kann niemand mehr vor die Tür setzen und ich habe im Alter ein Zuhause, das mir gehört.
Ich glaube, man kann das gar nicht vergleichen, weil es komplett unterschiedliche Anlageformen sind. 3% Rendite*** bei einer Immobilie sind gut, aber es ist auch mehr möglich – wenn man eine günstige Immobilie findet. Bei Aktien kannst du viel kleinere Summen investieren und brauchst nicht viel Startkapital, es ist alles sehr agil und schnell. Bei einer Immobilie brauchst du viel mehr Zeit, es ist viel mehr Arbeit in der Auswahl und Vorbereitung und natürlich brauchst du ein viel größeres Startkapital.
Aber es kommt immer auf den Zeitpunkt und die Marktlage an. Bei den Immobilien, die ich gekauft habe – 2015, 2016 und 2017 – so viel Rendite hätte ich bis dato nie über ETFs verdienen können, weil ich bislang mehr als 100% Rendite erzielt habe. Ich habe allerdings auch zu einem sehr günstigen Zeitpunkt gekauft. Jetzt hat sich die Marktlage geändert, aber es ist weiterhin möglich, Immobilien zu finden, die eine gute Rendite bringen. Es ist nur alles eine Frage des Aufwands.
Doros Faustformel lautet:
Jahresnettokaltmiete, die man von der*dem Mieter*in generiert, multipliziert mit 100. Diese Zahl dividieren durch den Kaufpreis der Immobilie inklusive Kaufnebenkosten. = die Rendite in %
Ein Beispiel: Angenommen der Kaufpreis der Immobilie inklusive Nebenkosten lag bei 280.000 Euro. Und nehmen wir an, die monatliche Nettokaltmiete ist 650 Euro. Pro Jahr also 7.800 Euro. Diese 7.800 Euro werden mit 100 multipliziert. Das ergibt 780.000 Euro. Die Nettorendite liegt somit bei 2,8%.
Die Immobilie, in der ich selbst wohne, bildet da eine Ausnahme. Denn das war damals ein richtig hoher Quadratmeterpreis, den ich gezahlt habe, bei dem mich alle für verrückt erklärt haben. Aber bei den Immobilien, die ich als Anlagen kaufe, achte ich darauf, dass der Quadratmeterpreis unter dem Durchschnitt der Gegend oder Stadt liegt.
Dann schaue ich mir die Lage an: Wollen Menschen dort wohnen, ist die Lage gut angebunden, wie weit ist es zur nächsten Bus- oder Bahnstation, wird das Haus auch noch in 30 Jahren dort stehen? Darauf sollte man achten.
Ich schaue zudem noch darauf, ob die Wohnung irgendeine Besonderheit hat. Denn selbst wenn die Lage stimmt, das Haus und der Preis in Ordnung sind, würde ich die Wohnung nicht kaufen, wenn sie mich nicht irgendwie bewegt. Ich frage mich immer: Würde ich selbst hier wohnen wollen? Gibt es etwas, das die Wohnung besonders begehrenswert macht und von anderen unterscheidet? Das kann dann auch positive Auswirkungen auf den Verkaufspreis haben, falls ich die Wohnung in Zukunft wieder verkaufen will.
Neubau ist auf jeden Fall die Zukunft und längerfristig das richtige Produkt, weil die Häuser energieeffizient und zukunftsgewandt sind.
Bei Bestandsimmobilien wäre eine Red Flag, wenn die Eigentümer*innenkasse leer ist, aber ganz viele Sachen am Haus gemacht werden müssen. Es gilt zu prüfen, welche Kosten in Zukunft anfallen werden. Wenn zum Beispiel eine energetische Sanierung ansteht und sich jede*r Eigentümer*in an den Kosten beteiligen muss, müssen solche Summen mit eingerechnet werden.
Ich schaue mir auch das Haus genau an: Ist da ein Gewerbe im Haus, bei dem es aus der Küche stinkt? Gibt es eine Ladezone, bei der jeden Tag LKW anliefern? Solche Dinge können entscheidend sein.
Bei einem Neubauprojekt sollte man sich die Teilungserklärung, in der alle Pläne und Regeln für das Haus festgehalten sind, genau anschauen. Und zudem auch die Referenzen der Projektentwickler*innen. Wer baut die Immobilie? Sind sie liquide? Haben sie Referenzen? Wenn sie drei weitere Bauprojekte haben, aber noch nie eins fertiggestellt haben, wäre ich skeptisch. Das ist gerade jetzt wahnsinnig wichtig, weil die Zeiten aktuell sehr unsicher sind. Aber Neubau ist auf jeden Fall die Zukunft und längerfristig das richtige Produkt, weil die Häuser energieeffizient und zukunftsgewandt sind.
Wenn man schon konkrete Pläne hat, sollte man diese natürlich berücksichtigen. Aus einem Kinderzimmer kann alternativ ja auch ein Arbeits- oder Gästezimmer werden – oder umgekehrt. Die Frage ist: Kann man sich diesen Bedarf leisten, auch in Zukunft? Auch hier sind Neubauprojekte oft flexibler, wenn zum Beispiel eine weitere Wand eingezogen werden soll.
Fotos: Christian Hasselbusch, „26 Homes“
Disclaimer: Dieser Artikel stellt keine Anlageberatung oder Kaufempfehlung dar
2 Kommentare
Mein Freund möchte eine Immobilien kaufen. Er sieht sie als Investment. Ich werde ihm sagen, dass die Rendite dabei dann eine wichtige Rolle spielt. Vielleicht kaufe ich ihm auch das Buch.