Die Creatorin hinter dem Instagram-Account „Tradwifefactory“ lebt als klassische Hausfrau und postet und bewirbt ihren Lifestyle auf Social Media. Ihr Mann ist der finanzielle Versorger in der Partnerschaft und über ihre Aufgaben schreibt sie in einem Reel auf „Instagram“: „Du heiratest einen liebevollen, versorgenden, männlichen Mann* und deine einzige Sorge ist es, welches Essen du heute kochst.“
Damit ist sie Teil des großen #Tradwife, #StayathomeMom oder #Stayathomegirlfriend Trends, der gerade viel Reichweite auf den Social Media Kanälen bekommt – und gleichzeitig genauso viel Applaus wie Ablehnung als Reaktion hervorruft. Diese Frauen* befürworten die traditionelle Rollenverteilung und ordnen sich ihrem Mann* als „Entscheider“ unter. Damit ist dieses Modell für die Frauen* natürlich nicht nur mit großen und langfristigen finanziellen Risiken verbunden, sondern auch als Paar muss man sich ein Leben mit nur einem Einkommen auch erstmal leisten können. Oder bekommt unbezahlte Care-Arbeit durch die mediale Präsenz der Tradwifes aktuell eine Sichtbarkeit, die es so vorher nicht gab?
femtastics-Autorin Anissa Brinkhoff lebt in einer gleichberechtigten Partnerschaft, in der sie und ihr Freund sich die Care-Arbeit um ihre kleine Tochter sowie die Erwerbsarbeit aufteilen. In der aktuellen Folge ihres Podcast „Finance & Feelings“ ist die Creatorin hinter dem Account „Tradwifefactory“ zu Gast. femtastics veröffentlicht exklusiv einen Auszug aus dem Podcast-Interview. Da die Creatorin auf „Instagram“ weder ihr Gesicht zeigt noch ihren Namen nennt, bleibt sie auch in diesem Gespräch anonym.
Disclaimer: Einige, aber nicht alle, Tradwife-Accounts vertreten und bewerben mehr oder weniger direkt rechtspopulistische oder extrem religiöse Positionen.
„Tradwife Factory„: Eine Tradwife ist eine traditionelle Ehefrau. Das Modell, was wir – mein Partner und ich – leben, war vor einigen Jahrzehnten unheimlich gängig, aber es hat sich gewandelt. Die Gesellschaft ist moderner geworden. Und natürlich hat das vor der Ehe und vor den zwischenmenschlichen Beziehungen nicht Halt gemacht. Eine Tradwife lebt diese alten Werte innerhalb der Partnerschaft und innerhalb der Ehe.
Wir nehmen unsere traditionellen Rollen als Mann* und Frau* an. Mein Mann* ist somit der finanzielle Versorger der Familie ist.
Als Erstes ist es die traditionelle Rollenverteilung. Der wichtigste Eckpfeiler einer traditionellen Ehe ist für uns, dass wir unsere traditionellen Rollen als Mann* und Frau* annehmen und mein Mann* somit der finanzielle Versorger der Familie ist und auch der Vater. Und ich bin die Mutter und kümmere mich um den Haushalt und um einen großen Teil der Kindererziehung, weil ich ja mehr zu Hause bin, und um das Essen und die Wäsche.
Ich war tatsächlich eine ganze Weile sehr karriereorientiert bzw. so karriereorientiert, wie man es als gelernte Erzieherin sein kann. Ich war mit 24 Jahren schon eine Kita-Leitung. Zu dem Zeitpunkt hat mein Mann* noch studiert und somit waren unsere Rollen im Prinzip ganz konträr zu dem, was wir jetzt leben. Mein Mann* war viel zu Hause, hat sich viel gekümmert und ich war arbeiten und habe das Geld verdient.
Ich habe gemerkt, dass ich tatsächlich eine unheimliche Befriedigung in dieser Zeit erfahren habe.
Mit der Schwangerschaft kam ich in das Beschäftigungsverbot und war plötzlich zu Hause. Das war für mich eine total neue Erfahrung. Ich bin das Ganze sehr strukturiert angegangen – ich musste jetzt irgendwie meinen Tag füllen. Also habe ich angefangen, diese ganz klassischen Hausfrauenaufgaben zu übernehmen. Meinem Mann* morgens die Butterbrote zu schmieren, die Wohnung sauber halten, habe mir überlegt, was es zu essen gibt, kochen und backen gelernt. Ich habe gemerkt, dass ich tatsächlich eine unheimliche Befriedigung in dieser Zeit erfahren habe. Genau wie mein Mann*. Er war total glücklich in seinem Job, es hat ihm unheimlich viel Spaß gemacht, zu arbeiten und das, was er studiert hat, auszuüben.
Mein Mann* hatte da selbstverständlich 50 Prozent Mitspracherecht, er ist ja nun mal der andere Teil dieser Beziehung. Und natürlich besprechen wir, was unsere großen Ziele als Paar sind. Ich bin tatsächlich kurz nach der Elternzeit wieder arbeiten gegangen, weil mein Mann* dann doch seinen Master hintenrangehangen hat. Aber innerhalb der Elternzeit war uns völlig klar, dass wir wieder so leben möchten und haben darauf hingearbeitet, damit das wieder machbar ist.
Mein Mann* ist genau mit diesem Familienmodell selbst groß geworden. Er fand es einfach sehr schön, dass er nach Hause gekommen ist und die Mutter war da. Es war immer jemand greifbar. Das war etwas, was ich persönlich nicht hatte. Meine beiden Eltern waren berufstätig und ja, da war wenig Zeit für mich.
Das fing ehrlich gesagt als Jux an. Ich wollte einfach mal darüber sprechen, weil mir aufgefallen ist, dass wenige Menschen in unserem Umfeld so leben. Ich dachte, es könnte für einige vielleicht interessant sein. Dass es für so viele interessant ist, hätte ich nicht erwartet.
Ich bin mit einigen deutschen Creator*innen im Austausch und mit ein, zwei aus den USA. Innerhalb der Bubble gibt es schon Unterschiede, über welche Ausprägungen des Tradwife-Daseins gesprochen wird, welche Schwerpunkte gesetzt werden – zum Beispiel Religion. Wir sind Christen und das spielt in unserem Leben eine sehr zentrale Rolle.
Ich thematisiere das auf meinem Account, aber nicht so zentral, weil ich viele Follower*innen habe, die gar nicht unbedingt religiös sind. Außerdem kann man dieses Modell auch gut leben, wenn man nicht selber Christ*in ist. In Deutschland haben wir eine komplett andere Einstellung und Haltung zu dem ganzen Thema, als zum Beispiel die Tradwifes in den USA.
Sie gehen nicht arbeiten, sie sind nicht erwerbstätig, aber trotzdem wird für sie vorgesorgt und sie legen da Wert drauf.
In den USA spielt das Thema Religion eine komplett andere Rolle. Eine sehr hohe und sehr übergeordnete Rolle. Das ist in Deutschland eher eine Begleiterscheinung. Und in Deutschland habe ich nichtsdestotrotz immer das Gefühl, dass viele Frauen* in dieser Bubble gar nicht unbedingt finanziell abhängig sind. Sie gehen nicht arbeiten, sie sind nicht erwerbstätig, aber trotzdem wird für sie vorgesorgt und sie legen da auch Wert drauf.
Das finde ich wichtig, da Wert drauf zu legen. In den Staaten heißt es, dass Gott vorsorgt und wenn uns was passiert, dann sorgt sich Gott um uns. In Deutschen denken wir da anders drüber, wir setzen eher auf Versicherungen.
Viele Leute empfinden meine Lebensweise und die Tatsache, dass ich darüber spreche, als gefährlich, weil sie das als Widerspruch zu ihrer eigenen feministischen Vorstellung sehen.
Ich kriege eine riesige Bandbreite an Reaktionen, das ist echt unglaublich. In privaten Nachrichten bekomme ich sehr viel Zuspruch von vielen Frauen*, die ähnlich leben oder sich das vielleicht auch so wünschen. Sie fragen nach Tipps und wie ich bestimmte Sachen sehe. Ich bekomme aber auch sehr viel Hass, der offenbart sich stark in den Kommentaren. Viele Leute empfinden meine Lebensweise und die Tatsache, dass ich darüber spreche, als gefährlich, weil sie das als Widerspruch zu ihrer eigenen feministischen Vorstellung sehen und befürchten, dass das ja mehr Frauen* wollen könnten.
Ja, ich empfinde das schon so. Als Mutter ist es eh schwer, es überhaupt irgendjemandem recht zu machen. Wenn ich voll berufstätig bin, dann bin ich eine Rabenmutter. Und wenn ich voll zu Hause bin, dann bin ich ein faules Stück. Und wenn ich nur Teilzeit arbeiten gehe, dann bin ich so ein halb faules Stück und eine halbe Rabenmutter.
Die generelle Toleranz Familienleben gegenüber ist nicht gerade groß. Und jede*r denkt, er*sie dürfe bei den Themen Erziehung und Partnerschaft mitreden. Ich persönlich würde einer Frau* nicht dazu raten, schnell nach einer Geburt wieder arbeiten zu gehen, weil ich glaube, das ist hart. Das ist auch noch mal härter, als wenn man der Vater ist. Man hat das Kind ja nun mal neun Monate getragen. Der ganze Körper signalisiert, bei dem Kind zu bleiben.
Nichtsdestotrotz finde ich es wichtig zu sagen, wenn das dein Weg ist und du das Gefühl hast, du musst das machen, dann ist das okay. Ich würde dazu nichts Negatives sagen.
Ich habe hier zu Hause das Gefühl, dass ich unheimlich viel zurückbekomme.
Nein, überhaupt nicht. Die Bestätigung, die ich bei der Arbeit bekommen habe, ist als Erzieherin so dermaßen marginal. Ich habe hier zu Hause das Gefühl, dass ich unheimlich viel zurückbekomme. Von meinem Mann*, der sich sehr freut, wenn ich ein neues Rezept ausprobiere und es schmeckt oder dass ich mich so gut um unsere Tochter kümmere.
Wir haben zwei Konten, auf die wir beide vollen Zugriff haben. Wir haben ein Konto, auf dem mein Mann* dann das Geld einzahlt. Alles zum Thema Hauskredit, Hausgeldabrechnungen, also die ganzen Fixkosten, werden davon abgezogen. Dann haben wir ein Haushaltskonto, auf das wir ebenfalls beide vollen Zugriff haben. Als drittes haben wir noch ein Sparkonto, wo alles draufkommt, was wir monatlich so beiseite legen können.
Es ist unser gemeinsames Geld und wir müssen irgendwie zusammenkommen. Bis jetzt fiel es uns nicht schwer, Kompromisse zu finden.
Nein, darüber streiten wir uns tatsächlich überhaupt gar nicht. Wir sind beide sehr kritikfähig und sehr ruhig, was das angeht. Und wir respektieren unsere Wünsche. Wenn es eine teurere Anschaffung ist, gehe ich zu meinem Mann* und sage, du, das kostet über 100 Euro, ich würde das gerne mit dir absprechen: Ist das okay für dich? Und er sagt dann, ja, das ist in Ordnung. Ich würde es ungerecht empfinden, wenn ich dann anfangen würde zu streiten. Es ist unser gemeinsames Geld und wir müssen irgendwie zusammenkommen. Bis jetzt fiel es uns nicht schwer, Kompromisse zu finden.
Mein Mann* ist so genügsam, dass ich größere Ausgaben für ihn machen muss, damit er sich auch mal was leistet. Aber prinzipiell spricht er sowas auch mit mir ab, ja.
Wir sorgen gemeinsam vor. Es ist tatsächlich so, dass wir zwei Wohnungen haben. Die eine läuft auf meinen Namen, die andere auf den Namen meines Mannes*. So haben wir im Falle der Fälle eine gewisse Absicherung. Das muss nicht mal eine Scheidung sein, das kann auch sein, wenn eine*r von uns krank und pflegebedürftig wird.
Die Wohnung ist meine persönliche Altersvorsorge. Wenn ich in ein Alter komme, in dem ich nicht mehr arbeiten gehen könnte, könnte ich darin zumindest mietfrei wohnen. Und wir haben das große Glück, dass unsere Eltern so weitsichtig waren und eine Lebensversicherung für uns jeweils abgeschlossen haben. Mein Mann* zahlt in beide ein. Das ist aktuell unsere Vorsorge, wir planen aber noch mehr, weil wir nicht auf die staatliche Rente bauen. Ich bin der Meinung, dass das niemand mehr tun sollte.
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Welches Feedback @Tradwifefactory bekommt, wenn sie über finanzielle Unabhängigkeit spricht, und wie ihre Familie mit nur einem Einkommen klarkommt, erzählt sie in der Podcastfolge von Finance and Feelings. Darin erklärt sie auch, wieso sie ihr Lebensmodell als „einfacher“ empfindet als gleichberechtigte Partnerschaften und wieso sie sich als unabhängig beschreibt.