Verzerrtes Selbstbild. Verzerrtes Fremdbild. Verzerrter Blick auf die eigenen Finanzen. In unserer schnelllebigen Welt, die uns das Außen, allen voran Andere, als konstanten Spiegel vor die Nase hält, fällt es in einigen Situationen schwer, den eigenen Fokus nicht zu verlieren. Denn Inspiration und Austausch sind nun mal eine Art, um sich selbst im Großen und Ganzen besser zu verstehen. Warum genau das beim Thema Finanzen trügerisch sein kann und was der Neologismus „Money Dysmorphia“ damit zu tun hat, haben wir mit „Klarna“-Finanzexpertin Karoline Bliemegger im Interview besprochen – natürlich mit Blick auf Female Finance und praktischen Tipps, um das eigene Money Mindset positiv zu bestärken oder auch neue Denkanstöße zu geben.
Karoline Bliemegger: Bei der „Money Dysmorphia“ geht es um eine verzerrte Wahrnehmung und Bewertung der eigenen finanziellen Situation. Der Begriff ist eine Anlehnung an den Ausdruck „Body Dysmorphia“. Den hat man sicher schon gehört. Ein Beispiel, das ich auch bei mir schon erlebt habe, ist, dass man gerade durch Social Media-Konsum oder durch Gespräche mit Freund*innen, die mehr Einkommen haben als man selbst, dazu tendiert, sich zu vergleichen. Grundsätzlich ist nach mehr zu streben nichts Schlechtes, sondern etwas Gutes. Schwierig wird es, wenn dadurch permanent ein unangenehmes Gefühl verursacht oder ein Mangel ausgelöst wird. Diese Money Dysmorphia ist in dem Fall nicht immer die Wirklichkeit, eher ein verzerrtes Gefühl, das bei einem selbst entsteht.
Grundsätzlich ist nach mehr zu streben nichts Schlechtes, sondern etwas Gutes. Schwierig wird es, wenn dadurch permanent ein unangenehmes Gefühl verursacht oder ein Mangel ausgelöst wird.
Ich glaube, sich zu vergleichen ist eine sehr menschliche Eigenschaft, die tief in uns drin steck. Das kann ja auch ein Ansporn oder Anreiz sein, um voranzukommen oder etwas zu ändern. Aber wenn man das nicht reflektiert, kann es schnell in etwas Negatives umschlagen.
Hier ist es schwierig, ein ganz objektives Bild zu schaffen, denn jede*r hat ganz andere Einstellungen zu Geld, ganz andere Ziele. Ich würde sagen, eine Verzerrung ist da, wenn es ein konstantes schlechtes Gefühl ohne wirklichen Grund gibt und zum Beispiel bestimmte finanzielle Ziele oder Lebensansprüche zu hoch gesteckt wurden. Oft kommt das Gefühl von außen, wenn man zum Beispiel sieht, dass alle nur im Urlaub sind und dadurch denkt, man muss genau das auch machen. Oder man unterhält sich mit Freund*innen, die alle mehr verdienen und kommt automatisch zu dem Schluss, dass man deshalb zu wenig verdient.
Da muss man genauer hinschauen: verdiene ich wirklich zu wenig, weil ich für das, was ich leiste, mehr verdienen sollte – dann ist es keine verzerrte Wahrnehmung – oder ist das Gefühl entstanden, weil hier gerade eine Zahl im Raum steht, bei der ich denke, warum verdiene ich nicht mehr? Da hilft konstantes hinterfragen: Stimmt das, was ich mir immer wieder, wahrscheinlich auch unterbewusst, sage oder ist es eben eine Dysmorphie?
Oft kommt das Gefühl von außen, wenn man zum Beispiel sieht, dass alle nur im Urlaub sind und dadurch denkt, man muss genau das auch machen.
Auf alle Fälle. Ich glaube, dass Unwissen immer zu einer Art von Unsicherheit führt und dadurch negative Gefühle hervorgerufen werden. Je mehr Wissen ich mir ansammle, desto einfacher ist es auch sich selbst rauszunehmen und zu sagen: „Nein, eigentlich ist alles okay“. Oder: „Ja, ich weiß, es gibt Dinge, die man ändern kann, aber man muss sich deswegen nicht permanent runtermachen“.
Es bringt nichts, sich absichtlich unterbewusst zu sabotieren. Stattdessen sollte man sich bei Unsicherheiten hinsetzen und mit den eigenen Finanzen auseinandersetzen sowie den persönlichen Zielen und dann gezielt die Wissenslücken füllen. Mittlerweile gibt es viele Angebote: Bücher, Podcasts oder interaktive Angebote wie Online-Kurse für Einsteiger*innen.
Wir reden hier ja von Freund*innen, daher glaube ich, dass man einfach offen reden sollte. Klar gibt es Berufe, in denen man mehr verdient. Dann kann man sich natürlich auch andere Sachen leisten. Das ist nichts Schlimmes, auch nicht, wenn einer mehr verdient und der andere weniger oder andersrum.
Im Englischen gibt es den schönen Satz: „It’s out of my budget“. Das trifft ganz gut, was ein „Nein“ in der Situation eigentlich meint. Im Deutschen ist das schwierig direkt zu übersetzen. Das sagt man eher „Ich kann mir das nicht leisten“. Das hat immer eine negative Konnotation. Hier könnte man dazu übergehen zu sagen: „Das ist nicht in meinem Budget“. Das ist völlig okay. Es muss sich nicht jede*r das Gleiche leisten können. Auch ich habe das schon genutzt, wenn Freund*innen zum Beispiel einen Urlaub planen und es bei mir gerade nicht ins Budget passt. Dann reden wir offen darüber.
Allgemein verdienen in der Berufssparte Influencer*in gar nicht so viele Leute sehr viel Geld. Das sind die wenigsten. Allerdings sind diejenigen jungen Influencer*innen, die viel verdienen – zum Beispiel verglichen mit jemandem, der*die eine Ausbildung macht – natürlich sehr präsent, weil sie große Reichweiten haben. Es gibt aber mittlerweile auch ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass auf Social Media meist eher selektiv die schönen Seiten und Sachen gezeigt werden, also größere Anschaffungen und Urlaube. Weil das interessanter Content ist, der gut performt.
Man muss sich immer wieder reflektieren und klarmachen, dass es nur Ausschnitte sind, die aus einem Leben gezeigt werden. Wenn auffällt, dass man einen starken Drang danach entwickelt, die gezeigten Produkte auch haben oder nachkaufen zu wollen, sollte man sich selbst hinterfragen. Auf wie viele dieser Bilder habe ich geklickt? Was ist die Ursache? Und hier wieder Methoden für sich finden, wie man sich resetten kann – vielleicht einfach mal die Apps löschen?!
Jede*r geht anders mit dem Druck um. Wenn ich von mir spreche, dann schaue ich auf das wieso – woher kommt dieser Druck? Ist es vielleicht, weil ich jemand bin, der*die zum Perfektionismus neigt oder jemand, dem*der vielleicht immer gesagt wurde, dass man sich durch Leistung definiert? Ich versuche bei mir den Grund zu finden und mit guten Freund*innen oder den Eltern darüber zu sprechen, um von außen einen Spiegel zu bekommen. Das ist ein guter Realitätscheck. Sie werden dir sagen, ob alles gut ist oder wirklich Grund zur Sorge besteht.
Jeder Mensch hat seine eigene Timeline, wann er sich was leisten kann und will. Ein konkretes Tool wäre sich zu distanzieren. Löschen bei Social Media, und bei Freund*innen vielleicht den Kontakt pausieren, wenn man merkt, dass es einem nicht guttut.
Ein konkretes Tool wäre sich zu distanzieren. Löschen bei Social Media, und bei Freund*innen vielleicht den Kontakt pausieren, wenn man merkt, dass es einem nicht guttut.
Viele von diesen Glaubenssätzen kommen eigentlich aus der Kindheit und Jugend. Die tragen wir schon recht lange mit uns herum. In dieser Lebensphase setzt man sich nicht hin und verhandelt Geldfragen, sondern man entdeckt das nach und nach. Rückblickend merkt man: Ah, so wurde eigentlich immer über Sparen gesprochen oder über Menschen mit Vermögen und so weiter.
Wie und was wurde in der Kindheit, in der Jugend um mich herum besprochen? Was sind die positiven Glaubenssätze, die ich in Bezug auf Geld mitbekommen habe? Die muss man sich anschauen und entscheiden: Will ich die mitnehmen? Sind die Glaubenssätze, die ich zu Geld habe, für mich gut oder muss ich die anpassen? Das dauert und geht nicht von einem Tag auf den anderen.
Ich mache das sehr gern und unterhalte mich gerne mit Leuten, die andere Einstellungen zu Geld oder andere Ideen haben, wie sie ihr Geld anlegen. Einfach, um Ideen zu bekommen. Wenn man jemand ist, der*die eher blind folgt oder sich schnell begeistern lässt, muss man selektiver vorgehen, wem man zuhört. Ich bin eher kritischer bei der Sache – das ist auch so ein Frauen*ding.
Frauen* sind eher vorsichtiger, wenn es um das Investieren, Geld usw. geht. Immobilienkauf finde ich zum Beispiel komplett uninteressant. Aber eine Bekannte macht das super gerne und ist total tief in dem Thema drin. Durch sie bekomme ich einen Einblick in eine neue Welt. Man sollte alle Informationen mitnehmen und sich im Anschluss informieren, ob es das Richtige für eine*n ist.
Eigentlich ist das eine verzerrte Wahrnehmung. Allgemein gibt es in Deutschland, aber auch in Österreich, wo ich herkomme, wenig Finanzbildung. Das ist nicht geschlechtsspezifisch, es wird einfach wahnsinnig wenig Wissen vermittelt. Eine „Klarna“-Studie hat gezeigt, dass sich 90% der Deutschen wünschen würden, dass in den Schulen finanzielle Bildung vermittelt wird.
Zum Glück wird immer mehr darüber gesprochen – auch auf Frauen*seite. Frauen* haben oft ein höheres Sicherheitsbedürfnis – was ihnen ein Stück weit auch anerzogen wird. Deshalb hadern sie länger damit zu starten und sich mit ihren Finanzen auseinanderzusetzen. Viele wollen alles gleich richtig und perfekt machen, aber das muss es nicht direkt sein. Das Wichtigste ist einfach damit anzufangen, sich einen Überblick zu verschaffen und dann Stück für Stück in die Tiefe zu gehen.
Und dabei kann diese gewisse Bedächtigkeit Frauen* dann auch zugute kommen. Tatsächlich sind Frauen* teilweise die besseren Anleger*innen, weil sie vorsichtiger sind und nicht immer gleich auf den neuesten Trend aufspringen. Die „Klarna“-Studie hat auch gezeigt, dass Frauen* durchschnittlich seltener ihr Konto überziehen als Männer*.
Viele wollen alles gleich richtig und perfekt machen, aber das muss es nicht direkt sein. Das Wichtigste ist einfach damit anzufangen.
Das ist ein super wichtiges Thema. Die Gründe für Altersarmut sind oft, dass viele Frauen* in Teilzeit arbeiten oder lange in Teilzeit bleiben. Das Beste, was man machen kann, ist es, sich den eigenen Rentenanspruch anzuschauen. Oder die Rentenlücke zu berechnen im Sinne von: Wo will ich im Alter sein und was brauche ich dafür? Danach muss man sich anschauen, wie man dorthin kommt – wahrscheinlich mit privater Vorsorge. Diese Summe X ist bei jeder*jedem anders, weil der Ist- und Soll-Zustand individuell ist. Wichtig ist, das jetzt anzugehen. Je später man damit anfängt, desto schwieriger wird es.
Wichtig ist, das jetzt anzugehen. Je später man damit anfängt, desto schwieriger wird es.
Mir hilft der Vergleich mit Sport. Sport ist bei mit mit Sätzen verbunden wie: Ich habe keine Lust, ich will es nicht und ich mache es nicht. Gleichzeitig ist da das Gefühl, wie es mir nach dem Sport geht und wie gut ich mich fühle, wenn ich es doch durchgezogen habe. Daran versuche ich beim Thema Geld und Finanzen zu denken: Wie ist es, wenn ich es erledigt habe?
Dann muss ich mich nicht mehr jeden Tag mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass ich nicht auf mein Konto schauen will oder seit Ewigkeiten auf meiner To-Do-Liste stehen habe, dass ich ein Haushaltsbuch anlegen wollte. Ja okay, ich muss jetzt vielleicht ein bisschen Zeit investieren, aber dann habe ich es erledigt. Für mich war es sehr angenehm, mich damit auseinanderzusetzen und die eigenen Ziele zu kennen.
Wie ist es, wenn ich es erledigt habe? Dann muss ich mich nicht mehr jeden Tag mit dem Gedanken auseinandersetzen, dass ich nicht auf mein Konto schauen will oder seit Ewigkeiten auf meiner To-Do-Liste stehen habe, dass ich ein Haushaltsbuch anlegen wollte.
Das ist keine verzerrte Wahrnehmung. Es stimmt ja wirklich, dass die Lebenshaltungskosten gestiegen sind und bei vielen ist das Einkommen noch nicht nachgekommen. Normalerweise steigen Lebenshaltungskosten und dann kommt das Einkommen nach, aber da sind wir noch nicht – so stark wie alles in den letzten Jahren gestiegen ist. Zum Teil ist es sicher so, dass die Menschen am Ende des Monats weniger zur Verfügung haben. Wo die Verzerrung dann wieder zustande kommt, ist, wenn das Thema zu omnipräsent im eigenen Leben wird, weil man ein sehr starkes Sicherheitsbedürfnis hat und die ganze Zeit nur drüber nachdenkt. Wenn man sich da zu sehr reinsteigert, ist das nicht mehr die Realität, sondern das Unterbewusstsein, was einen bestimmten Mangel herausstellt.
Worauf man sich dann fokussieren muss, ist vielleicht die Frage, wie man sein Einkommen steigern kann – wenn das mein Ziel ist. Oder ich orientiere mich nach unten, zum Beispiel in Richtung einer kleineren Wohnung, falls ich zum Beispiel jetzt die große Wohnung nicht mehr brauche, weil die Kinder ausgezogen sind. Eine andere Frage wäre, wie ich mich finanziell entlasten kann und so mehr für andere Sachen übrig habe, die mir gerade wichtig sind. Viel Wohnraum ist zum Beispiel mit einer Familie wichtiger, aber im Alter brauche ich das vielleicht nicht mehr.
Einen Überblick verschaffen! Was sind die monatlichen Fixkosten? Das ist eine Zahl, die sollte eigentlich jede*r parat haben. Was ich gerne gehabt hätte, wäre jemand, der mir früher das Anlegen beigebracht hätte. Auch ETF hätte ich gerne ein bisschen früher gekannt. Das ist eine ziemlich einfache Art, um Geld anzulegen, für Menschen wie mich, die ein hohes Sicherheitsbedürfnis haben.
Foto: Lara Freiburger, Collage: „Canva“
– Werbung: In Kooperation mit „Klarna“ –