Wie werden mein Banking und meine Geldanlage nachhaltig? Mit dieser Frage gingen die Gründer von „Tomorrow“ in ihre Unternehmungsfindung – inzwischen sitzt das Fintech mit großem Team auf drei Stockwerken in einem Hamburger Altbau. Die nachhaltigen Grundwerte, der soziale Business-Ansatz und das App-basierte Banking machen „Tomorrow“ zu Vorreitern in vielen Themengebieten. Wir haben mit Inas Nureldin und Michael Schweikart, zwei der drei Gründer, über den Ideenfindungsprozess gesprochen, denn zu Beginn „klang die Idee einer Bank viel zu kompliziert für uns,“ sagen die beiden. Sie erklären uns, wie „Tomorrow“ finanzielle Bildung vorantreiben will, warum sie bei Innovationen ihre Community mitentscheiden lassen und wie sie noch mehr Menschen von nachhaltigem Banking überzeugen wollen.
Inas Nureldin: Ich habe vorher ein Software-Unternehmen aufgebaut und hatte den Wunsch nach Veränderung. Ich nahm mir erstmal eine Auszeit und beschäftigte mich in dieser Zeit mit meinen Finanzen und ganz konkret mit der Frage, wie ich mit meiner Familie eigentlich Geld investieren kann – ohne mit unserer Vorsorge gleichzeitig die Welt zu zerstören. Alles, was ich dazu fand, war super intransparent. Daraus entstand die Idee, eine Plattform für nachhaltige Geldanlage zu gründen. Da ich nur unternehmerische Energie, aber keine Ahnung von Finanzen hatte, habe ich mich ganz aktiv nach Menschen umgeschaut, die das kompensieren.
Inas: Ich habe mit wirklich vielen Leuten gesprochen und bei Michael ist sofort der Funke übergesprungen, weil wir sehr komplementäre Fähigkeiten haben. Zusammen haben wir relativ schnell gemerkt, dass Marketing wichtig ist und haben dann über einen gemeinsamen Freund Jakob kennengelernt – und waren als Gründer-Trio komplett.
Michael Schweikart: Wir haben sechs Monate gebraucht, um auf die Erkenntnis zu kommen, dass wir unsere Plattformidee, die wir ursprünglich hatten, weiter aufziehen müssen. Die Idee war zu spitz. Durch viele Tests, User*innen-Interviews und Gespräche mit Expert*innen sind wir darauf gekommen, dass man heute auch „Banking as a Service“ machen kann – und so nicht direkt eine Bank gründen muss, mit 10 Millionen Euro und 50 Mitarbeiter*innen in der Hinterhand.
Michael: Die „Solarisbank“ war ein Tipp von einem Kontakt. Wir waren schon ganz früh bezüglich der Idee zur Nachhaltigkeitsplattform im Austausch mit ihnen.
Inas: Parallel waren wir bei einer anderen nachhaltigen Bank, um unsere Idee vorzustellen. Dann kam aber heraus, dass die uns bei sich anstellen wollten – was gegen jede unternehmerische Voraussetzung ging, die wir hatten. Auf der Rückfahrt von diesem Termin haben wir gesagt: Wir machen’s einfach selbst.
Michael: Genau, weil auf dieser Rückfahrt auch ein konkretes Konzept von der „Solarisbank“ kam, das sich total mit unseren Vorstellungen deckte. Damit war klar, dass wir mit „Solaris“ zusammen eine eigene Bank gründen.
Michael: Die Zusammenarbeit kommt regelmäßig auf den Prüfstand, aber aktuell sind wir einfach mega zufrieden.
Man kann uns aus verschiedenen Winkeln betrachten: Wir sind ein Fintech, ein Impact-Start-up, wir sind B-Corp-zertifiziert, andere bezeichnen und als Technologie- oder Sozialunternehmen.
Es reicht nicht, dass wir nachhaltig sind. Wir müssen auch schnell, convenient, cool sein, damit es Bock macht, unser Produkt zu nutzen.
Inas: Man kann uns aus verschiedenen Winkeln betrachten: Wir sind ein Fintech, ein Impact-Start-up, wir sind B-Corp-zertifiziert, andere bezeichnen uns als Technologie- oder Sozialunternehmen.
Michael: Es gibt drei Säulen: Gebühren rund um das Girokonto sowie Drittprodukte, die wir über die Plattform anbieten, wie beispielsweise nachhaltiges Investieren oder nachhaltige Energieanbieter. Und die dritte Säule ist das klassische Banking: Investment und Kredite.
Inas: Wir haben uns schon immer sehr als Community-orientiertes Unternehmen gesehen. Transparenz ist uns wahnsinnig wichtig und wir sind deshalb viel im direkten Austausch mit unseren Kund*innen. Vor allem, wenn es um neue Features oder Produkte geht. Aber dann dachten wir uns, wieso nehmen wir die nicht auch beim Thema Finanzierung mit? Wie erfolgreich das Investing war, zeigt, wie sehr die Community hinter uns steht.
Michael: Der lag etwa bei 1.500 Euro. Es waren also nicht nur ein paar große Investoren, die uns die drei Millionen Euro in nur fünf Stunden beschert haben.
Wir wollen das Thema Banking entstauben, Nachhaltigkeit aus der Nische holen und die Eintrittsbarrieren senken.
Inas: Auf jeden Fall. Das Thema Finanzen ist ja erstmal unfassbar langweilig. Wir wollen das Thema Banking entstauben, Nachhaltigkeit aus der Nische holen und die Eintrittsbarrieren senken. Aber ich würde sagen, wir sind auch bei diesen Zielen noch mitten im Prozess.
Michael: Wir halten uns da gerne an einen Satz, den wir mal gehört haben: „If you want to save the World, you have to throw the better Party than the ones destroying it.“ Es reicht nicht, dass wir nachhaltig sind. Wir müssen auch schnell, convenient, cool sein, damit es Bock macht, unser Produkt zu nutzen.
Inas: Nachhaltigkeit ist leider kein geschützter Begriff. Wir definieren Nachhaltigkeit zum einen durch Ausschlusskriterien. Es gibt Industrien, die unserem Planeten schaden, in die wir nicht investieren. Dann gibt es auf der anderen Seite Positivkriterien, die noch viel wichtiger sind: Sozialer Wohnungsbau, Bildung, nachhaltige Mobilität etc. In was genau wir investieren, klären wir immer mit unserem externen Beirat – Impact Council nennen wir den – und wir nutzen externe Rating-Agenturen. In unserer App sind unsere Investments jederzeit einsehbar.
Michael: Um den Bogen zurück zu spannen: Was für uns Nachhaltigkeit bedeutet, ist das Grundbestreben, einen positiven Beitrag zur Erreichung der „17 Sustainable Development Goals“ zu leisten. Nicht nur durch Ausschluss, sondern durch möglich großen Impact.
Michael: Ein wesentlicher Aspekt sind die Kundeneinlagen, also die Gelder, die die Kund*innen auf den „Tomorrow“-Konten liegen haben. Diese fließen unter anderem in Green- und Social Bonds. Das zweite ist unsere nachhaltige Debit Card, das heißt bei jeder Bezahlung wird die Interchange Fee genommen und in ein Klimaschutzprojekt gesteckt. Der dritte Bereich ist alles um den Sustainable Lifestyle, also Co2-Reduktion mit unserem Premium-Konto „Tomorrow Zero“. Und der vierte Bereich ist das ganze Thema nachhaltiges Investment. Hier sind wir gerade dabei Lösung zu entwickeln, mit denen man direkt aus der „Tomorrow“-App in die nachhaltigsten Unternehmen investieren kann.
Inas: Und unser komplettes Geschäftsmodell ist nachhaltig ausgerichtet. Schon beim Aufbau des Unternehmens haben wir darauf geachtet, dass jeder Aspekt in sich nachhaltig ist.
Michael: Als eines der nächsten Feature wollen wir CO2 Footprinting in der App bereitstellen. Bei jeder Transaktion die ich mit der Karte mache, sehe ich dann wieviel Co2 das verursacht hat. Da entwickeln wir gerade einen Algorithmus, der das berechnet.
Inas: Unser Girokonto wird gerade zwei Jahre alt. Das war die größte Herausforderung, von Null zu diesem ersten Produkt zu kommen. Anfang des Jahres haben wir „Tomorrow Zero“ gelauncht, unser Co2-freies Konto. Seit neuestem ist „Apple Pay“ möglich und wir wollen bald Bargeldeinzahlungen einführen. Eines der größten neuen Themen wird unser neu gedachtes Gemeinschaftskonto sein. Da haben wir ’ne Menge coole Ideen und das ist auch ein Produkt, das sich unsere Community ganz stark gewünscht hat.
Inas: Wir sind gerade dabei einen eigenen Fonds für den Bereich „für dein persönliches Tomorrow“ aufzusetzen und schauen dabei nach immer neuen, besseren Metriken, um Nachhaltigkeit zu messen. In den Fonds kommen beispielsweise nur Unternehmen, die sich den Maßnahmen zur Einhaltung des zwei Grad-Ziel angeschlossen haben, um die die Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter maximal steigen darf.
Inas: Das wird Hand in Hand gehen. Wir wollen aufklären und Prozesse einfacher und schneller machen.
Michael: Deshalb haben wir beispielsweise das kostenlose Basiskonto, das sich alle eröffnen können – ohne Schufa-Nachweis.
Michael: Mit den nachhaltigen Banken eint uns das gemeinsame Ziel und auf den diversen Konferenzen zu Nachhaltigkeitsthemen begegnet man sich immer wieder. Wir weisen immer wieder daraufhin, dass man grundsätzlich zu einer nachhaltigen Bank wechseln sollte – aktuell sind nämlich nur 300.000 Menschen in Deutschland bei einer nachhaltigen Bank. Wir sehen das Potential bei 20% aller Deutschen. Der Markt ist groß genug für viele Banken.
Michael: Aktuell passiert da immer noch ziemlich viel Bullshit, es ist viel Greenwashing dabei. Die erzählen dann beispielsweise auf Konferenzen, dass sie jetzt nicht mehr alle in ihr Office nach London fliegen, sondern Zoom-Konferenzen machen.
Demnächst müssen Finanzberater*innen nach neuen EU-Regeln allen Kund*innen immer auch nachhaltige Finanzlösungen anbieten – und das wird einiges ändern.
Es braucht neue Rollenmodelle, die zeigen, dass man anders denken und trotzdem erfolgreich sein kann.
Inas: Wir sehen es auch als Teil unserer Impact-Strategie, dass wir Unternehmen und Banken inspirieren, die bisher nicht Teil unserer Bewegung waren. Ich glaube, es braucht neue Rollenmodelle, die zeigen, dass man anders denken und trotzdem erfolgreich sein kann.
Michael: Wenn jede Bank ein nachhaltiges Produkt rausbringt, wird es für die Verbraucher*innen erstmal unübersichtlich. Weil große Banken meistens intransparent sind. Unser Gegenentwurf ist dabei die totale Transparenz: Wir legen immer offen, wo unsere Kund*innengelder liegen, wieviele Kund*innen wir haben, die ganze Marke ist auf Vertrauen ausgerichtet.
Michael: In den USA ist das Siegel schon sehr bekannt. Unter anderem sind Brands wie „Patagonia“ oder „Ecosia“ damit zertifiziert. Das sind Unternehmen, die Wirtschaft wirklich neu gedacht haben. Und wir wollen dem in nichts nachstehen.
In den USA ist das Siegel schon sehr bekannt, weil Brands wie „Patagonia“ oder „Ecosia“ damit zertifiziert sind. Das sind Unternehmen, die Wirtschaft wirklich neu gedacht haben. Mit diesen Brands gleiche Standards zu teilen, macht uns stolz.
Inas: Wachstum ist auf der einen Seite schön und nötig, wenn man großen Impact haben möchte. Es bedeutet aber auch, dass wir größere Teams aufbauen müssen, Dabei müssen wir schauen, dass man alle mitnimmt, die richtigen Strukturen aufbaut und den Werten treu bleibt. So schnell zu wachsen, wie wir es gerade tun, ist manchmal auch herausfordernd.
Fotos: Teresa Enhiak Nanni
Layout: Kaja Paradiek