Die Waldmenschen pflanzen tropische Wälder, um den globalen Klimawandel aufzuhalten. Wir haben Gründungsmitglied Niklas Veltmann in Hamburg zum Interview getroffen und mit ihm über die nachhaltige Forstwirtschaft und das besondere Konzept hinter der Genossenschaft, die 2016 gegründet wurde, gesprochen. Der 24-Jährige studiert Umweltwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg, unterstützt das Team momentan vor allem im Marketing-Bereich und war selbst schon mehrfach im Darién in Panama, der ersten Projektregion der Waldmenschen, vor Ort.
Niklas Veltmann: Weltweit relativ schlecht. Wir hatten vor 50 Jahren 17 Millionen km² Wald. Mittlerweile hat sich die Fläche auf mehr als die Hälfte reduziert. Für 2050 werden 3 Millionen km² prognostiziert.
Wir hören immer von den großen bösen Konzernen, die nach Indonesien gehen und Ölpalmen anbauen – die sind es auch und gehen besonders skrupellos vor. Sie investieren riesige Summen, um Soja und Palmöl anzubauen. In Lateinamerika ist der Hauptgrund für die Entwaldung jedoch die Viehwirtschaft, die oft von lokalen Großgrundbesitzern betrieben wird. Es sind allerdings auch die Kleinbauern, die Regenwald entfernen, um Reis anzubauen. Historisch betrachtet gab es schon immer eine Konkurrenzsituation zwischen Wald und Mensch. Um eine Fläche wirtschaftlich nutzen zu können, musste erstmal der Wald entfernt werden. Anders als in Deutschland ist das Problem in den Tropen, dass die Böden ohne den Schutz des Waldes sehr schnell zerstört werden.
Tropische Wälder sind das bedeutendste Ökosystem der Welt.
Wirtschaft und Umwelt werden oft als Gegensätze wahrgenommen. Wir wollen das verändern. Als meine Mentorin und panamaische Kollegin Iliana Armién damals anfing, Wälder zu pflanzen, waren bereits große Teile Lateinamerikas entwaldet. Sogar ihr eigener Vater entwaldete ein riesiges Stück Land, um dort Viehwirtschaft zu betreiben. Heute wächst dort wieder ein richtig schöner Wald, den sie eigenhändig gepflanzt hat. In den letzten 20 Jahren hat Iliana so gemeinsam mit ihrem Partner Andreas Eke über 8.000 Fußballfelder Wald gepflanzt.
Vor drei Jahren haben wir dann angefangen mit Iliana und Andreas in Deutschland die Waldmenschen zu gründen. Unser Anspruch ist es, Wälder zu pflanzen, die für immer bleiben. Eine Genossenschaft ist dafür perfekt geeignet, denn sie hat sich historisch als sehr langlebig erwiesen. Einige Waldgenossenschaften gibt es bereits seit über 350 Jahren.
Tropische Wälder sind das bedeutendste Ökosystem der Welt. Die Hälfte aller auf dem Land lebenden Tiere finden dort ihr Zuhause. Gleichzeitig sind sie der größte Speicher für Trinkwasser, schützen die Böden vor Erosion und fördern die Landwirtschaft durch die Verbesserung des Mikroklimas. All das geht gerade verloren!
Wir halten nichts davon, irgendwohin zu gehen, Wald zu kaufen, einen Zaun drumherum zu bauen und zu sagen: Das ist jetzt nur für die Tiere. Wir möchten, dass die Menschen auch etwas davon haben, deswegen nennen wir uns auch Waldmenschen und nicht Wald. (lacht) Wir wollen Wälder pflanzen für Menschen und nur dadurch, dass sie einen ökonomischen Sinn haben, können sie auch langfristig geschützt werden.
Die Baumarten, die wir pflanzen, sind vor allem in Zentralamerika bekannt, aber auch in China und in Indien. Wir gehen aber davon aus, dass wir das Holz in Panama vermarkten werden. Panamas Wirtschaft wächst, das durchschnittliche Wirtschaftswachstum in Panama hatte in den letzten zehn Jahren chinesische Verhältnisse. Die Wirtschaft ist pro Kopf von 5.000$ auf 14.000$ angestiegen. Daher denken wir, dass Panama der beste Markt für unser Edelholz sein wird.
Wir haben 2017 angefangen, unser erstes Projekt zu finanzieren. Es ist zur Hälfte eine Monokulturplantage, die wir in einen Generationenwald umwandeln werden. Zur anderen Hälfte besteht die Fläche aus Brachland. Unser Projekt ist im Osten von Panama, im Darién. Dort wurde in den Achtziger Jahren großflächig der Regenwald abgeholzt, um Platz für die Viehwirtschaft zu machen. Das Problem ist, dass die Viehwirtschaft auf diesen Böden nicht nachhaltig ist.
Wir möchten den Leuten die Möglichkeit geben, mit uns effektiv die Welt zu verändern.
Der Generationenwald ist ein innovatives Waldprinzip. Es ist ein vielfältiger Wald mit verschiedenen Baumarten. Jedes Mal, wenn Bäume herausgenommen werden, werden wieder neue reingesetzt.
Das heißt, es gibt immer ein schützendes Dach, nur so fühlen sich die Tiere dort wohl. Das Besondere ist, dass der Wald darauf angelegt ist, für immer zu bleiben. Ein ewiger Kreislauf von Entnahme und Nachpflanzung. So haben auch noch unsere Enkel etwas davon.
Wir haben unsere Genossenschaft mit elf Gründungsmitgliedern gestartet. Das sind Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen: Sozialunternehmer, Umweltaktivisten, Forstexperten, Pionieren von nachhaltigen Investments, Ökologen und Business Angels. Wir alle möchten der nächsten Generation eine bessere Welt hinterlassen.
Wir möchten den Leuten die Möglichkeit geben, mit uns effektiv die Welt zu verändern. Wir machen das mit einem unternehmerischen Ansatz, weil nur so eine Win-win-Situation entstehen kann: für die Umwelt, für die Menschen vor Ort und für unsere Mitglieder.
Wir verstehen uns als Gegenentwurf zur Hektik auf dem Aktienmarkt
Ein Anteil kostet 1.200 Euro. Man kann das ab 25 Euro im Monat über Ratenzahlung finanzieren. Das entspricht 500 Quadratmeter Wald.
Wir haben letztes Jahr 100 Menschen für unsere Sache begeistern können – insgesamt wurden bis heute 500.000 Euro investiert. Einen Aufnahmestopp gibt es nicht.
Wir verstehen uns als Gegenentwurf zur Hektik auf dem Aktienmarkt, wo Investments vor allem den Sinn haben, Menschen noch reicher zu machen. Gute Wälder brauchen Zeit zum Wachsen. Deswegen nennen wir unser Konzept auch Slow Finance – abseits vom Auf und Ab an den Börsen können unsere Mitglieder entspannt investieren und gleichzeitig etwas Gutes tun. Unsere Genossenschaftsanteile können jedes Jahr mit einem kleinen Wertzuwachs wieder verkauft werden. Dieser Wertzuwachs orientiert sich an dem Wachstum der Bäume und liegt zwischen 2 bis 3%. Wer bis zur ersten Ernte nach achtzehn Jahren wartet, bekommt mehr Rendite. Wer noch länger wartet, kann auch bis zu 6% bekommen.
Wir haben in unserem ersten kleinen Projekt 25 Fußballfelder neuen Wald gepflanzt. Für uns war das ein wichtiger erster Erfolg. Unser Wald speichert so jedes Jahr 375 Tonnen CO2. In unserer Nachbarschaft gibt es einen stark beschädigten Wald, in dem eine Affenpopulation lebt und zu wenig Platz hat. Durch die Wiederaufforstung der offenen Flächen vergrößern wir ihren Lebensraum.
Langfristig wollen wir auf jeden Fall auch in andere Länder gehen. Wir werden erstmal in Panama bleiben, aber wir haben die Möglichkeit, in Bolivien im Amazonasbecken zu pflanzen. Letztlich interessieren uns alle tropischen Wälder – ob im Kongobecken oder Indonesien, überall muss etwas getan werden.
Unsere Generationenwälder sind auf der Welt einzigartig. Forstinvestments gibt es schon sehr lange – nur sind sie in der Regel nicht besonders ökologisch und sozial.
Wir haben ein Portfolio von zwanzig Baumarten. Manche sind einfach zu finden, manche schwieriger, manche kann man kaufen, manche muss man sammeln. Ich war selber gerade in Panama und habe Samen gesammelt. Ich bin sehr gerne vor Ort – auch weil meine Freundin aus Panama kommt. Die Wälder in Panama sind einfach atemberaubend. Es fasziniert mich immer wieder, wie aus einem kleinen Setzling ein 30 Meter großer Urwaldriese werden kann. Für mich ist die Arbeit vor Ort der perfekte Ausgleich zwischen körperlicher und intellektueller Arbeit.
Das ist unterschiedlich. Die schnellsten Baumarten, die wir pflanzen, brauchen zwanzig Jahre. Für die Forstwirtschaft ist das wahnsinnig schnell. Eine deutsche Eiche braucht beispielsweise 120 Jahre, bis sie gefällt wird. Ein deutscher Förster würde Schweißausbrüche bekommen, wenn er unsere Wachstumszahlen sieht. Das Tolle ist, dass unser Edelholz selbst nach 20 Jahren die gleiche Härte hat wie Eiche – das ist die Magie der Tropen.
Was oft falsch gemacht wird, ist, dass unpassende Baumarten auf die tropischen Böden gepflanzt werden. Teak beispielsweise ist einer sehr anspruchsvolle Baumart – sie braucht viele Nährstoffe. Ich habe Teakbäume gesehen, die selbst nach 30 Jahren noch so dünn waren wie Äste. Glücklicherweise ist meine Kollegin Iliana sehr erfahren und weiß genau, welcher Baum wo gepflanzt werden muss. Bei der Aufforstung braucht man viel Erfahrung und ökologisches Wissen. Es gibt außerdem Blitzschäden, Windschäden, unternehmerische Risiken oder Schädlingsbefall. Letzteres können wir durch unseren naturnahen Ansatz minimieren – denn ein gesundes Ökosystem hat auch einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Bäume.
Wir alle können die Welt ein bisschen besser machen, indem wir unser Kapital, das wir hier im Westen haben, nutzen, um überall auf der Welt schöne Projekte zu unterstützen.
Ich habe mich verliebt! (lacht) Die Mutter von meiner Freundin ist die Forstchefin. Meine Freundin kommt gebürtig aus Panama und ist gerade nach Hamburg gezogen.
Was mich an den Waldmenschen besonders gereizt hat, ist der unternehmerische Ansatz. Ich selber komme eher aus einer kapitalismuskritischen Ecke. Wirtschaft, die sozial und ökologisch ist? Für mich war das immer ein krasser Widerspruch. In meinem Studium habe ich dann viel über die großen Umweltfragen des 21. Jahrhunderts gelernt – vor allem über den Klimawandel. Ein ganzes Semester lang habe ich in verschiedensten Veranstaltungen mehr darüber erfahren wie schlimm es um unsere Zukunft steht. Das ist echt frustrierend. Unser Projekt war dann so etwas wie das Licht am Horizont – hier konnte ich ganz handfest und konkret etwas bewegen. Das gibt mir bis heute Hoffnung.
Ja, wir haben einige Leute in Teilzeit, eine Person in Vollzeit. Nach dem Studium werde ich in Vollzeit einsteigen und das Hamburger Team leiten.
Ja auf jeden Fall – wir bauen gerade unser Hamburger Team aus. Zurzeit haben wir Stellen für Public Relations & Social Media, Marketing & Sales sowie einer Stelle als Team Assistenz ausgeschrieben.
Es gibt da ganz viele verschiedene Felder, wir haben Partnerschaften mit kleinen und großen Unternehmen und Werbepartnerschaften. Zum Beispiel haben wir eine Kooperation mit einem Saunahersteller, der die Fläche jeder produzierten Sauna wieder aufforstet.
… unser Kapital, das wir hier im Westen haben, nutzen, um überall auf der Welt schöne Projekte zu unterstützen. Ich glaube, das unterschätzen wir alle: Wir haben hier im Westen wesentlich bessere Startbedingungen als andere Menschen auf der Welt. Anstatt unser Geld bei der Deutschen Bank anzulegen, sollten wir es nutzen, um gute Projekte im globalen Süden zu finanzieren. Natürlich sollte das immer auf Augenhöhe stattfinden. Ich wünsche mir eine Welt voller Kooperationen zwischen Norden und Süden, denn nur so können wir gemeinsam die Welt verändern.
Und: Waldmensch sein macht glücklich!