Für einen Großteil der Gesellschaft gehört zum persönlichen Glück einer Frau* auch in 2023 vermeintlich mindestens ein Kind dazu. Entscheidet eine Frau* sich für ein Leben ohne Kind oder hat in jungen Jahren bereits mit der Kinderplanung abgeschlossen, wird diese Entscheidung oft nicht ernst genommen.
Das geht sogar so weit, dass ihnen ihr Recht auf Selbstbestimmung genommen wird und zwar dann, wenn eine Frau* sich für die Sterilisation entscheidet. Eine Sterilisation zählt zu den zuverlässigsten Formen der Verhütung. Dafür ist ein operativer Eingriff nötig, bei dem die Eileiter durchtrennt werden, eine Befruchtung ist auf natürlichem Weg danach nicht mehr möglich. Viele Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland scheinen diesen Eingriff bei Frauen* unter 35 Jahren und ohne medizinische Indikation, also ohne medizinische Notwendigkeit, jedoch kategorisch abzulehnen.
Auch Isabella hat diese Bevormundungen erlebt. Die heute 28-Jährige war sich bereits mit 23 Jahren, nach der Geburt ihrer zweiten Tochter, sicher, dass sie keine weiteren Kinder möchte. Die Kinderplanung war für sie abgeschlossen. Wir sprechen mit Isabella über ihren steinigen Weg hin zur Sterilisation.
Isabella: Ich bin für heutige Verhältnisse sehr jung Mutter geworden, mit 20 und 23, habe eine Horror-Schwangerschaft und eine sehr entspannte erlebt. Nochmal herausfordern wollte ich mein Glück einfach nicht. Ich wollte nicht nochmal schwanger werden. Außerdem passte ein drittes Kind auch gar nicht in meine Lebensplanung.
Ich bin Soldatin und habe mich für 14 Jahre beim Bund verpflichtet. Meine Töchter sind sieben und fünf. Sie leben, auch aufgrund meines Jobs, beim Vater und ich sehe sie an den Wochenenden. Wie sollte ich mein jetziges Leben, für das ich mich bewusst entschieden habe, mit einem Baby vereinbaren?
Schon vor der Geburt meiner zweiten Tochter, konkreter wurde der Gedanke dann danach. Da kam das Thema sofort wieder auf. Ich sprach damals mit meinem Frauenarzt, der aber gleich zu mir meinte, unter 35 hätte ich keine Chance auf eine Sterilisation. Er erstickte das Thema einfach im Keim und nahm mir damit den Wind aus den Segeln. Letztlich ließ ich mir auf sein Anraten hin die Kupferspirale einsetzen.
Nein, erledigt war das Thema definitiv nicht. Für mich war die Kupferspirale nur ein ganz bewusstes Pausieren, bis ich das entsprechende Alter gehabt hätte, um mich in Bayern, wo ich damals lebte, als Mutter zweier Kinder sterilisieren lassen zu können. Mit meiner Versetzung nach Straußberg bei Berlin habe ich mich dann wieder intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt.
Uns kam der Gedanke, dass diese generelle Ablehnung von Sterilisationen, wie wir sie erlebt haben, auch an dem eher konservativen Bayern liegen könnte.
Ich habe mich damals mit einer Freundin über Sterilisation und Kinderwunsch unterhalten. Diese Freundin hatte mir schon vor zehn Jahren erzählt, dass sie keine Kinder will. Das hat sich bis heute nicht geändert. Uns kam der Gedanke, dass diese generelle Ablehnung von Sterilisationen, wie wir sie erlebt haben, auch an dem eher konservativen Bayern liegen könnte.
Das ländliche Bayern hat meiner Erfahrung nach ein sehr traditionelles Verständnis von Familie. Da geht der Mann arbeiten, die Frau* bleibt zu Hause oder arbeitet, wenn überhaupt, halbtags. Umgekehrt geht das nicht. Das habe auch ich oft zu spüren bekommen. Wir dachten, die Ärzt*innen in Berlin und Brandenburg könnten einer Sterilisation aufgeschlossener gegenüber stehen. Das war der Funken Hoffnung, der das Feuer zu dem Zeitpunkt nochmal entfacht hatte, und deshalb wagte ich mich in Straußberg nochmal ran.
Ich bin über „Instagram“ auf den Verein „selbstbestimmt steril e.V.“ gestoßen. Über deren Webseite habe ich mich größtenteils informiert. Der Verein hat eine Karte auf der Website, in der Adressen von Mediziner*innen verzeichnet sind, die Sterilisationen generell anbieten, und über das Tool habe ich letztlich auch die Ärztin gefunden, die mich operiert hat. Bis ich diese Ärztin gefunden habe, hatte ich aber diverse Praxen kontaktiert und die Reaktionen waren immer gleich oder ähnlich.
Ganz oft wurde ich mit den Worten ‚Unter 35 oder 30 machen wir das nicht‘ abgebügelt.
Ganz oft wurde ich mit den Worten „Unter 35 oder 30 machen wir das nicht“ abgebügelt. Auf Nachfrage wurde mir immer wieder gesagt, ich könne die Konsequenzen nicht überblicken, weil ich noch so jung sei.
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Ich kam mir sehr oft einfach nicht ernst genommen vor. Wenn man bedenkt, ich war Mitte 20 und hatte zwei Kinder, war verheiratet, hatte mich für 14 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet, meinen Karriereweg also in diese Richtung eingeschlagen, habe geschworen, dass ich im Ernstfall mein Leben für dieses Land gebe und dann sagen mir die Mediziner*innen, ich sei nicht in der Lage, die Konsequenzen einer Sterilisation zu überblicken. Das war erniedrigend und bevormundend.
Nein, nicht ein Arzt/eine Ärztin hat wirklich mit mir gesprochen. Die Antworten kamen meist aus dem Vorzimmer. Es wurde zum Beispiel gefragt, wie denn mein Ehemann dazu stehe? Ob er mit meiner Entscheidung einverstanden sei und ob ich nicht nochmal mit ihm darüber sprechen wolle. Das war heftig. Es ist doch mein Körper, über den ich entscheide und nicht ein Mann.
Es ist doch mein Körper, über den ich entscheide und nicht ein Mann.
Wenn man so will, von der Geburt meiner zweiten Tochter bis zum April 2021, also etwa drei Jahre.
Nein, man hört davon und das scheint gängige Praxis zu sein, vielleicht, um sich abzusichern, aber ich habe das nicht gebraucht. Wir hatten ein intensives Gespräch, bei dem sie Fragen gestellt hat und abschließend zu dem Ergebnis kam, dass mein Alter kein Hindernis für den Eingriff sein sollte, ich genügend geistige Reife für eine solche Entscheidung besitze und meine Lebenssituation sehr gut selbst einschätzen könne.
Gut (lacht). Direkt danach war ich gleich extrem erleichtert und das bin ich auch heute noch, auch wenn ich im Alltag nicht darüber nachdenke, weil die Sterilisation einfach zu mir gehört und für mich nichts Außergewöhnliches mehr ist. Es kommt natürlich immer mal vor, dass ich in Gesprächen über Karriere oder Kinder – bei Frauen* spricht man, wenn man über das eine spricht, auch meist über das andere – fallen lasse, dass ich keine Kinder mehr bekommen kann.
Dann reagieren die Leute immer total irritiert und betroffen. Sie entschuldigen sich sogar, überhaupt nachgefragt zu haben. Wenn ich dann sage, dass es meine bewusste Entscheidung war, entsteht daraus meist ein längeres Gespräch und dabei merke ich immer, wie glücklich ich mit der Entscheidung bin. Ich bin auch froh, dass mein Körper keine weitere Schwangerschaft mehr durchmachen muss.
Wir sind eine kleine Patchwork-Familie. Ich habe überhaupt keine Bedenken, meine Entscheidung jemals zu bereuen.
Seit anderthalb Jahren habe ich einen neuen Partner, wir leben inzwischen wieder in Bayern, an den Wochenenden sind unsere Kinder bei uns. Neben meinen zweien ist auch seine Tochter da. Wir sind eine kleine Patchwork-Familie. Ich habe überhaupt keine Bedenken, meine Entscheidung jemals zu bereuen.
Bei meinem Freund habe ich von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Ein Mann, der noch ein Kind möchte, kommt für mich nicht infrage. Ich habe zwei großartige Töchter. Für mehr reicht es einfach nicht. Und selbst wenn irgendwann doch der Punkt kommen sollte, an dem ich nochmal ein Kind haben wollen würde, wovon ich wirklich nicht ausgehe, dann lässt sich das ja über eine Eizellenentnahme machen. Eine Schwangerschaft ist theoretisch also noch immer möglich, nur eben über Umwege.
Ich kann durchaus verstehen, dass Ärzte/Ärztinnen sich sicher sein wollen, ob eine Sterilisation auch wirklich der Wunsch der Frau* ist, dass sie zunächst einmal über Alternativen aufklären und das Gespräch suchen. Das wird bei anderen Operationen ja genau so gemacht. Aber nach einer solchen Abklärung muss es doch letztlich die betroffene Person selbst sein, die selbstbestimmt über ihren Körper entscheidet. Und das wird einer Vielzahl dieser Frauen schlichtweg verwehrt. Ich denke, Gynäkologen müssten vielleicht nochmal besser geschult werden und Sterilisationen nicht ohne jedes Gespräch einfach ablehnen.
Verhütung ist leider noch immer ein Frauen*thema und wenig gleichberechtigt.
Ich bin jung Mutter geworden und dementsprechend bin ich eben auch jung mit dem Kinderkriegen „fertig“. Eine Frau*, die mit 40 ihr erstes Kind bekommt, hat es vermutlich einfacher, mit oder nach Entbindung sterilisiert zu werden. Eine Frau* ohne Kinder muss aber erst einmal 35 Jahre alt werden, bis sie sich um Verhütung keine Gedanken mehr machen muss. Verhütung ist leider noch immer ein Frauen*thema und wenig gleichberechtigt.
Alle reden immer von Gleichberechtigung, wenn sie dann aber wirklich gelebt wird, heißt es, man sei eine verantwortungslose Mutter. Die Leute haben mich immer doof angeschaut, wenn ich gesagt habe, dass ich zum Bund gehe. Wie ich das denn machen wolle, mit zwei Kindern Vollzeit arbeiten und dann auch noch pendeln? Aber Männer machen das doch auch und da fragt niemand.
Wir Frauen* müssten auf jeden Fall viel offener über die Möglichkeit und den Wunsch nach einer Sterilisation sprechen, um mit diesem gesellschaftlichen Tabu zu brechen. Von der Gesellschaft wünschte ich mir weniger Voreingenommenheit. Nicht jede Frau* muss ein Kind kriegen, manche möchten gar keins, andere kein zweites und manche eben kein drittes.
Fotos: Privat
Interview: Andrea Maria Eisele