Vom Leben in besetzten Häusern in London über Kung Fu bis hin zur Schönheitsindustrie: Die Hamburgerin Jasmina Quach alias Kuoko ist nicht nur eine der spannendsten aktuellen Musikerinnen, sondern auch eine wunderbare Gesprächspartnerin zu allen eingangs genannten Themen. Zur elektronischen Musik kam sie in London: autodidaktisch brachte sie sich alles bei, was es braucht, um Musik selbst zu arrangieren, zu produzieren, aufzunehmen und abzumischen. Gerade sorgt sie mit ihrem Video zu „Seeker Finder Keeper“ für Furore, in der sie ihre Kung Fu-Künste zeigt. Was der Kampfsport mit ihrer Musik und ihrem Leben zu tun hat, erzählt sie an einem Sommertag im botanischen Garten.
Jasmina Quach: Das war eine sehr prägende Zeit, in der ich meine ersten elektronischen Musikexperimente gemacht habe. Ich wollte nach der Schule einfach raus aus Hamburg und hatte mit einer Freundin die Idee, ein Haus zu besetzen. Wir haben erst in einem Eco Village gelebt, in dem Leute einen alternativen Lebensstil lebten – teilweise in Jurten. Wir haben gemeinschaftlich Holz gehackt und Lagerfeuer gemacht oder sind containern gegangen. Später haben wir in verschiedenen besetzten Häusern gelebt, die längste Zeit in einem umgebauten Pub.
Die Angst, nicht von der Kunst leben zu können, ist real.
Die Unwissenheit darüber, wie es mit mir nach dem Abitur weitergeht, spielte eine große Rolle. Ich wollte eigentlich an der HfbK Kunst studieren, wurde aber abgelehnt. In London wurde ich viel mit elektronischer Musik konfrontiert und habe das in Hamburg mit meiner ersten Band Parasite Single weitergeführt. Im Teeniealter habe ich bereits Musik selbst aufgenommen.
Die Angst, nicht von der Kunst leben zu können, ist real. Die Miete muss jeden Monat bezahlt werden, aber leider wird es Künstlern nicht gerade leicht gemacht. Es wird viel von dir erwartet, aber nicht viel zurückgegeben. Künstler werden idealisiert und romantisiert, gleichzeitig wird verlangt, dass sie für Publicity und Konzerte gratis spielen. Das wird sehr ausgenutzt.
In erster Linie natürlich durch die Liebe zur Sache. Ich wollte unbedingt lernen, wie man Musik produziert. Ich wollte nicht nur die Sängerin im Vordergrund einer Band sein.
Das nicht unbedingt. Das kann auch ein Handicap sein. Wenn du den Anspruch hast, immer alles selbst machen zu wollen, führt das zu einem Kompromiss, da du nur begrenzt Energie hast. Dabei möchte ich meine Sache ja gut machen! Es ist schlauer, Dinge an andere abzugeben, zum Beispiel die Videoproduktion.
Ich mache mein Artwork, meine Outfits, meine Musik vom Schreiben der Lyrics über die Arrangements bis hin zur Produktion, Aufnahme und Abmischen.
Ja. Mit 17 habe ich meine ersten Songs geschrieben. Ich habe keine Ausbildung als Musikerin, aber das konstante Musik Machen über die Jahre war eine Ausbildung an sich. Und du kannst dir über das Internet und YouTube heute wirklich alles beibringen. Keine Angst vor Technik! Das ist alles kein Hexenwerk.
Die Welt verpasst definitiv viele Künstler, die nie an die Oberfläche gelangen.
Die Welt verpasst definitiv viele Künstler, die nie an die Oberfläche gelangen. Ich stelle überhaupt nicht in Frage, ob das, was ich tue, richtig ist. Es steht auch nicht im Raum, damit irgendwann aufzuhören. Ich merke, dass ich Fortschritte mache und mir geht es sowieso sehr um den Prozess und um das Lernen. Ich möchte es überhaupt nicht einfach haben! Es hätte einen alternativen Lebensentwurf für mich geben können, aber den habe ich verworfen, weil ich nicht an das Konzept Sicherheit glaube. Ich bin jung, habe im verwöhnten Deutschland ein Dach über dem Kopf und nicht viel zu befürchten. Der größte Gegner, den du hast, bist du selbst.
Gerade habe ich das Zitat gelesen: „Some people hate their jobs, I am self employed so I just hate myself.“ Das ist sehr sarkastisch, aber ich verstehe den Ansatz sofort. Wenn du selbst Kunst machst, kannst du nicht ausblenden, wo deine Schwächen liegen. Aber ohne Selbstzweifel gäbe es keinen Prozess und keine Entwicklung.
Tatsächlich ja, ich verordne mir aber selbst musikfreie Tage, an denen ich mich mit Dingen beschäftige, die meinen Horizont andersweitig erweitern. Das kann Mode sein oder visuelle Gestaltung – es befruchtet sich alles gegenseitig.
Ich bin super selbstreflektiert und sehr perfektionistisch. Das kann einengen, deswegen ist es umso schlauer, Dinge abzugeben.
Ich mache schon sehr lange Kampfsport und Kung Fu seit sechs Jahren.
Ich habe damit angefangen, weil ich früher viele Animes geschaut habe und es einfach cool fand. Es ist ein schöner Sport, der den ganzen Körper mit einschließt. Alle Bewegungen sind für den gesamten Körper gut und genau das muss man als Sängerin können: voll im Körper da sein. Ich wärme mich vor jedem Konzert komplett auf. Ich habe einen wahnsinnig guten Trainer, der mir auch die Philosophie näher bringt. Gerade lerne ich eine weitere Waffe, die Abwechslung reizt mich. Im Video verwende ich den Stock, man kann aber auch mit Fächern oder Messern kämpfen. Es geht viel um das Verhältnis zu dir selbst und zu deinem Körper. Es ist Arbeit an dir selbst, Kung Fu bedeutet auf Chinesisch „harte Arbeit“.
Ich ziehe viel aus dem Sport für mein Leben. Ich fühle mich danach sehr befreit. Dinge, die unheimlich anstrengend sind, bringen dir meistens besonders viel. Außerdem ist es sehr ästhetisch, es gleicht einem Tanz. Du kannst nichts erzwingen, sondern musst viel zulassen können – das ist in der Kunst genauso. Du musst zulassen, wer du bist.
Selbstverteidigung ist eine starke Konditionssache. Man kann vieles üben, aber ob man es dann in der Realität anwendet, ist eine andere Frage. Das kostet viel Überwindung, gleichzeitig möchte man diesen psychopathischen Grad, den man vielleicht in einer militärischen Ausbildung erwirbt, auch gar nicht erreichen. So kalt möchte man gar nicht sein. Natürlich wird dir beim Kung Fu auch beigebracht, wie du Leuten sehr weh tust – bis hin zum Töten – aber mit einem entsprechenden Bewusstsein.
Was gewisse Rollenbilder angeht, bin ich sehr befreit aufgewachsen.
Wir leben generell sehr bequem und es ist eher die Ausnahme, dass wir hinfallen, uns stoßen oder gar geschlagen werden. Wir werden kaum mit körperlicher Gewalt konfrontiert und deswegen kommt auch nur wenigen Menschen der Gedanke, dies freiwillig tun zu wollen. Ich für meinen Teil finde es nicht so schlimm, wenn ich mal einen blauen Fleck habe. Ich bin die einzige Frau in meinem Team und das ist nicht ungewöhnlich. Ich war aber schon immer an vermeintlich männlichen Sachen interessiert.
Ich weiß nicht, woher das kommt. Ich war schon immer etwas burschikos drauf und meine Eltern haben mich einfach machen lassen. Meine Mutter hat allerdings eine leichte Abneigung gegen Pink. Sie hat jetzt kein bestimmtes Spielzeug verboten, aber es eben auch nicht bewusst gefördert. Pink ist auch nur eine Farbe, die unter einem Stigma leidet. Aber ja, was gewisse Rollenbilder angeht, bin ich sehr befreit aufgewachsen.
Genauso gibt es Männer, die sehr sensibel sind, was ihnen auch nicht zugesprochen wird. Mit Rollenbildern und Klischees lässt sich eben viel Geld machen, das darf an dieser Stelle nicht vergessen werden. Dafür muss man sich nur die Schönheitsindustrie anschauen. Trotzdem finde ich, dass sich in dieser Hinsicht viel getan hat. Da steckt mittlerweile zwar auch wieder eine Industrie hinter, aber man muss positiv bleiben und ich finde, das Bewusstsein für diese Themen ist gestärkt. Ich bin gespannt, wie es sich weiterentwickelt!
Am 06.07. erscheint Kuokos EP „Lost Woods“ bei Kabul Fire Records
Fotos: Isabella Hager
Layout: Carolina Moscato
Ein Kommentar
Schönes Interview, danke dafür 🙂