Refuburg: Kristina Kaba hilft Refugees bei der Jobsuche

Der Neustart in Deutschland ist für Geflüchtete alles andere als leicht. Ist der Behördensalat einmal überwältigt, die Arbeitserlaubnis da und sind Deutschkenntnisse erlernt, geht es an die Jobsuche. Hier möchte die Hamburgerin Kristina Kaba unterstützen. Die 28-Jährige gründet im Herbst 2015 zusammen mit anderen Ehrenamtlichen die Online-Plattform Refuburg, ein multimediales Projekt für eine neue Perspektive und für Integration. Aber Refuburg ist viel mehr als das: Mit den einfühlsam geschriebenen und sehr persönlichen Porträts Geflüchteter trägt die Plattform zur Aufklärung bei und rüttelt an unserer Empathie. Jede Geschichte ist anders und bringt uns die Menschen dahinter und ihr Schicksal näher – aber auch ihre ganz individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse. Mittlerweile haben Kristina und das Refuburg-Team mehrere Flüchtlinge in feste Arbeitsverhältnisse vermittelt. Wie sie das anstellt, erzählt sie uns in unserem femtastics-Büro.

refuburg-interview

femtastics: Du hast Refuburg gegründet – was war der Anlass?

Kristina Kaba: Letztes Jahr im August war der Krieg in Syrien und die Flüchtlingswelle in den Medien sehr präsent. Mich hat das sehr ergriffen. Ich hatte Semesterferien und war auf der Suche nach einem ehrenamtlichen Projekt. In einer Grundschule in Reinbek habe ich dann mit geflüchteten Kindern Deutsch gelernt. Schon vorher hatte ich zwei Ehrenamtliche kennengelernt und fragte sie, was ich noch tun kann. Sie sagten, dass der Redebedarf bei den Geflüchteten extrem ist. Teilweise saßen sie nach den Deutschkursen noch zwei Stunden mit den Leuten zusammen und redeten einfach nur mit ihnen. Die Geflüchteten müssen ihre Erlebnisse ja auch irgendwie verarbeiten. Außerdem befinden sich viele qualifizierte und motivierte Menschen unter den Flüchtlingen. Es ist aber eine große Herausforderung, diese in ein Arbeitsverhältnis zu vermitteln.

Hier wolltest du ansetzen. War dir sofort klar, dass du ein Online-Projekt starten willst?

Ich habe geschaut, welche Fähigkeiten und was für ein Netzwerk ich habe und wie ich beides nutzen kann. Schnell war klar, dass das Projekt online stattfinden muss und ich entschied mich für journalistische Porträts. Ich kenne einige Fotografen und Journalisten aus dem Studium und habe sie angesprochen. Es haben sofort ein paar Leute mitmacht. So ist das Projekt entstanden.

Wir wollen so nah wie möglich an die Menschen ran.

Was ist das Ziel von Refuburg?

Wir hatten von Anfang an zwei Ziele: Die Menschen langfristig in ein festes Arbeitsverhältnis, Ausbildung oder Praktikum zu vermitteln. Das andere Ziel ist Aufklärung. Es ist ein wahnsinnig polarisierendes Thema. Es gibt viel Unverständnis und Unwissen in Bezug auf die Situation der Geflüchteten. Wir wollen so nah wie möglich an die Menschen ran, deswegen haben wir uns für das Reportage-Format entschieden. Wir besuchen die Menschen in ihrer Wohnung und fotografieren sie.

Wie findest du die Flüchtlinge, die du porträtierst?

Am Anfang haben mir zwei Ehrenamtliche geholfen, die sich beim Roten Kreuz engagieren und die Deutschschule organisieren. Die Voraussetzung ist natürlich, dass die Geflüchteten etwas Deutsch oder Englisch sprechen. Manchmal haben wir auch Dolmetscher dabei. Aus diesen Bekanntschaften entstehen dann neue Bekanntschaften. Vertrauen ist hier sehr wichtig ebenso wie Zuverlässigkeit.

Gibt es unter den Flüchtlingen auch Vorbehalte gegenüber dem Projekt?

Es sind immer noch große Vorbehalte da, wobei sich das im Zuge unserer ersten Vermittlungserfolge langsam bessert und wir immer mehr Vertrauen aufbauen können. Aber wir sind eben ein Online-Medium und das kann sich jeder anschauen. Das ist eine große Hürde, denn von vielen Flüchtlingen ist die Familie noch vor Ort und wird eventuell durch gewisse Informationen gefährdet. Da sind große Ängste und Vorbehalte, was absolut nachvollziehbar ist. Wir veröffentlichen aber generell nichts ohne Freigabe. Am besten funktioniert es, wenn ich die Leute persönlich treffe und wir uns kennenlernen.

Es ist sicherlich nicht einfach, über Themen wie die Flucht zu sprechen. Wie offen sind hier die Porträtierten?

Ich treffe oft junge Männer, die auf dem A1-Sprachniveau sind. Es ist für sie natürlich frustrierend, wenn sie nicht das ausdrücken können, was sie wollen. Dann hole ich manchmal einen Dolmetscher dazu. Gerade die Syrer sind sehr offen, gerade auch mit der Kritik am Regime und der Traurigkeit, das eigene Land hinter sich gelassen zu haben. Einige können nicht darüber sprechen, was auf der Flucht passiert ist, weil sie auf mafiöse Strukturen gestoßen sind und die Erlebnisse einfach zu extrem sind.

Andere würden vielleicht wegschauen, ich schaue hin.

Du hörst wahrscheinlich sehr bewegende Geschichten. Wie gehst du damit um?

Richtig beiseite schieben kann ich sehr heftige Geschichten nicht. Wenn mich ein Mensch so nah an sich ran lässt und mir diese Dinge anvertraut oder Fotos und Videos zeigt, verspüre ich eine große Dankbarkeit. Andere würden vielleicht wegschauen, ich schaue hin. Für mich ist das ein Vertrauensbeweis und außerdem will ich ja auch wissen, wie sie sich fühlen. Das ist nun mal ihr Alltag. Es ist meine Aufgabe das anzunehmen, hinzugucken und mit ihnen darüber zu sprechen. Mittlerweile kann ich es auch ganz gut dabei belassen.

Natürlich berührt es mich, aber ich denke immer, was für tolle Menschen ich vor mir sitzen habe. Sie sind so stark, haben schon so viel geschafft und werden noch ganz viel schaffen. Es ist sehr inspirierend, mit diesen Menschen zu sprechen.

Sie schaffen es, sich trotz der Widrigkeiten ihre Motivation und ihren Optimismus zu bewahren.

Am Anfang ist es natürlich die Freude darüber, überhaupt hier zu sein. Auf Dauer wird das schwierig. Männer, die seit über einem Jahr hier sind, deren Frauen und Kinder immer noch in Homs oder Aleppo ausharren und die immer noch keinen Botschaftstermin hatten, knicken dann auch mal ein und rutschen in eine depressive Phase. Oft passiert dann auch nichts, sie sind nur unter Männern und langweilen sich.

Dazu kommt der Behördensalat, der ohne Begleiter gar nicht zu meistern ist. Jeder hat sein großes Päckchen zu tragen und oft passiert dann auch noch was im Heimatland. Das ist schon schwierig. Man muss dann die Motivation mitnehmen und sagen: Bau dir hier jetzt was auf – gerade für deine Familie und für einen Neustart. Viele arbeiten dann ehrenamtlich, das ist natürlich auch für künftige Arbeitgeber super.

Mittlerweile habt ihr erfolgreich Jobs an Flüchtlinge vermittelt?

Khaled kommt aus Syrien, gerade ist seine Frau mit seinen drei Kindern nachgekommen. Er hat nun einen festen Job als Entsorger bei der Stadtreinigung Hamburg – die engagiert sich besonders für Flüchtlinge. Einen anderen Syrer konnten wir in eine Ausbildung zum Verkäufer bei Saturn vermitteln. Er ist 36 Jahre alt und hat total im Vorstellungsgespräch überzeugt – 2.000 Leute hatten sich auf die Ausbildung beworben.

Wie findet ihr die Unternehmen? Geht ihr aktiv auf die Unternehmen zu?

Es ist schwierig, weil wir das natürlich alle ehrenamtlich machen. Oft sind es Zufälle, es gehört schon Glück dazu. Wir wollen das künftig aber professioneller zusammen mit einem Verein aufziehen und Förderung beantragen.

Einfach mal die Schublade zumachen, auf die Menschen zugehen und ihnen zuhören.

Was ist aus deiner Sicht noch wichtig, damit Integration gelingt. Was kann jeder tun?

Einfach mal die Schublade zumachen, auf die Menschen zugehen und ihnen zuhören. Einfach offen sein! Integration funktioniert in meinen Augen nur, wenn man eine wichtige Regel verfolgt: Behandle dein Gegenüber so, wie er gern behandelt werden will. Genau dieser Einstellung begegne ich in meinen Gesprächen und Treffen immer wieder – nur sind es meist die Geflüchteten, die sie mir entgegenbringen und beispielsweise zu Weihnachten ein frohes Fest wünschen. Für mich ist es daher selbstverständlich, dass ich Muslimen auch zum Zuckerfest oder dem islamischen Opferfest alles Gute wünsche. Unterschiedliche Kulturen und Religionen sind in meinen Augen eine Chance und keine Gefahr. Es ist sehr bereichernd, wenn man sich als Teil dieser multikulturellen Gesellschaft sieht, statt sie zu verfluchen

Du hast so Recht! Vielen Dank für deinen Besuch bei uns im Büro, liebe Kristina.

Hier findet ihr Kristina und Refuburg:

Foto: femtastics

Ein Kommentar

  • Andre sagt:

    Es steht geschrieben: Den Hilfebdürftigen sollst du helfen, doch bevorzugen sollst du sie nicht.
    Hilfebedürftige sind nicht immer Flüchtlinge. Es ist auch mal umgekehrt.
    Es gibt Geschichten von Menschen, die weit traumatischere Dinge durchlebt haben als die Flucht vor einem Krieg. Und das vielleicht sogar über Jahre.
    Das nur mal auf die Schnelle. Konkreteres und Durchdachteres folgt …

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