Isabel Sacher hat viele Jahre lang im Management gearbeitet und dabei immer einen kreativen Ausgleich gesucht. Als sie das Gefühl hatte, kurz vor einem Burnout zu stehen und ihr Mann an Krebs erkrankte, entschied sie sich, ihr Leben neu zu gestalten, kündigte ihren Job und machte sich selbstständig. Heute hilft sie als Business Coach anderen Menschen dabei, ihre beruflichen Träume zu verwirklichen. Die 32-Jährige, die gebürtig aus Chemnitz kommt und seit elf Jahren in Luzern lebt, erzählt uns, was sie in ihren Coachings lehrt, gibt Tipps, wo man am besten anfängt, wenn man beruflich etwas verändern möchte
Isabel Sacher: Ich habe lange in keine Schublade gepasst. Als Kind wollte ich jeden Tag etwas Anderes werden und in den meisten Fällen habe ich gesagt bekommen: „Das ist kein richtiger Beruf.“ Ich habe jahrelang damit gehadert, das auszuleben, was ich wirklich bin. Ich habe Verschiedenes ausprobiert – aber an einem gewissen Punkt immer gemerkt, dass es nicht das Richtige für mich war. Wenn man sich meinen Lebenslauf anschaut, sieht es nach Ziellosigkeit aus, aber heute weiß ich, dass alles für etwas gut war und dass mich alle diese Entscheidungen und Umwege dahin gebracht haben, wo ich heute bin. Letztlich bin ich darüber sehr froh, aber man darf nicht vergessen, dass der Weg dahin nicht immer leicht war.
Hundertprozentig! Heute habe ich das Gefühl, zu hundert Prozent das auszuleben, was ich wirklich bin. Ich bin immer noch auf dem Weg, zu mir selbst zu finden – das ist ein Prozess und es ist schön, dass das nicht abgeschlossen ist, sondern, dass ich mich immer weiter entwickeln und immer weiter lernen darf.
Wenn man sich meinen Lebenslauf anschaut, sieht es nach Ziellosigkeit aus, aber heute weiß ich, dass alles für etwas gut war und dass mich alle diese Entscheidungen und Umwege dahin gebracht haben, wo ich heute bin.
Ich habe für verschiedene Unternehmen im Management gearbeitet, zuletzt für einen großen schwedischen Möbelhersteller (lacht). Ich habe megacoole Erfahrungen gemacht, aber mir hat der kreative Aspekt in meiner Arbeit gefehlt. Es hat sich auch körperlich gezeigt, dass ich etwas verändern sollte. Ich hatte die ersten Symptome eines Burnouts und habe auch Panikattacken bekommen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich darüber nachdenken muss, was ich in meinem Leben will. Mein Mann und ich haben dann einen sechswöchigen Roadtrip durch Neuseeland gemacht. Danach haben wir überlegt, noch länger zu reisen – aber in dem Moment hat mein Mann eine Krebsdiagnose bekommen. Plötzlich saßen wir im Krankenhaus und mir wurde die Bedeutung des Satzes „Das Leben ist kurz“ richtig bewusst. Ich bin buchstäblich am nächsten Tag ins Büro gegangen und habe meinen Job gekündigt.
Ich hatte schon angefangen zu fotografieren und hatte auch schon erste Hochzeiten fotografiert – einfach als kreativer Ausgleich zu meinem analytischen Job. Nach meiner Kündigung habe ich im selben Jahr plötzlich 16 Hochzeiten fotografiert. Das war mein Escape Plan und ich war sehr dankbar für diese Möglichkeit. Ich konnte dabei auch den ganzen Prozess, sich selbstständig zu machen, kennenlernen. Ich habe das bis letztes Jahr gemacht und insgesamt über 100 Hochzeiten fotografiert. Aber bislang hatte ich immer mehr oder weniger in Führungspositionen gearbeitet, hatte mit Menschen und Personalentwicklung zu tun – das hat mir als Fotografin gefehlt.
Schon als Fotografin habe ich die ersten Workshops gegeben und Mentorings gemacht. Es hat sich dann ganz natürlich ins Coaching entwickelt. Ich hatte immer den Ansatz, dass jeder seine eigenen Antworten hat.
Ich hatte die ersten Symptome eines Burnouts und habe auch Panikattacken bekommen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich darüber nachdenken muss, was ich in meinem Leben will.
Es gibt dafür ganz viele Ausbildungen. Sogar so viele, dass man gar nicht weiß, was genau man machen soll. Genau aus dem Grund habe ich keine davon gemacht und mir alles selbst angelesen. Ich war schon in all meinen vorigen Jobs Quereinsteigerin und hatte nie etwas gelernt, das mich konkret für den betreffenden Job qualifiziert hat. Das hat immer sehr gut funktioniert und so habe ich es wieder gehandhabt. Als ich vor vielen Jahren eine Führungsposition übernehmen sollte, sagte meine Chefin zu mir: „Isa, es gibt Menschen, die können das von Natur aus und es gibt Menschen, die müssen es lernen. Du musst einfach entscheiden, zu welcher Sorte zu gehörst.“ Und ich dachte: Okay, vielleicht kann ich es einfach und ich darf auf meine Intuition hören. Auch beim Coaching habe ich meinen eigenen Weg gefunden.
Vor vier oder fünf Jahren habe ich bei einem Workshop mitgemacht, bei dem es darum ging, eine eigene Vision fürs Leben zu finden. Damals wurde mir bewusst, dass das Coaching früher oder später mein Weg sein wird. Letztes Jahr habe ich alles auf eine Karte gesetzt und mich entschieden, meinen Fokus aufs Business Coaching zu legen.
Ja, mehrere! Seit Beginn meiner Selbstständigkeit habe ich mit mehreren Business Coaches gearbeitet, habe Weiterbildungen gemacht, Online-Seminare, Workshops, …
Wenn man das Gefühl hat, gedanklich festzustecken, oder Dinge ständig im Kopf hat, aber nicht ins Handeln kommt, dann kann ein Business Coach hilfreich sein.
Meine Kund*innen sind sehr unterschiedlich: Manche stecken in ihrem Job, haben aber eine Sehnsucht herauszufinden, was sie in ihrem Leben noch machen wollen. Viele haben den Wunsch, sich selbstständig zu machen und wollen herausfinden, was genau das sein könnte und ob es das Richtige wäre. Am anderen des Spektrums sind Menschen, die schon selbstständig sind – mitunter auch schon seit Jahren. Es ist schwierig zu sagen, wer einen Business Coach braucht – ich denke, man weiß selbst am besten, ob einem das helfen würde. Wenn man das Gefühl hat, gedanklich festzustecken, oder Dinge ständig im Kopf hat, aber nicht ins Handeln kommt, dann kann es hilfreich sein. Auch, wenn man Schwierigkeiten hat, eine Entscheidung zu treffen und in seinem Umfeld niemanden hat, mit dem man über diese Themen sprechen kann.
Das hängt mit meinem eigenen Hintergrund zusammen – viele meiner Kund*innen sind Fotograf*innen, aber auch Blogger*innen, Architekt*innen und andere Selbstständige. Das hat sich einfach so entwickelt.
Einerseits biete ich Eins-zu-Eins-Coachings an, ab drei oder sechs Monaten. Eine Dauer zwischen drei und sechs Monaten Minimum hat am meisten Sinn, um Ergebnisse zu erreichen. Andererseits biete ich Retreats in Gruppen von maximal sechs Teilnehmer*innen an. Das mache ich mehrmals im Jahr. Dafür reisen wir in ein sehr schönes Haus irgendwo in Europa und verbringen dort fünf Tage, um Fragen auf den Grund zu gehen wie: Was ist meine Vision? Wo will ich hin? Wie positioniere ich mich? Die Frauen können mit den Erkenntnissen aus den Retreats dann ihren eigenen Weg gehen.
Es lässt sich gar nicht in Worte fassen, wie wertvoll der Austausch ist.
Der Lerneffekt und die Ergebnisse multiplizieren sich in der Gruppe. Wenn ich Eins-zu-Eins mit jemandem spreche, können wir gezielt über ein Thema reden, aber wenn ich fünf oder sechs Menschen in einer Gruppe habe, sprechen wir über mehrere, unterschiedliche Themen und dabei hören die anderen zu und lernen für sich gleichzeitig auch etwas. Hinzu kommt der Austausch unter einander – es lässt sich gar nicht in Worte fassen, wie wertvoll dieser Austausch ist.
Man sollte zumindest darüber nachdenken, ob es richtig ist, was man da macht oder man nicht vielleicht etwas Anderes lieber machen würde. Man sollte vielleicht hinterfragen, warum man tut, was man tut.
Wenn man weiß, was man will, kann man sich auf die Dinge konzentrieren, die dem eigenen Ziel dienlich sind. Letztlich hat man so mehr Zeit und Energie für die Dinge, die einen voranbringen.
Ich denke, das Wichtigste, womit man anfangen kann, ist, sich selbst zu hinterfragen und sich selbst neu kennenzulernen. Man sollte sich ganz simple Fragen stellen: Was mag ich? Worin bin ich gut? Was macht mir Spaß? Was interessiert mich? … Ganz banale Dinge, aber die sollte man genau beleuchten. Viele Menschen haben einen verborgenen Wunsch. Wichtig ist dann auch, dass man schnell ins Handeln kommt, also schnell Dinge ausprobiert, um festzustellen, ob das Thema einem liegt oder ob man weiter suchen muss. Man sollte sich konkrete Schritte überlegen, um sich den eigenen Wunsch zu erfüllen.
Man kann eine einfache Machbarkeitsstudie machen: einfach mal durchdenken, was die konkreten Schritte sind. Wenn der Wunsch zum Beispiel ist, eine Weltreise zu machen: Wo genau möchte ich hin? Was will ich sehen? Wo will ich übernachten? Was kosten die Flüge? Wie hoch sind die Kosten insgesamt … Das Thema von vorne bis hinten konkret durchdenken. Zudem kann man sich mit Menschen austauschen, die mehr zum Thema wissen, vielleicht auch einmal mitgehen bzw. sie begleiten und etwas selbst ausprobieren. So wird der vermeintliche Berg, der vor einem liegt, Schritt für Schritt kleiner.
Ich verstehe, dass man diese Angst hat und mir geht es grundsätzlich nicht anders. Aber ich finde es immer wieder erstaunlich, wie schlecht die Fehlerkultur in unserer Gesellschaft ist: Wir erlauben uns selten, etwas auszuprobieren und ggf. zu scheitern. Vielleicht brauchen wir mehr Vorbilder, die darüber sprechen, dass sie etwas falsch gemacht haben oder mal gescheitert sind. Jeder von uns ist in der Verantwortung, darüber zu sprechen, was mal schief gegangen ist, um anderen Menschen Ängste zu nehmen. Man sollte sich solche Geschichten anhören und sich damit beschäftigen. Deshalb mag ich Events wie die „Fuckup Nights“ sehr gerne, wo Leute darüber sprechen, was sie so richtig verkackt haben.
Wir erlauben uns selten, etwas auszuprobieren und ggf. zu scheitern. Vielleicht brauchen wir mehr Vorbilder, die darüber sprechen, dass sie etwas falsch gemacht haben oder mal gescheitert sind.
Es ist grundsätzlich einfach wichtig, zu wissen, wo man hin will – in jeder Situation. Nicht im Sinne, dass es nur diesen einen richtigen Weg gibt, aber damit man weiß, was man erreichen möchte und wohin man sich auf den Weg macht. Nur so kann eine Weiterentwicklung möglich sein. Deshalb ist es wichtig, diese Jahresplanung zu machen und sich zu überlegen, was man am Ende des Jahres erreicht haben möchte und wie das Leben dann aussehen soll. Wenn man sich das nicht überlegt, dann sagt man vielleicht zu vielen Dingen „Ja“, die dem eigenen Ziel gar nicht dienen oder die einen vielleicht sogar daran hindern, dieses zu erreichen. Gerade als Kreative ist es so leicht, sich zu verzetteln und ziellos von einer Sache zur nächsten zu springen. Wenn man weiß, was man will, kann man sich auf die Dinge konzentrieren, die dem eigenen Ziel dienlich sind. Letztlich hat man so mehr Zeit und Energie für die Dinge, die einen voranbringen.
Ich empfehle sogar, jeden Monat kurz „einzuchecken“, zu überprüfen, wo man steht, zu reflektieren, was der Monat gebracht hat, was gut oder schlecht gelaufen ist, und was man sich für den kommenden Monat vornimmt. Je nachdem, in welchem Bereich man arbeitet, kann das sogar wöchentlich sinnvoll sein. Ich habe dafür ein Workbook entwickelt, das man sich kostenlos herunterladen kann.
Das erlebt man als Kreative ja manchmal mehrmals am Tag (lacht). Es ist ein ständiger Kreislauf zwischen Motivation und Demotivation. Was mir immer hilft, ist, gedanklich zum inneren Kompass zurückzukehren. Ich nehme mir Papier und Stift und schreibe auf, wie es mir geht, was meine Vision und mein Warum ist. Was sind meine Prioritäten im Moment? Worauf habe ich Lust? Das ist eine ganz wichtige Frage, auf die wir uns viel zu selten einlassen: der eigenen Lust zu folgen. Wir denken oft, wir müssten nur abarbeiten, aber so richtig produktiv und kreativ ist man oft, wenn man den eigenen Impulsen folgt.
Ich möchte auf jeden Fall meine Retreats fortsetzen und noch mehr Menschen mit ihnen erreichen. Ich bin so überzeugt von diesem Konzept und erlebe bei jeder einzelnen Teilnehmerin wie viel das Retreat gebracht hat. Im April steht das nächste Retreat an und auch für den Herbst habe ich eins geplant.
Zudem möchte ich gerne eine Mastermind-Gruppe anbieten – ob on- oder offline. Also eine Gruppe aus gleichgesinnten Frauen, die sich zusammentut, austauscht und gegenseitig unterstützt, über einen längeren Zeitraum.
Ein ganz anderes Thema: Mein Mann und ich möchten gerne ein Kind adoptieren. Es geht ihm heute gesundheitlich wieder gut, aber wir können gemeinsam auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen. Deshalb würden wir sehr gerne ein Kind adoptieren.
Hier findet ihr Isabels Podcast „Fearless and Forward“
Fotos: Isabel Sacher
Layout: Kaja Paradiek
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