Petra Kilian arbeitet seit 1995 als Kostümdesignerin beim deutschen Film und Fernsehen – und hat bei Produktionen wie „Mit dem Rücken zur Wand“ und „Das Feuerschiff“ mitgewirkt. Wir treffen sie zum Interview am Set der neuen ZDF-Serie „Zarah – Wilde Jahre“, die davon handelt wie Zarah, eine engagierte und selbstbewusste Journalistin, in den frühen 70er Jahren für die Emanzipation der Frau und gegen die patriarchalen Strukturen eines mächtigen Printmagazins kämpft. Die erste Folge läuft am 24.08. in der ZDF-Mediathek und am 07.09. um 21 Uhr im ZDF. Vorab haben wir mit Petra Kilian darüber gesprochen, wie ihr Job als Kostümdesignerin aussieht und wie sie die vielen großartigen Seventies-Kostüme für „Zarah – Wilde Jahre“ gefunden und entwickelt hat.
Petra Kilian: Wir haben heute den 50. Drehtag und insgesamt sind es 54 Drehtage. Jetzt sind wir im Endspurt. Wir drehen immer zwei Folgen ab und haben dann eine Woche Pause – immer in diesem Rhythmus. Insgesamt gibt es sechs Folgen.
Mit 13 Jahren habe ich meine erste Nähmaschine bekommen und dann gab es kein Halten mehr.
Ich habe mich schon immer dafür interessiert – schon als kleines Mädchen. Ich habe früh angefangen, selbst zu zeichnen und zu nähen. Mit 13 Jahren habe ich meine erste Nähmaschine bekommen und dann gab es kein Halten mehr. (lacht)
Umgeben von Seventies-Schätzen: für die neue ZDF-Serie „Zarah“ hat Petra Kilian unzählige 70er-Kostüme entwickelt.
Ja genau – das war in den 70ern und 80ern. Es gab zwar schon viel Mode zu kaufen, aber der Drang nach Individualität bei uns Teenies war groß. Ich habe alles wild bearbeitet – alles, was mir in die Finger kam.
Ja, so einige. Ich habe meine ersten Hosen selber genäht: super schrille Muster-Karottenhosen. Außerdem Jacken und Blazer mit übergroßen Schultern. Aber auch komplette Outfits. Das waren halt andere Zeiten.
Mode hat mich schon immer wahnsinnig interessiert. Sie ist ein tolles Mittel, sich auszudrücken. Aber mich hat immer mehr interessiert, dramaturgisch mit ihr zu arbeiten. Wie hier am Set – einen Charakter und eine Rolle zu kreieren. Und auch, dass man Zeiten erzählen kann.
Als Kind habe ich immer davon geträumt, zum Zirkus zu gehen – und der Film ist ja ein bisschen ähnlich mit den ganzen Wagen, dem Team und allem drum herum.
Petra zeigt Anna die vielen Originalstücke aus den 70ern, die sie zusammengetragen hat.
Ich habe konkret nichts im Kopf. Aber in diese Welt abzutauchen, hat mich immer begeistert – die ersten Kinofilme, die man geschaut hat, vergisst man ja auch nicht.
Ich hatte zwischendurch überlegt, Freie Kunst zu studieren. Ich habe immer schon ein bisschen gependelt zwischen Mode und Kunst, und auch einige Praktika bei Künstlern und Designern gemacht. Nach der Modeschule habe ich mich beidseitig umgeschaut. Dann habe ich ein Praktikum bei einer Kostümbildnerin beim Film bekommen – und ziemlich schnell Blut geleckt, weil es einfach eine tolle Welt ist. Der Beruf fasziniert, aber die Filmwelt saugt dich schnell auf – ganz oder gar nicht. Manche kommen nach dem ersten Praktikum nicht wieder und andere bleiben für immer. Als Kind habe ich immer davon geträumt, zum Zirkus zu gehen – und der Film ist ja ein bisschen ähnlich mit den ganzen Wagen, dem Team und allem drum herum. Man muss sehr teamfähig sein und ist total aufeinander angewiesen – es ist so ein bisschen wie ein Zahnrad, alles greift ineinander.
Ich bekomme zuerst das Drehbuch geschickt und dann führe ich mit dem Regisseur oder der Regisseurin Gespräche darüber, wohin die Reise gehen soll. Wo liegt der Schwerpunkt? Was ist der visuelle Anspruch? Es ist wichtig, dass man sich abspricht und sich einig ist. Wenn ich das Drehbuch gelesen habe, mache ich ein grobes Konzept: welche Farbwelt ist die richtige und wie baue ich die Gefühlswelt auf? Hier beginnt auch die Recherche.
Ich kann kein starres Konzept entwickeln und dieses einfach einer Schauspielerin überstülpen.
Es ist wichtig, welche Personen die Hauptrollen spielen. Ich kann kein starres Konzept entwickeln und dieses einfach einer Schauspielerin überstülpen. Der Prozess muss von innen nach außen passieren, damit ein authentischer Mensch entsteht. Wenn ich grob weiß, wo wir alle hinwollen und ich meine Recherche abgeschlossen habe, dann schaue ich mir die Schauspieler ganz genau an. Die Grundlage ist die Körperlichkeit und die Seele. Wenn die Schauspielerin zum Beispiel eine eher zerbrechliche Frau ist und die Rolle aber eine ganz taffe – dann zieht man ihr etwas ganz Anderes an als wenn beide taff sind. Sehr spannend, wenn es diese Gegensätze gibt.
Auch Schmuck und Accessoires sind Teil der Kostüme.
Ich arbeite eng mit den Schauspielern zusammen, denn wenn sie das Gefühl haben, sie stecken in einer Verkleidung, ist das schlecht. Das Kostüm muss sich echt anfühlen und sie müssen in der Rolle aufgehen.
Die Serie „Zarah – Wilde Jahre“ spielt in Hamburg, aber Zarah selbst war in Paris und London bevor sie nach Hamburg kam – sie bringt also viel Potential mit, was die Kostüme betrifft. Das Gleiche gilt für die Verlegertochter, denn sie ist auch schon um die Welt gereist. Diese Komponenten haben dazu beigetragen, dass ich nicht nur in Deutschland nach Elementen für die Kostüme gesucht habe, sondern auch im Ausland.
Es gibt private Firmen, die Kostüme sammeln und archivieren. Wir haben zum Beispiel bei solchen Firmen in Deutschland und in Paris Kleidungsstücke ausgeliehen. Wir haben aber auch selber Kleidung für die Kostüme angefertigt.
Im Rahmen ihrer Recherche hat Petra umfangreiche Moodboards erstellt.
Wir haben es ja hier nicht nur mit 60 Rollen zu tun, sondern auch noch mit 700 Komparsen – und die haben auch alle Kostüme!
Genau, man erarbeitet sich erst einmal einen Fundus. Wir haben es ja hier nicht nur mit 60 Rollen zu tun, sondern auch noch mit rund 700 Komparsen – und die haben auch alle Kostüme! Die Komparsen betreffen alle Gesellschaftsschichten und alle möglichen Situationen. Neben einer Zeitungsredaktion treten in der Serie auch Rock-Bands, Abtreibungsgegner, Party-Gäste und viele andere Personen auf – zu diesen Themen muss man auch Kostüme entwickeln. Wenn das Puzzlespiel fertig ist, kann man entscheiden, welche Kostüme extra angefertigt werden müssen.
Ich habe hier ein großes Team an Kolleginnen. Alleine schafft man das nicht, das ist immer Teamarbeit.
Den Auftrag für „Zarah“ habe ich Ende Oktober 2016 bekommen und habe dann direkt nebenbei angefangen, die Recherche zu machen. Vor Weihnachten hatte ich die erste Anprobe und ab Anfang Januar kamen meine beiden Assistentinnen dazu. Dann haben wir Ende Februar angefangen, zu drehen. Ein straffes Programm.
Ein Teil des „Zarah – Wilde Jahre“-Sets: die Zeitungsredaktion
Petra Kilian mit der Schauspielerin Theresa Underberg, die die Rolle der Chefsekretärin Brigitte Jansen spielt.
Ich bin jeden Tag da, aber nicht jedes Mal beim Dreh dabei. Nur, wenn Kostüme ihren ersten Auftritt vor der Kamera haben. Wir müssen ausprobieren, wie die Kleidung vor der Kamera wirkt. Hier sind Material und Farbe wichtig, denn die Kostüme müssen ja zum generellen Look der TV-Serie passen. Am Drehtag schaue ich mir an, wie es aussieht und dann kann ich gegebenenfalls auch kurzfristig noch etwas verändern.
Kostümbildner ist ein unterschätzter Beruf.
Super Thema! (lacht) Ich wollte bei „Zarah“ gerne mit Originalmode drehen. Und in der ersten Woche sind uns die Schuhe aus den 70ern um die Ohren geflogen, weil der Kleber sich gelöst hat. Der Schuster ist zu unserem besten Freund geworden. Ansonsten muss man einfach vorsichtig sein und die Stoffe pfleglich behandeln.
Liebe zum Menschen – grundsätzlich viel Liebe und Leidenschaft. Dazu kommt Ausdauer – die Drehtage sind lang und es wird wirklich anstrengend. Außerdem braucht man eine gute Grundausbildung zu Stoffen, Epochen und Schnitten – und eine gute Allgemeinbildung. Kostümbildner ist ein unterschätzter Beruf.
Im Gegenteil. Heute Morgen war ich nämlich schlecht gelaunt, weil ich Angst vor unserem Interview hatte. (lacht) In meinem Job bin ich eine „Rampensau“ und ich bin auch gerne Chefin, aber diese permanente Präsenz vor der Kamera würde ich psychisch gar nicht aushalten – ich habe da wahnsinnig Respekt vor. Die Schauspieler leisten so viel, die haben sich den Ruhm verdient. Eine sehr besondere Arbeit – tausende Leute schauen dich an und alles wird beobachtet.
Ja, immer. Mir ist so wichtig, mit Menschen zu arbeiten und alles, was ich vorhin beschrieben habe. Und als Künstlerin ist man ja schon ziemlich einsam – da hatte ich einfach Respekt vor. Mittlerweile kann ich das ziemlich gut und es macht mir Spaß. Und deswegen habe ich auch nie aufgehört. Zwischen den Filmprojekten bringe ich gern meine Kunst voran.
Da kann ich meine introvertierte Seite ausleben. Beim Film arbeite ich ja immer im Team und es ist total nährend für mich, mein Innenleben künstlerisch auszudrücken und alle Entscheidungen alleine zu treffen. Die Herausforderung ist manchmal sogar größer, weil ich in der Kunst so nackt bin. Beim Film kann ich mich hinter meiner Arbeit verstecken, in der Kunst nicht. Deswegen hat es auch lange gedauert, bis ich meine Arbeiten ausgestellt habe.
Mehr über die neue ZDF-Serie „Zarah – Wilde Jahre“ lest ihr hier.