Wie komme ich bei Gehaltsverhandlungen an mein Ziel? Diese zentrale Frage hat die Münchnerin Mirnesa Halitovic, 31, in den Fokus ihrer eigenen Freiberuflichkeit gestellt: Seit 2018 arbeitet sie selbstständig als Verhandlungsexpertin für Gehaltsverhandlungen. Mirnesa möchte ambitionierte Menschen stärken und dabei unterstützen, das Verhandeln zu beherrschen, es erfolgreich zu führen und nachhaltig davon zu profitieren. Gerade hat sie zusätzlich ihren eigenen Podcast, „Increase Your Value„, gelauncht. Dieser soll regelmäßig mit neuen Themen und Experten-Gesprächen aufgefrischt werden.
Mirnesa Halitovic: Ich habe Business Administration studiert und einige Jahre in der Automobilindustrie im Einkauf gearbeitet, wo ich primär für Verhandlungsführung, Prozessoptimierung und das Lieferantenmanagement zuständig war. Verhandlungsführung gehörte also zu meinem Daily Business. Im Laufe der Zeit habe ich mich stetig im Bereich Verhandlungen und Persönlichkeitsentwicklung weitergebildet.
Ich unterstütze Angestellte dabei, erfolgreiche Gehaltsverhandlungen zu führen. Dafür biete ich individuelles Coaching an, halte Vorträge und biete auch Seminare und Workshops an.
Schon bei meinem Berufseinstieg bei einem Automobilzulieferer habe ich ein überdurchschnittlich hohes Gehalt verhandelt, da ich zuvor einen Kurs für Verhandlungsführung an der University of Michigan absolviert hatte. Im Freundeskreis wurde ich in dem Zusammenhang gern um Rat gebeten. In meinem Job fehlte mir aber, dass von den Kosteneinsparungen, die ich erzielte, vor allem das Unternehmen profitiert hat, und nicht die Mitarbeiter.
Mein Wunsch war es, dass in erster Linie Menschen von meiner Arbeit profitieren. Und das erreiche ich heute, indem ich die Probleme meiner Kunden löse. Geld und Gehaltsverhandlungen sind immer noch ein sensibles Thema, bei dem viele ins Schwitzen kommen und nicht wissen, wie sie sich in solchen Gesprächen durchsetzen sollen. Sie verkaufen sich unter Wert und sind unzufrieden mit ihrem Gehalt. Dies beeinflusst letztlich auch die Motivation und die Leistung der Angestellten
Geld und Gehaltsverhandlungen sind immer noch ein sensibles Thema, bei dem viele ins Schwitzen kommen und nicht wissen, wie sie sich in solchen Gesprächen durchsetzen sollen.
Ja, tatsächlich, das ist witzig. Die Grundlagen habe ich von meinem Vater. Ihm war Geld immer sehr wichtig. Als ich und mein Bruder noch in die Schule gingen, haben wir manchmal auf Flohmärkten verkauft. Unser Vater hat uns die Preise vorgegeben und betont, dass wir immer mehr verlangen sollten, als wir eigentlich haben möchten, um nach der Verhandlung das Geld zu bekommen, was wir ursprünglich haben wollen. Heute weiß ich, dass sich die Technik „Ankern“ nennt. Er hat uns auch gesagt, unter welchem Preis wir unsere Sachen auf keinen Fall abgeben sollten. Wir haben dann fleißig innerhalb dieser Preisspanne verhandelt. Als große Schwester habe ich außerdem sehr früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Da meine Eltern in meiner Kindheit kein Deutsch sprechen konnten, war ich als kleine Übersetzerin für sie unterwegs. Das hat, rückblickend, mein Selbstbewusstsein gestärkt.
Damals war mir das gar nicht so bewusst, aber ja, das stimmt. Er hat mir auch den geschickten Umgang mit Geld beigebracht. Meinen Eltern war wichtig, dass ich immer Geld zur Seite lege, was ich damals nicht verstanden habe, weil ich keinen konkreten Grund zum Sparen hatte. Letztlich habe ich auf sie gehört und weiß heute, wie wertvoll das ist.
Viele Menschen verhandeln erst gar nicht, das heißt, sie nehmen gleich das erste Angebot an. Dabei gibt es immer zwei Gehälter – eins für die, die verhandeln und das andere für die, die nicht verhandeln. Bei Frauen ist das noch gravierender als bei Männern, was verschiedene Studien belegen. Frauen gehen meist gar nicht in Verhandlung, dementsprechend verdienen sie auch weniger.
Natürlich gibt es mehrere Gründe, warum Menschen nicht nach mehr Gehalt fragen. Zum einen unterschätzen sie ihr eigenes Potential und ihre eigene Leistung, zum anderen kennen sie ihren Marktwert nicht. Der dritte wichtige Grund sind sogenannte limitierende Glaubenssätze, die in uns schlummern. Diese Glaubenssätze werden bereits in der Kindheit, vor allem in den ersten sieben Jahren, geprägt.
Viele Menschen verhandeln erst gar nicht, das heißt, sie nehmen gleich das erste Angebot an. Dabei gibt es immer zwei Gehälter – eins für die, die verhandeln und das andere für die, die nicht verhandeln.
Zum Beispiel „Geld ist nicht alles“. Solange jemand dieser Überzeugung verhaftet ist, wird diese Person viel Geld immer unterbewusst ablehnen, da über 95 Prozent unserer Handlungen aus dem Unterbewusstsein gesteuert werden. Deshalb arbeite ich mit meinen Klienten zuerst am Mindset, da die richtige Einstellung das Fundament für nachhaltigen Erfolg ist.
Ja, das geht und ist unbedingt notwendig. Nachdem man festgestellt hat, dass limitierende Glaubenssätze vorhanden sind, kann man diese in positive Glaubenssätze, die einem Kraft geben und bestärken, umformulieren. Ein konkretes Beispiel für einen positiven Glaubenssatz wäre zum Beispiel, „mit Geld erschaffe ich mir neue Möglichkeiten“. Ich kann beispielsweise in Weiterbildungen investieren, um meinen Horizont zu erweitern. Denn, je mehr Wissen ich habe, desto erfolgreicher kann ich werden und umso mehr Karrieremöglichkeiten erlange ich. Ich kann auch teuren Hobbys nachgehen wie Reisen und Skifahren. Geld bedeutet für mich Freiheit. Man kann sich und anderen Menschen dadurch neue Türen öffnen. Ein anderes Beispiel: „Geld schafft nur Neid und verdirbt den Charakter“. Mit Geld kannst du aber auch sehr viel Gutes tun und Geld verstärkt lediglich das, was sowieso schon vorhanden ist. Wenn jemand gute Absichten hat, wird sie oder er Geld im positiven Kontext nutzen. Hat jemand grundsätzlich negative Absichten, wird sie oder er dies mit viel Geld vermutlich verstärken.
Das individuelle Coaching findet online statt. Es gibt in regelmäßigen Abständen eine Session, in der ein konkretes Thema behandelt wird. Meine Klienten bekommen nach jeder Sitzung eine Challenge, die bis zur nächsten Sitzung erledigt werden soll. Neben dem richtigen Mindset, welches geschaffen wird, lernen meine Klienten ihr Potential und ihre Leistung richtig einzuschätzen und zu entfalten, wodurch ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen wächst.
Der Marktwert wird analysiert, um festzustellen, wie hoch das neue Gehalt sein soll. Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist das Erlernen wie Körpersprache und Rhetorik richtig eingesetzt wird, um überzeugend zu kommunizieren und sichtbarer im Unternehmen zu werden. Ich bereite alle Coachees mit ganz konkreten Antworten auf mögliche Gegenargumente perfekt vor. Zudem gebe ich alle Verhandlungstechniken weiter und es findet eine Verhandlungssimulation mit mir statt, wo ich die Schlagfertigkeit meiner Klienten mit sogenannten Totschlagargumenten teste, damit sie perfekt auf eine Gehaltsverhandlung vorbereitet sind.
Es findet also sozusagen eine Transformation statt und das Tolle daran ist, dass man danach in der Lage ist, professionelle Verhandlungen zu führen, nicht nur wenn es ums Gehalt geht. Wir verhandeln nämlich alle täglich, privat wie auch beruflich.
Das Tolle daran ist, dass man danach in der Lage ist, professionelle Verhandlungen zu führen, nicht nur wenn es ums Gehalt geht. Wir verhandeln nämlich alle täglich, privat wie auch beruflich.
Zum einen sollte man offen für Veränderungen sein, da es um Transformationen geht. Oft muss man nämlich seine Perspektive ändern, um nachhaltige Veränderungen zu erzielen. Denn, wenn man immer nur das gleiche macht, kann man kein neues Ergebnis erwarten. Zum anderen muss der Wille, sich weiterzuentwickeln, vorhanden sein, wie auch die Bereitschaft, richtig Gas zu geben und mehr zu leisten als andere, also die berühmte extra Meile gehen. Denn von nichts kommt nichts. Zeit, Geld und Energie sind notwendig. Ich hatte mal eine Interessentin, die von ihrem Partner zu mir geschickt wurde, da sie mit ihrem Gehalt und allgemein ihrem Job unzufrieden war, allerdings hat sie nicht selbst aktiv nach Unterstützung gesucht. Der Wille, etwas an ihrer Situation zu ändern, kam also nicht primär von ihr und das war leider ein Ausschlusskriterium.
Grundsätzlich ist der Zeitpunkt von der Leistung beziehungsweise von erfolgreich abgeschlossenen Projekten abhängig. Das bedeutet, dass man als Arbeitnehmer in Vorleistung gehen muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob man erst sechs Monate oder bereits drei Jahre im Unternehmen arbeitet. Die Ergebnisse, die man erzielt hat, sind ausschlaggebend. Bei meinem letzten Arbeitgeber habe ich beispielsweise mein Gehalt innerhalb meiner Probezeit verhandelt, weil ich schon in den ersten Monate meinen Verantwortungsbereich erweitert habe, indem ich ein Prozessschritt implementiert habe, von dem alle Abteilungen profitiert haben.
Eine Kundin von mir hat sich innerhalb ihrer Probezeit auf eine Führungsposition beworben und hat zwei Monate später den neuen Vertrag unterschrieben. Wichtig ist auch, dass das Gespräch nicht zwischen Tür und Angel stattfindet. Man sollte bestenfalls einen Tag wählen, an dem der Chef oder die Chefin keine stressigen Termine hat.
Dafür gibt es verschiedene Portale, wie zum Beispiel Glassdoor. Dort gibt es Gehaltsübersichten, mittels derer man sich schlau machen kann, was allgemein auf dem Markt gezahlt wird. Du solltest grundsätzlich schauen, inwiefern der Arbeitgeber von deiner Leistung profitiert, wie viel Budget- und Personalverantwortung du übernimmst und was andere Arbeitgeber für eine vergleichbare Position zahlen.
Grundsätzlich ist der Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung von der Leistung beziehungsweise von erfolgreich abgeschlossenen Projekten abhängig. Dabei spielt es keine Rolle, ob man erst sechs Monate oder bereits drei Jahre im Unternehmen arbeitet.
Entscheidend ist, mit welchen Ergebnissen du deinen Chef überzeugen kannst. Deine Argumente sollten sich immer auf deine Leistung beziehen. Idealerweise hast du deinen Verantwortungsbereich erweitern können, ohne selbstverständlich deinen eigentlichen Aufgabenbereich zu vernachlässigen. Was zählt, ist, welchen Mehrwert du dem Unternehmen bietest, und das ganz konkret mit Zahlen, Daten, Fakten zu untermauern.
Ganz wichtig ist natürlich auch, dass man sich vor der Verhandlung sowohl ein maximales als auch ein minimales Ziel setzt. Zwischen den beiden Zahlen wird dann verhandelt. Du kannst dir zudem auch Gedanken über Alternativen, wie Home Office, Weiterbildungen, Prämien oder Gutscheine machen. Mit dem Maximum startest du dann die Verhandlung, denn diese Zahl bestimmt letztlich das Verhandlungsergebnis.
Außerdem ist es wichtig, nie alle Argumente auf einmal auf den Tisch zu legen. Dein Vorgesetzter sucht sich dann wahrscheinlich dein schwächstes Argument raus und entkräftet dieses. Für dich wird es dann schwierig in deinem Sinne weiter zu verhandeln. Also, immer mit dem stärksten Argument starten.
Und ganz wichtig: hartnäckig bleiben. Es besteht hier nämlich ein Interessenkonflikt, Arbeitgeber möchten sehr gute Mitarbeiter günstig einkaufen und Mitarbeiter wollen für ihre Leistung so viel wie möglich verdienen. Für eine erfolgreiche Gehaltsverhandlung musst du dich und deine Leistung sehr gut verkaufen können. Nur so erreichst du dein Ziel und auch mehr Sichtbarkeit im Unternehmen. Bescheidenheit ist in Gehaltsverhandlungen fehl am Platz. Viele haben Angst, arrogant oder überheblich zu wirken, aber nicht kommunizierte Leistung ist wie nicht erbrachte Leistung. Idealerweise kannst du vorweisen, dass du Kosteneinsparungen erzielt, Kapazitäten geschaffen oder dafür gesorgt hast, dass Zeit eingespart wurde. Kundenbindung, Kundengewinnung und neue Projekte schlagen sich ebenfalls auf Zahlen nieder und diese Zahlen brauchst du, um in einer Verhandlung überzeugen zu können. Das sind alles wichtige Indikatoren, die sich auf den Unternehmenserfolg auswirken.
Bescheidenheit ist in Gehaltsverhandlungen fehl am Platz. Viele haben Angst, arrogant oder überheblich zu wirken, aber nicht kommunizierte Leistung ist wie nicht erbrachte Leistung.
Frauen sind, im Vergleich zu Männern, zurückhaltender beziehungsweise bescheidener in Gehaltsverhandlungen. Statistiken belegen, dass die meisten Frauen gar nicht erst verhandeln. Aber auch Männer sind davon betroffen.
Jemand, der gut verhandeln kann, wird auch mit Lieferanten und Kunden gut verhandeln, wovon das Unternehmen wiederum profitiert. Das gilt umgekehrt genau so: Jemand, der für sich selbst nicht einstehen kann, wird sich bei Lieferanten oder Kunden ebenfalls nicht gut durchsetzen können. Das können Vorgesetzte sofort ableiten. Arbeitgeber möchten dennoch nicht sofort mehr Budget für den Mitarbeiter aufbringen, weshalb man zuerst auf Widerstand treffen wird.
Eine Kundin berichtete mir, dass ihr nach der Gehaltsverhandlung viel mehr Respekt und Vertrauen entgegen gebracht wurde, weil sie das Gespräch überzeugend geführt hat und genau wusste, was sie für das Unternehmen leistet und wie das Unternehmen davon profitiert.
Ja, ich verbinde Verhandlungsführung mit Persönlichkeitsentwicklung. Wenn du eine Sache verhandeln kannst, kannst du alles verhandeln. Ob du dein Gehalt verhandeln möchtest, das neue Urlaubsziel mit deinen Liebsten, wer das neue spannende Projekt übernehmen oder wie man sich die Aufgaben im Haushalt aufteilen soll – das alles sind Verhandlungen, die wir täglich führen. Die Vorgehensweise ist dabei immer die selbe. Allein das Stärken des Selbstbewusstseins und des Selbstvertrauens hat positive Auswirkungen in jeglicher Hinsicht. Erst wenn du deinen eigenen Wert erkennst, können ihn auch andere sehen. Deshalb profitiert jeder nachhaltig, in allen Lebensbereichen, von meinem Coaching. Mal ganz zu schweigen davon, wie viele Gehaltsverhandlungen man im Leben führen wird.
Ich möchte gern Vorträge an Universitäten und Business Schools halten, um Studierende auf Gehaltsverhandlungen vorzubereiten, denn Verhandlungstechniken kommen im Studium oftmals zu kurz. Das Einstiegsgehalt ist jedoch enorm wichtig. Deshalb habe ich mich damals zusätzlich an der University of Michigan dahingehend weitergebildet. Es ist definitiv geplant, ein Team aufzubauen. Aktuell bin ich auf der Suche nach einer virtuellen Assistentin. Für Kooperationen bin ich grundsätzlich offen.
Es liegt immer in unserer Hand etwas zu ändern. Dafür muss man einfach Selbstverantwortung übernehmen. Die entscheidende Frage ist immer: Redest du über Probleme oder über Lösungen? Die meisten reden nur über Probleme und wundern sich, warum sie nicht weiterkommen. Doch Jammern bringt uns leider nicht weiter. Lösungen müssen her und manchmal ist eine professionelle Unterstützung der schnellste Weg dorthin.
Layout: Kaja Paradiek
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