Richlove Rockson fühlte sich jahrelang unwohl in ihrem Körper, versteckte ihre angeblichen Problemzonen unter weiter Kleidung – bis sie entschied, sich nicht mehr von der Gesellschaft einschränken zu lassen. Seitdem zeigt sie ihren mittlerweile 66 Tausend Follower*innen selbstbewusst ihren Körper und beweist, dass Stil keine Konfektionsgröße kennt. Ihre Message: „Mode ist für alle da. Egal welches Geschlecht du hast, welche Größe du trägst, ob du Schwarz oder Weiß bist.“
Mit ihrer offenen und schonungslosen Selbstliebe trifft die 22-jährige Jurastudentin aus Hamburg einen Nerv. Mit uns hat Richlove über überbewertete Schönheitsideale, ihren Weg zu mehr Selbstbewusstsein und ihre Leidenschaft für Mode gesprochen.
Ich stehe dazu, dass ich dick bin.
Richlove Rockson: Ich bin Plus Size – deswegen verwende ich den Begriff. Ich stehe dazu, dass ich dick bin. Für mich wäre es jedoch auch in Ordnung, einfach nur als Content Creatorin oder Model bezeichnet zu werden. Es gibt so viele Körperformen und jede von ihnen ist gut. Mittlerweile weiß ich, dass es Quatsch ist, gewisse Kleidungsstücke nicht zu tragen, weil man dicker ist. Jede*r sollte tragen, worauf er oder sie Lust hat, ohne sich von gesellschaftlichen Normen oder Erwartungen einschränken zu lassen oder dafür kritisiert zu werden. Das möchte ich den Menschen zeigen. Unsere Gesellschaft ist noch immer von Körpergewicht besessen. Das habe ich schon in der Schule gemerkt.
Jede*r sollte tragen, worauf er oder sie Lust hat, ohne sich von gesellschaftlichen Normen oder Erwartungen einschränken zu lassen.
Kein Mädchen sah aus wie ich. Ich war immer dicker und größer als meine Mitschüler*innen und wurde deswegen gemobbt und gehänselt. Besonders schwer war es, dass auch enge Vertraute wie meine Mutter mir klar gezeigt haben, dass ich mit meiner Figur bestimmte Sachen nicht tragen sollte. Sie ist selbst etwas dicker und war deswegen sehr unsicher. Das hat sie auf mich projiziert. Weiße Blusen oder kurze Hosen waren für mich tabu. In meinem Kleiderschrank hingen hauptsächlich weite Basics aus der Männerabteilung, weil ich keine anderen Optionen hatte.
Mein Bruder war ein großes Vorbild für mich. Es ist älter und hat schon vor mir angefangen, einfach zu tragen, worauf er Lust hat. Ihm war es egal, was die Leute denken. Von ihm konnte ich mir einiges abschauen. Natürlich ging es trotzdem nicht von heute auf morgen. In der Oberstufe habe ich langsam angefangen, mehr Farbe in meine Outfits zu integrieren. Doch erst nach der Schule konnte ich mich komplett entfalten. Mode hat mir enorm geholfen, meinen Körper so anzunehmen wie er ist.
Wenn ich anziehe, was mir gefällt und mich so style wie ich möchte, fühle ich mich direkt schöner und wohler in meiner Haut. Ich habe meinen eigenen Stil gefunden, trage stolz Stücke, die ich früher vermieden hätte. Ich werde nie Kleidergröße 36 oder 38 tragen, aber das ist nicht schlimm.
Mode hat mir enorm geholfen, meinen Körper so anzunehmen wie er ist.
Es ist definitiv einfacher geworden. Durch große Plattformen wie „Asos“ und „Zalando“ hat man eine viel größere Auswahl an Labels. In einem Laden war ich allerdings seit Jahren nicht mehr. In den gängigen Einkaufsläden ist meisten bei XL Schluss, das entspricht ungefähr Konfektionsgröße 42-44. Das ist nur frustrierend für mich. Ich würde auch gerne mehr in den High Fashion-Bereich gehen. Das ist mit meiner Konfektionsgröße aktuell noch schwierig, also arbeite ich mit dem, was ich habe.
Ich habe das Gefühl, dass die Modebranche aktuell wieder einen Schritt zurück macht, so als wäre Diversity nur ein Trend gewesen.
Ich habe eher das Gefühl, dass die Modebranche aktuell wieder einen Schritt zurück macht, so als wäre Diversity nur ein Trend gewesen. Ich fand es toll, als auf den Laufstegen jede Konfektionsgröße vertreten war, als jede Körperform gesehen wurde. Doch in dieser Saison waren die Models wieder sehr dünn und seitdem Kim Kardashian, die früher für ihren curvy Körper bekannt war, etwas abgenommen hat, wollen viele wieder dünner werden. Das finde ich schade. In unserer Gesellschaft ist vieles immer nur ein Trend und verschwindet nach ein paar Jahren wieder von der Bildfläche.
Meine Jugend hätte ganz anders ausgesehen, wenn ich mehr Frauen wie mich gesehen und mich repräsentiert gefühlt hätte.
Das hatte ich leider nicht. Tatsächlich habe ich in den Medien keine einzige Plus-Size-Frau gesehen. Geschweige denn eine schwarze Plus-Size-Frau wie mich. Auch deswegen habe ich mich entschlossen, meine Outfits und meine Liebe für Mode auf „Instagram“ zu teilen. Representation matters. Ich dachte mir, vielleicht kann ich so wenigstens für ein paar Frauen die Inspiration sein, die mir damals gefehlt hat. Wahrscheinlich hätte meine Jugend ganz anders ausgesehen, wenn ich mehr Frauen wie mich gesehen und mich repräsentiert gefühlt hätte.
Schönheitsideale waren schon immer ein Thema für mich. Vor allem als schwarze Plus-Size-Frau in Deutschland. Lange Zeit hatte ich gar kein Selbstbewusstsein, weil ich mich unwohl in meinem Körper gefühlt habe. Das habe ich versucht, durch aggressives Verhalten auszugleichen. Ich habe andere Kinder geschlagen, in der Hoffnung, sie würden aufhören, mich zu hänseln und ich mich dadurch besser fühlen.
Heute freue ich mich deshalb umso mehr, wenn mir junge Menschen schreiben. Manche von ihnen brauchen Hilfe, weil sie gemobbt werden, andere fühlen sich nicht wohl in ihrem Körper oder sie bedanken sich, weil sie sich durch meinen Account repräsentiert fühlen. Das macht mich sehr glücklich.
Es ist völlig in Ordnung, als Plus-Size-Model einen Bauch zu haben und eben nicht der vermeintlichen Norm zu entsprechen.
Als ich mit „Instagram“ angefangen habe, hatte ich noch immer das Gefühl, spezifisch aussehen zu müssen. Ich wollte schon immer Model sein. Doch die Plus-Size-Models, die ich in den Sozialen Netzwerken gesehen habe, hatten – anders als ich – alle einen flachen Bauch. Ich dachte, nur damit könnte ich modeln.
Deswegen habe ich mich nie komplett wohl in meinem Körper gefühlt. Ich hatte das Gefühl, er limitiert meine Chancen meine Träume zu verwirklichen. Durch die Body-Positivity-Bewegung tauchten immer mehr diverse Körper in meinem Feed aufgetaucht. Es hat mir gezeigt, dass es völlig in Ordnung ist, als Plus-Size-Model einen Bauch zu haben und eben nicht der vermeintlichen Norm zu entsprechen.
Ich finde das nicht schlimm. Immerhin können sich auch schlanke Menschen in ihrem Körper unwohl fühlen, weil uns die sozialen Medien ein ganz anderes Idealbild aufdrängen. In meinen Augen sind der Hashtag und die Bewegung nicht nur für dicke Menschen reserviert.
Ich hoffe, dass sich diese abwertende Haltung gegen dicke Menschen in Deutschland noch verändern wird. Mensch ist Mensch.
Das stimmt. Die Wörter werden im Deutschen sehr schnell mit negativen Eigenschaften assoziiert. Am Ende des Tages sind es für mich aber nur Wörter. Ich bin es ja, ich bin dick. Alles, was ich tun kann, ist zu mir zu stehen. Deswegen ist es keine Beleidigung für mich. Genauso ist es, wenn Leute zu mir sagen, dass ich Schwarz bin. Ja, das sehe ich. Ich habe einen Spiegel zu Hause. Trotzdem hoffe ich, dass sich diese abwertende Haltung gegen dicke Menschen in Deutschland noch verändern wird. Mensch ist Mensch.
Mittlerweile bin ich daran gewöhnt. Es sind auch keine Kommentare, die ich noch nie in meinem Leben gehört habe. Ich lasse mich davon nicht mehr beeinflussen. Ich antworte auf die positiven Kommentare und beachte den Hate nicht weiter.
Wir sind alle fettfeindlich.
Ja, wir sind alle fettfeindlich. Das fängt bei alltäglichen Sachen wie Arztbesuchen an und schleicht sich in jeden Part des Lebens. Wenn ich als dicke Person einen Freizeitpark besuchen möchte, kann ich nicht einfach alle Fahrgeschäfte nutzen. Bei Achterbahnen sind die Sitze zum Beispiel nur für eine spezifische Körperform ausgelegt. Um Schwierigkeiten zu haben, muss man nicht mal so dick sein wie ich.
Auch mit etwas mehr Kurven kann es schon unbequem werden. Da sind uns die USA einen Schritt voraus. Als ich dort Achterbahn gefahren bin, habe ich ganz bequem in die Sitze gepasst. Wieso muss ich eine spezifische Größe haben, um Dinge zu machen zu können, die Spaß machen?
Fotos: Richlove Rockson
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