Tarik Tesfu ist Moderator, Podcaster und ewige 25. Seine Karriere wird gesäumt von wichtigen politischen Debatten, zu denen er sich äußert, ebenso wie von extravaganten Looks, mit denen er sich über die vermeintlichen Gendergrenzen bewegt. Im Interview erzählt der It-Boy, wie er sich selbst bezeichnet, warum Mode immer auch politisch ist und wieso es mehr als einen Pride-Monat braucht.
Partner dieses Beitrags ist „C&A“, die sich mit ihrer aktuellen Pride-Kampagne für mehr Toleranz und Gleichstellung in unserer Gesellschaft einsetzen. Für die Kampagne wurden keine klassischen Models geshootet, sondern ein Real People Cast – Menschen, die ihre eigene Geschichte mit oder als Allies für die LGBTI+ Community in mehreren Videos erzählen. „Bei Pride geht es um mehr als eine Regenbogen-Party. Die Verantwortung, gesellschaftliche Zustände und Verhaltensweisen in Richtung von mehr Akzeptanz und Toleranz zu verbessern, kann nicht bei den Menschen liegen, die soziale Ausgrenzung erfahren. Jede*r von uns kann Allyship praktizieren. C&A möchte jede*n ermutigen, Unterstützer*in zu sein und dabei auch die individuellen Geschichten in Bezug auf Privilegien oder Benachteiligungen im Auge zu haben“, sagt „C&A“. Die Fotos und Videos der Kampagne – mit großartigen, wichtigen Statements – seht ihr weiter unten.
Tarik Tesfu: Ich meine eine Weiterentwicklung davon. Ein It-Girl oder It-Boy ist für mich jemand, die/der im Hier und Jetzt ist, die/der sich gerne anhand von Mode inszeniert und vermeintlich banale Sachen macht. Dabei ist Mode alles andere als banal. Ich als Mann* kann durch Mode mit Geschlechterrollen spielen, dadurch ist Mode automatisch politisch.
Zu Beginn meiner Karriere war ich sehr politisch unterwegs. Ich war bei jeder Debatte, wenn es um Rassismus oder Queer-Feindlichkeit ging, in der vordersten Reihe dabei und habe kritisiert, kritisiert, kritisiert. Das war für den Moment gut. Aber ich habe keine Lust, mich 24/7 mit den super harten Themen zu beschäftigen. Zumal ich ja nicht meine schwarze Hautfarbe loswerde, wenn ich auf Social Media weniger über Rassismus spreche und dafür mehr auf Mode setze.
Ich als Mann* kann durch Mode mit Geschlechterrollen spielen, dadurch ist Mode automatisch politisch.
In meinem Beruf rede ich permanent, weil ich gerne über wichtige Themen und mit anderen Menschen spreche. Mode erlaubt mir, auch mal nichts sagen zu müssen, weil ich damit, dass ich Lippenstift oder ein Kleid trage, bereits eine Message rüberbringe. Durch Mode kann ich ohne zu sprechen kommunizieren. Das mag ich sehr.
Mode erlaubt mir, auch mal nichts sagen zu müssen, weil ich damit, dass ich Lippenstift oder ein Kleid trage, bereits eine Message rüberbringe.
Dass ich mich für Fotoshootings wie dieses schminken lasse und auch im Alltag mit Make-up spiele, ist noch sehr neu. Ich habe zwar nie so sehr darauf geachtet, wo ich meine Klamotten kaufe, sprich ob sie aus der vermeintlich männlichen oder weiblichen Abteilung kommen, aber es zieht mich erst seit letztem Jahr vermehrt in die (vermeintliche) Frauen-Ecke. Ich sage „vermeintlich“, weil ich finde, dass Mode kein Geschlecht hat. Trotzdem musst du dich, wenn du in einen Klamottenladen gehst, jedes Mal entscheiden, auf welche Etage du gehen willst. Was das betrifft, bin ich auf jeden Fall mutiger geworden und wechsle zwischen den Ebenen hin und her.
Es gibt ja die „Boyfriend-Jeans“ für Menschen, die sich als Frauen* identifizieren. Der Rock für Männer* hat sich hingegen bis heute nicht durchgesetzt. Das heißt, es gibt bei vermeintlicher Frauenkleidung schon deutlich mehr Bewegung. Diese würde ich mir in beide Richtungen wünschen. Ich habe beispielsweise auch deshalb angefangen, in die Frauenabteilung zu gehen, weil mir die Männer-Kleidung einfach zu langweilig war. Wenn man als Mann* gerne Hemden mit Rüschen tragen möchte, aber keinen Bock hat, dafür 5.000 Euro bei „Gucci“ auszugeben, dann findet man genauso ein Hemd in der Frauenabteilung einer preiswerteren Kleiderkette. Ein Stück Stoff hat kein Geschlecht, deswegen versuche ich mich so frei wie möglich durch die Gender-Welt zu bewegen.
Ein Stück Stoff hat kein Geschlecht, deswegen versuche ich mich so frei wie möglich durch die Gender-Welt zu bewegen.
Der Schauspieler und Sänger Billy Porter ist in Sachen Mode ein großes Vorbild für mich. Er hat eine sehr glamouröse Art, mit Geschlechterrollen zu spielen und kommt auf der „Met Gala“ mit den krassesten Outfits um die Ecke. Das hat fast schon etwas von Kunst. Sein Stil entwickelt sich immer weiter, seine Looks sind wild, aber auch elegant und glamourös und edgy und alles auf einmal. Er lebt Mode und das merkt man seinem Style an.
Das klassische deutsche Mediensystem ist ja leider alles andere als divers. Social Media schafft es da zum Glück, dass viele Leute, die einfach Bock haben, sich zu inszenieren, über die Grenzen schauen und in andere Welten eintauchen können. Das Internet bietet sehr viele Freiheiten – und neue Vorbilder. Wenn ich überlege, wie es wohl gewesen wäre, wenn ich im Alter von 13 Jahren Menschen wie Phenix oder Riccardo Simonetti hätte folgen können, die mit ihrer Mode auf die Kacke hauen – das hätte mir viel Kraft gegeben. Gerade für junge Queers sind das große Vorbilder.
Ich bin ein großer Fan des Pride Monats, versteh mich nicht falsch. Ich finde, dass er eine Berechtigung hat, denn in diesem Monat geht es darum, queere Geschichte zu erzählen, nochmal zurückzublicken und zu fragen: Hey, was war damals bei Stonewall überhaupt los? Wer hat da in der ersten Reihe gekämpft? Das waren nämlich nicht nur schwule weiße Männer*, die natürlich auch, aber das waren vor allem Sexarbeiter*innen und BiPOCs. Daran müssen wir denken, weil aufgrund von Rassismus diese Vorreiter*innen in den Hintergrund gedrängt wurden, als wären sie nicht da gewesen. Um an diese Geschichte zu erinnern, ist der Monat perfekt.
Und ich finde auch die Paraden toll und dass man einfach rausgeht und feiert, denn am Ende ist es ist schon auch ein Happening. Aber es braucht eine Nachhaltigkeit, die darüber hinausgeht, weil ich schließlich nicht im Juli aufhöre, queer zu sein. Das ist ein Teil meiner Lebensrealität.
Es braucht eine Nachhaltigkeit, die über den Pride Monat hinausgeht, weil ich schließlich nicht im Juli aufhöre, queer zu sein.
Man kann sich einfach mal fragen: Kenne ich eigentlich queere Personen? Sind in meinem Freund*innenkreis queere Menschen? Oder: Wie bin ich selbst damals mit einer Person, vielleicht in der Schulzeit, umgegangen, die sich geoutet hat? War ich damals fair? Habe ich eine Person gemobbt? Vielleicht sollte man einfach mal sorry sagen. „Hey, das war eine scheiß Zeit. Wir waren alle irgendwie ein bisschen crazy drauf, weil Pubertät. Aber das, was ich damals gemacht habe, war einfach nicht fair.“
Sollte man feststellen, dass man keine queeren Menschen kennt, dann muss man sich fragen, wieso man so gar keinen Kontakt zu queeren Personen hat. Denn das liegt ganz sicher nicht an den queeren Menschen, sondern daran, dass einige Menschen einfach in einer sehr heteronormativen Bubble leben. Das kann man ändern, indem man offen ist. Man kann sich eigenständig mit der queeren Geschichte auseinandersetzen, entsprechende Filme oder Serien gucken, googlen, sich informieren. Ich finde, es ist echt an der Zeit, dass nicht mehr von Queers verlangt wird, andere zu informieren oder zu zeigen, was wir alles drauf haben. Denn die Geschichte ist auch eine queere Geschichte und das kann man mit relativ wenig Aufwand herausfinden. Was heißt überhaupt „queer“? Woher kommt der Begriff? Was bedeutet „trans“? Das sind für viele Menschen überfordernde Begriffe, dabei ist es eigentlich relativ einfach, an Informationen zu kommen.
Es ist echt an der Zeit, dass nicht mehr von Queers verlangt wird, andere zu informieren.
Mir selbst ist das noch nicht passiert. Aber ich war vielleicht damals in der Schule auch nicht ganz so cool zu anderen Leuten. Gerade in dieser Zeit ist man immer froh, wenn es einen selbst nicht trifft, oder? Ich hatte oft nicht die Courage, mich für die einzusetzen, die einen auf den Deckel bekommen haben. Rückblickend haben wir wahrscheinlich alle solche Momente, in denen wir entweder nur zugeschaut oder weggeschaut haben oder auch aktiv gehandelt haben, indem wir jemanden beleidigt haben.
Es gibt nicht die bestimmten Menschen, die ich als meine Allys benennen würde. Ich bin ja auch manchmal ein Ally. Ich versuche, ein so gut es geht feministischer Mensch zu sein, wohlwissend, dass ich dabei manchmal an meine inneren Grenzen komme, weil ich natürlich auch mit Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit groß geworden bin. Aber genau wie andere Menschen für mich da sind, bin ich für Menschen da, die sich als Frauen* identifizieren. Oder ich mache mich gegen Islamfeindlichkeit stark, auch wenn ich selbst nicht muslimisch bin oder spreche mich gegen Behindertenfeindlichkeit oder Bodyshaming aus.
Ich versuche, ein so gut es geht feministischer Mensch zu sein, wohlwissend, dass ich dabei manchmal an meine inneren Grenzen komme, weil ich natürlich auch mit Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit groß geworden bin.
Ich denke, es hilft, beide Seiten zu kennen, also zu unterstützen und zu wissen, wie es ist, betroffen zu sein. Das ist auch die große Krux, warum weiße Männer* diesen solidarischen Move oft nicht so richtig nachvollziehen können. Wenn mir eine Frau* von Sexismus erzählt, muss ich nicht fragen, wie so etwas denn sein kann. Denn ich mache die Augen auf und weiß, dass es Sexismus gibt, genauso wie es Rassismus gibt. Ich versuche dann einfach ein guter Zuhörer zu sein und nicht permanent alles infrage zu stellen.
Wenn ich auf Instagram Hate-Nachrichten bekomme, lösche ich sie mittlerweile vehement. Sobald da ein dummer Kommentar kommt, wird die Person sofort radikal blockiert, was sich wirklich als Genugtuung erweist. Man muss sich diesen Bullshit nicht reinziehen. Darüber hinaus bekomme ich zu 95 Prozent positive Reaktionen und auf die fokussiere ich mich. Mir hat mal eine Mutter geschrieben, dass ihr kleiner Sohn mich im Fernsehen in einem silbernen Kleid gesehen hat und daraufhin zu ihr sagte: „Schau mal, der trägt ja auch Kleider wie ich.“ Nach dem Motto: Wenn das der erwachsene Typ kann, dann kann ich das doch auch so machen. Das fand ich sehr rührend. Und daran merkt man, dass dieses Stück Stoff eine riesige Kraft hat.
Kampagnenfotos und -videos: „C&A“
Hair and Make-up: Daniela Berner
Styling: Romina Mann
– Werbung: In Kooperation mit „C&A“ –