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Feminismus

Mit Rückenwind zur Sichtbarkeit: Wie Anna Barth als junge Frau* im Segelsport Wellen schlägt

28. April 2025

geschrieben von Lisa van Houtem

Anna Barth gehört zur neuen Generation im Segelsport – jung, ehrgeizig und mit einer klaren Vision. Als Strategin im deutschen „SailGP“-Team navigiert sie durch Hochgeschwindigkeitsrennen, bei denen es auf Sekundenbruchteile ankommt. Im Interview spricht sie über ihren Weg in die männerdominierte Welt des Profisegelns, den Reiz der Elemente und warum Sichtbarkeit für Frauen* auf dem Wasser genauso wichtig ist wie an Land. Ein Gespräch über Wind, Wandel und weibliche Perspektiven im Spitzensport.

Wie bist du zum Segeln gekommen? Was fasziniert dich am Segelsport?

Mein Vater ist passionierter Segler und mein Bruder hat im Mühlenberger Segelclub auf der Elbe angefangen zu segeln. Ich fand das cool und hatte Freunde, die ebenfalls segelten. Davor habe ich viele Sportarten ausprobiert, aber das Segeln hat mich sofort gecatcht. Besonders das Gefühl, im Boot zu sein, in Verbindung mit den verschiedenen Elementen. Mit meinem älteren Bruder bin ich zu den Regatten gefahren und bin früh internationale Regatten mitgesegelt.

Ich habe viel trainiert und es kam etwas Positives raus. Das hat mich motiviert. Schnell bin ich im Opti, der Einsteigerbootsklasse, gefahren und alles nahm seinen Lauf. 

Du hast die Elemente angesprochen, die durchaus unberechenbar sein können. Das hat dich nicht abgehalten?

Ein gesunder Respekt vor den Kräften, die da wirken, ist gut und wichtig. Wenn du bei großer Welle und viel Wind segelst, merkst du, wie viel Power die Natur hat. Ich finde das tatsächlich schön.

Wann wusstest du, dass du eine professionelle Karriere anstreben willst?

Als ich mein Abitur machte, habe ich bereits in der olympischen Bootsklasse gesegelt. In der Oberstufe hatte ich viele Fehlstunden, weil ich sehr viel segeln war. Ich habe dennoch ein gutes Abi gemacht und wollte Medizin studieren. Dann ist “SailGP” auf mich zugekommen. Diese Chance habe ich ergriffen und bin jetzt seit 1,5 Jahren mit dabei. 

Wie hat “SailGP” dich entdeckt?

Ich bin in den vorherigen Bootsklassen gut gesegelt. Jetzt segel ich “49er FX”, das ist eine Zweihandklasse, und ich segel mit einer Partnerin zusammen olympisch. Bei der Juniorenweltmeisterschaft waren wir in der U21 auf Platz 1, ebenso im vergangenen Jahr. Dadurch und über Empfehlungen von Trainern und des “Deutschen Segelverbandes” wurde “SailGP” auf mich aufmerksam. 

Das deutsche “SailGP” Team hat speziell nach einer jüngeren Steuerfrau gesucht. In das Profil habe ich perfekt reingepasst. Zu der Zeit lief noch der Zyklus für Olympia 2024, da war ich aber nicht involviert. Das Timing passt also.

Wie lange hast du darüber nachgedacht, Teil des “SailGP” Teams zu sein?

Nicht lange! (Lacht) Ich fand es von Anfang an richtig cool. Ich bin zu einem Probeevent mitgefahren und es hat mich sofort gecatcht. Das Team vor Ort ist so eine tolle und inspirierende Gruppe von Menschen. Alle sind professionelle Athlet*innen und besondere Persönlichkeiten. Ich lerne hier sehr viel.

Was ist deine Aufgabe im Team?

Ich bin dafür verantwortlich, dass wir sicher um den Kurs kommen und die beste Route fahren. Wir wollen als Erste vor den anderen im Ziel sein. Es geht nicht um Zeit, sondern um die Platzierung. Manchmal verteidigen wir also eher und versuchen, zwischen dem Gegner und der nächsten Runde zu bleiben, damit das gegnerische Team keine Chance hat zu überholen. 

Und manchmal versuchen wir das Maximale rauszuholen und die beste Linie zu fahren. Dabei spielen die anderen Boote eine große Rolle, denn wir haben nur einen sehr kleinen Kurs und fahren hohe Geschwindigkeiten. Die Rennen dauern zwischen zehn und fünfzehn Minuten. 

Mein Hauptfokus liegt darauf, dass keine Kollisionen entstehen und dass ich alles gut vorbereite, wenn wir auf Kollisionskurs sind.

Welche Stärken und Fähigkeiten brauchst du für deine Position?

Ich muss schnelle Entscheidungen treffen können. Wir müssen die Seite wechseln, wenn wir manövern. Ich stehe im Cockpit, das ist eine eierförmige Öffnung im Rumpf. In dem Moment, in dem unser Steuermann Erik die Seite wechselt, habe ich das Steuer in der Hand. Im Training ist das ein wichtiger Teil meiner Entwicklung, dass ich mehr Erfahrungen sammele, um das Boot selbst zu steuern. 

Woher nimmst du die nötige Resilienz bei den Rennen? Hattest du die schon immer?

Es ist eine Mischung aus Erfahrung und einer gewissen Resilienz, die ich schon mitbringe. Wir Segler*innen beim “SailGP” sind Adrenalinjunkies. Die Geschwindigkeit hat mich immer fasziniert. Sie kann aber gruselig sein, beim Rennen in San Francisco ist ein Wing kaputt gegangen und das war angsteinflößend. Das darf man nicht unterschätzen. Mit den anderen Jungs an Bord fühle ich mich aber sehr sicher, sie haben eine gute Kontrolle über das Boot.

Was war bisher der für dich bisher eindrucksvollste oder besonderste Moment bei den bisherigen “SailGP” Rennen?

Ein absolutes Highlight für mich war, als wir in der letzten Saison unser erstes Rennen im Sydney Harbour gewonnen haben. Da segel ich super gern, es ist einfach gigantisch und einer der schönsten Segelorte der Welt. An dem Tag hat alles gestimmt. 

Wie männerdominiert ist der Segelsport aus deiner Sicht? 

Segeln ist immer noch ein männerdominierter Sport. Die Entwicklung geht in Richtung Gleichstellung, bei Olympia 2024 waren das erste Mal beim Segeln genauso viele Frauen* wie Männer* am Start. Das ist ein großer und wichtiger Schritt. “SailGP” ist im Segelsport das fortschrittlichste Format und holt gezielt Frauen* in die Teams. Die meisten Frauen* sind dabei zwar auf der Position, auf der ich auch bin, aber das ist eine sehr wichtige Position. Das sieht man immer wieder in Rennsituationen, bei denen es zu Crashes kommt. 

Die Aufgabe von uns Strateg*innen ist es, diese Crashes möglichst zu verhindern. Es ist aber keine Position, die viel involviert ist, das Boot technisch zu segeln. Es gibt drei Positionen, die wichtig sind, um das Boot schnell zu fahren: Der*die Steuermann/-frau, der*die Wing Trimmer*in und der*die Flight Controller*in. Diese drei Positionen erfordern keinen physischen Vorteil, auch Frauen* können diese Positionen gut übernehmen. Beim brasilianischen Team gibt es die erste Steuerfrau Martine Grael, die macht das super. Sie ist die beste Seglerin in ihrem Alter und super erfolgreich bei Olympia mit zwei Goldmedaillen.

Wie kann man mehr Frauen* für den Segelsport begeistern?

Es braucht mehr sichtbare Vorbilder und Repräsentation. Ich persönlich fühle mich nicht benachteiligt, ich habe die Rolle im “SailGP” Team in sehr jungem Alter bekommen, eben weil ich eine Frau* bin. 

“SailGP” setzt sich für mehr Chancengleichheit im Segelsport ein, unter anderem durch Quoten. Siehst du in der Branche echte Fortschritte für Frauen*?

“SailGP” will für Gleichberechtigung stehen und Frauen* Karrierewege bieten. Dafür wurde das “Women’s Pathway Program” ins Leben gerufen. Dass bei jedem Rennen mindestens eine Frau* jeweils mit an Bord ist, ist Teil des Programms. Es gibt mehrere Initiativen. Letztes Jahr war ich im “Women Accelerator Program” involviert, hier hatten wir Speaker Sessions und haben evaluiert, wie sich der Frauenanteil im Senior Management steigern lässt.

Welche Ziele hast du dir in deiner sportlichen Karriere gesteckt?

Mein Ziel ist es, eine rasante Entwicklung hinzulegen. Ich will besser werden und alles mitnehmen, was geht. Langfristig will ich meine großen Ziele erreichen: Den “SailGP” mit dem deutschen Team gewinnen und vielleicht in einer anderen Position an Bord gehen. Und ich möchte gern eine Medaille bei Olympia gewinnen!