Morgens nach dem Anziehen, wenn Mama Gesche ihre große Tochter (5) zur Kita bringt, gehen die Zwillinge (1) als erstes rüber zu ihrer Uroma “Dudu”, um zu frühstücken. Draußen zwitschern die Vögel, Pferde wiehern und ein Traktor fährt auch ab und an vorbei. Danach verbringen sie Zeit in Uromas Garten oder Oma “Dea” fährt mit den beiden im Kinderwagen eine Runde spazieren. Klingt nach Bullerbü? Das ist es auch. Also fast, denn dieses Bullerbü befindet sich nicht in Schweden, sondern im Osten Hamburgs.
In einem wunderschönen Bauernhaus mit Koppeln drumherum leben vier Generationen harmonisch zusammen unter einem Dach. Gesche Drühmel und ihr Mann sind mit ihren mittlerweile drei Kindern vor drei Jahren von Hamburg zurück auf den Hof ihrer Eltern und Großeltern gezogen. Sie haben die alten Stallungen aufwändig saniert und genießen nun alle Vorzüge im Mehrgenerationenhaus. Über die Vorteile und Herausforderungen des Lebens im Mehrgenerationenhaus sprechen wir mit Gesche an einem Sommertag im Juli.
Ich bin selbst mit meinen Großeltern in einem Mehrgenerationenhaus groß geworden und wusste, was für ein Privileg es ist, so zu leben.
Gesche Drühmel: Meine Eltern und meine Großeltern wohnen schon immer hier. Vor 65 Jahren hat meine Oma mit 19 Jahren meinen Opa kennengelernt, dem der Hof gehörte. Ich bin hier auch groß geworden. Als bei uns die Kinderplanung immer mehr in den Vordergrund rückte, entstand die Idee, wieder zurück auf den Hof zu ziehen. Meine Eltern haben sich darüber riesig gefreut.
Mein Mann ist ein Hamburger Jung und wollte die Stadtgrenzen eigentlich nie verlassen. Er versteht sich aber schon immer sehr gut mit meiner Familie und wir haben uns beide gewünscht, dass unsere Kinder an diesem wunderschönen Ort hier groß werden. Ich bin selbst mit meinen Großeltern in einem Mehrgenerationenhaus aufgewachsen und wusste, was für ein Privileg es ist, so zu leben. Es war immer jemand zu Hause und ich habe unendlich viele Erinnerungen an meine Großeltern.
Ursprünglich wollten wir die alten Stallungen komplett ausbauen, auch den Heuboden oben. Es konnte uns aber niemand wirklich sagen, wie hoch die Sanierungskosten sein würden. Eine Firma für Brandschutzsanierung sagte uns, dass wir mit einer Million Euro nicht auskommen würden, wir bräuchten eher zwei Millionen. Laut Gesetz muss das gesamte Haus unter Brandschutz gestellt werden, wenn man über eine bestimmte Ausbaufläche hinaus ist. Das wird extrem teuer. Damit war das Projekt erstmal vom Tisch.
Einige Relikte von den alten Stallungen gibt es natürlich noch, wie ein paar Haken, an denen in unserer Kindheit die Schaukel hing.
Wir wollten zunächst ein Einzelhaus hier auf dem Grundstück bauen, bekamen aber keine Genehmigung für den Bauantrag. Als Nächstes haben wir einen Architekten dazugeholt. Der hatte die Idee, dass wir den Heuboden nicht ausbauen, sondern eben nur das Erdgeschoss.
Dadurch war die Ausbaufläche so gering, dass wir nur die Wohnung nach dem neuen Brandschutzstandard bauen mussten. Wir haben bodentiefe Fenster eingesetzt, damit es schön hell wird. Einige Relikte von den alten Stallungen gibt es natürlich auch noch, wie die Balken und ein paar Haken, an denen in unserer Kindheit die Schaukel hing.
Die Planung haben wir mit einem Architekten gemacht, der war aber nicht mehr für die Ausführung zuständig. Das wäre einfach zu teuer geworden. Also haben wir erstmal eine Firma für die Entkernung gesucht.
Wir wussten, dass es hier kein Fundament gibt, die Mauern stehen auf dem nackten Boden. Das bedeutet, dass ständig Feuchtigkeit in die Wände hochzieht. Letztlich hat eine Zimmerei ein komplett neues Holzhaus in die alten Stallungen reingebaut. Im November haben wir die Sanierung gestartet und sind im Juli zunächst nebenan bei meinen Eltern eingezogen, mitten in der Corona-Pandemie. Vor dem ersten Lockdown waren die großen Arbeiten fertig, der Innenausbau fand während des Lockdowns statt.
Wir sind vor drei Jahren auf den Hof gezogen. Davor haben wir in der Hamburger Innenstadt gewohnt.
Ich bin eigentlich Grundschullehrerin, habe mich allerdings in der Elternzeit mit meiner ersten Tochter selbstständig gemacht. Ich arbeite im Network Marketing und bin Markenbotschafterin für die Naturkosmetikfirma “Ringana”.
Ich könnte jederzeit in meinen alten Job zurück, ich genieße aber gerade das Privileg der besseren Vereinbarkeit. Ich bin komplett flexibel und kann mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen. Ursprünglich wollte ich meine Stunden in der Schule reduzieren und mir ein zweites Standbein aufbauen. Zunächst hatte ich ein Label für Linoldrucke gegründet, das hat sich aber leider nicht rentiert. Eine Freundin hatte sich mit “Ringana” selbstständig gemacht. Mich hat das Konzept überzeugt, also bin ich diesen Weg auch gegangen.
Als ich erfahren habe, dass ich mit Zwillingen schwanger bin, dachte ich kurz, dass ich bald gar keine Zeit mehr für meinen Job hätte. Ich habe dann bis zur Geburt richtig viel gearbeitet und konnte mir so einen Kundenstamm aufbauen.
Ich habe schnell festgestellt, wie gut die Vereinbarkeit mit dem Job und meinen kleinen Kindern ist. Im Wochenbett habe ich bereits wieder gearbeitet. Ich habe meine Zwillinge gleichzeitig gestillt, sie haben auf mir geschlafen und ich konnte am Handy und Laptop Kund*innenbestellungen entgegennehmen oder in “Canva” Grafiken gestalten.
Damals war gerade wieder Lockdown und es waren eh alle zu Hause und viel online. Ich habe mir via “Instagram” und über Kontakte von Freund*innen einen Kund*innenstamm und ein Team aufgebaut. Das darf jetzt wachsen und ich habe die Möglichkeit, mir ein passives Einkommen aufzubauen.
Natürlich gibt es auch Momente, in denen alle drei Kinder vor dir stehen und weinen. Dann drüben Bescheid zu sagen, dass ich fünf Minuten Unterstützung brauche, ist einfach Gold wert.
Ja, meine Schwiegereltern kommen zweimal die Woche zu uns. Und meine Eltern und meine Oma sind natürlich eh immer nebenan und unterstützen uns tatkräftig. Das wurde besonders wichtig, als sowohl die Zwillinge als auch mein Job immer größer wurden.
Natürlich gibt es auch Momente, in denen alle drei Kinder vor dir stehen und weinen. Aber genau dann drüben Bescheid zu sagen, dass ich fünf Minuten Unterstützung brauche, das ist einfach Gold wert.
Die Zwillinge gehen jeden Morgen zu ihrer Uroma, wenn ich ihre Schwester in die Kita bringe. Die Oma oder die Schwiegereltern gehen oft mit ihnen spazieren, danach schlafen sie dann in ihrem Kinderwagen draußen vorm Hof. Es ist ja immer jemand in der Nähe. Mein Vater holt meine Tochter manchmal von der Kita ab und nachmittags ist bei uns in der Wohnung oft „Kaffeetied“ am langen Tisch mit der ganzen Familie. Mein Mann kommt am späten Nachmittag nach Hause. Weihnachten und die Geburtstage feiern wir auch hier bei uns.
Dadurch, dass sehr viele Menschen zusammen wohnen, müssen alle schauen, dass jede*r zu seinen oder ihren Bedürfnissen kommt. Es muss viel abgesprochen werden. Da das Ganze für die Zukunft gedacht ist, müssen viele Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Oder der Klassiker: Man lädt Freund*innen ein und möchte hinten im Garten sitzen – und die Eltern haben ebenfalls Freund*innen eingeladen und wollen im Garten sitzen. Wir sind also viel im Austausch!
Für viele ist das die Hürde, also dass man so eng zusammen ist und ganz viel vom Alltag der jeweils anderen mitbekommt. Wenn mein Mann und ich uns mal streiten, merken das natürlich alle sofort. Normalerweise möchte man diese Momente nicht mit der Familie teilen.
Dadurch, dass sehr viele Menschen hier zusammen wohnen, müssen alle schauen, dass jede*r zu seinen oder ihren Bedürfnissen kommt.
Genau, das kann auch helfen. Man muss aber generell seine Bedürfnisse und Wünsche ganz klar formulieren. Wenn zum Beispiel die eine Partei erwartet, dass der Rasen gemäht wird, dies aber nicht sagt, kann es sein, dass die andere Partei andere Sachen im Kopf hat und nicht daran denkt. Man muss ehrlich miteinander sein und Dinge sofort ansprechen.
Ja, absolut. Freund*innen von mir überlegen auch gerade, ob ihre Eltern hierher zu ihnen ziehen und suchen was Gemeinsames. Ich kann es nur jedem*jeder empfehlen, denn es ist ein riesengroßes Geschenk. Du hast zum einen die gemeinsame Zeit, also die Kinder mit den Großeltern und vielleicht sogar mit den Urgroßeltern. Diese Zeit bekommst du so nie wieder. Auf der anderen Seite hast du die große Unterstützung in jeder Hinsicht. Dadurch ergeben sich viele Möglichkeiten.
3 Kommentare
Das Haus ist wunderschön und so leben zu dürfen, wahrlich ein Privileg!
Andererseits frage ich mich, wer später die Kinder in der Schule unterrichten soll, wenn alle Welt nur noch als Content-Creator oder Influencer von zuhause arbeiten will? Klar ist das bequem von zu Hause und man hat viel Zeit für die Familie. Aber wer macht noch die „richtigen und wichtigen“ Jobs?
Es klingt für mich alles etwas zu sehr nach „happy life und super-woman“ (Zwillinge zeitgleich stillen und dabei arbeiten) und nicht so besonders authentisch. In jedem Leben gibt’s doch Probleme und Hürden. Als Influencer ist es wichtig nicht nur das perfekte Leben zu präsentieren sondern auch die Schattenseiten des Lebens. Genau solche Beiträge schmälern doch das Selbstbewusstsein anderer Frauen.
Dennoch ein schöner Bericht eines idyllischen Lebens.
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Gesche arbeitet allerdings nicht als Influencerin oder Content Creatorin, sondern im Network Marketing/ Vertrieb.
Es tut mir Leid, dass Sie so in ihrer eigenen, internalisierten Misogynie gefangen sind.
Unabhängig davon, dass Gesche nicht als Influencerin arbeitet, finde ich es sehr schade, dass Sie diesen (meist von Frauen ausgeführten) Beruf so abwerten müssen. Zudem fine ich es sehr vermessen die Arbeit anderer Menschen in Kategorien wie wichtig und unwichtig einzuteilen.
Und ich denke, es bleibt wohl jedem und jeder selbst überlassen, welche Anteile des Lebens über soziale Netzwerke nach außen getragen werden. Keiner muss sich verletzlich machen, damit es ihnen besser geht.
Die Einzige Person, die hier das Selbstbewusstsein einer anderen Frau angreift, sind Sie.