Die Wohnung ist zu klein geworden, ein Umzug kommt bei den aktuellen Mietpreisen aber nicht infrage: So geht es vor allem Familien in Großstädten. Sima Niroumand kennt diese Situation. Der heute 40-Jährigen fehlte vor der Geburt ihres zweiten Kindes ein weiteres Zimmer und Stauraum, ihren geliebten Kiez in Köln-Ehrenfeld wollte sie aber nicht verlassen. Statt die gängigen Immobilienportale zu durchforsten, setzte sie sich also mit einem befreundeten Tischler zusammen und tüftelte an einem multifunktionalen Möbelstück, das zwei Kinderbetten, eine Spiellandschaft und den Kleiderschrank der ganzen Familie behergt – und ihre Dachgeschosswohnung in ganz neuem Licht erstrahlen ließ.
Gleichzeitig war das rettende Projekt der Startschuss für Simas Selbstständigkeit: Nach ihrer Elternzeit gründete die frühere Kreativdirektorin „Habitiny“ und schafft seither mehr Platz in kleinen Wohnungen. Wie genau sie das macht, wann sie beim Gründen ans Aufgeben dachte und warum ihre erste Kundin sie vor große Herausforderungen gestellt hat, verrät die zweifache Mutter im Interview.
Sima Niroumand: In erster Linie sind es Familien. Aber es kommt natürlich auch vor, dass Singles oder Paare anfragen.
Alles beginnt mit meiner Office Managerin Natalie. Sie führt ein Online-Kennenlerngespräch mit den Kund*innen und erklärt, was genau wir machen können. Außerdem bekommen die Kund*innen die Aufgabe, ein Video von ihren Räumen zu machen. Das ist für uns enorm wichtig, weil wir dann ein Gefühl für die Personen bekommen, die in den Räumen leben.
Danach schauen wir uns gemeinsam die ganze Wohnung oder das Haus an, gehen auf Wünsche ein. Wir zeichnen den Grundriss auf und überlegen, wie wir das Problem der Kund*innen lösen können. Haben wir eine erste Idee, arbeiten wir mit Bildbeispielen, weil sich viele unter einem 2D-Grundriss nichts vorstellen können. Anschließend geht es weiter in die Projektplanung und die Entwurfsphase. Hier schalten wir das Handwerk ein. Wenn alles gestaltet ist und sowohl von unseren Kund*innen und dem Handwerk abgenickt wurde, sind wir erstmal raus und es geht an die Umsetzung. Wenn sich dabei oder danach Rückfragen ergeben, stehen wir natürlich zur Verfügung.
Lustigerweise kamen die Tischler*innen und Schreiner*innen teilweise von allein auf mich zu. Das waren Leute, die mein Unternehmen aus der Presse kannten und Lust auf das Projekt hatten. Viele Handwerker*innen sehen in der Arbeit mit mir eine ernsthafte Entlastung – sie müssen keine Termine koordinieren und keine Beratungsgespräche führen. Das übernehmen alles wir. Stattdessen können sie sich ganz auf ihr Handwerk konzentrieren.
Ich habe neben meiner Office Managerin noch ein weiteres Teammitglied in Festanstellung, Steffen, der gelernter Tischler und Interior Designer ist. Die beiden bilden das Kernteam. Außerdem beschäftige ich ein paar freie Redakteur*innen, die meine Website mit Texten und meine vorgeschriebenen Konzepte im „Habitiny“-Wording umsetzen. Wir bieten mittlerweile auch Wissensprodukte wie Workbooks (Anm. d. Red. ein Goodie dazu findet ihr unten) oder Workshops an. Dann habe ich noch jemanden für meine Workshops und punktuell beschäftige ich auch noch eine Innenarchitektin und Interior-Designerin … Ich merke gerade, das Team ist mittlerweile richtig groß!
Man sollte Dinge regelmäßig aussortieren und die Sachen, die bleiben sollen, so verorten, dass es für alle Sinn ergibt.
Pauschal kann ich das nicht sagen. Nehmen wir das Beispiel Elternalkoven (eine Bettnische oder ein Wandbett, Anm. d. Redaktion), ein Projekt, das ich vor einiger Zeit für eine Familie umgesetzt habe. Bei so etwas kann kein*e Schreiner*in im Vorfeld genau sagen, wie hoch die Kosten werden. Dafür gibt es zu viele ungeklärte Parameter – zum Beispiel die Frage, welche Materialien wir verwenden oder wie was verarbeitet wird. Zusätzlich spielt der Materialmarkt gerade verrückt. Deshalb haben wir intern beschlossen: Solange die Preise so hoch sind, ergibt ein Einbau unter 10.000 Euro für uns keinen Sinn. Weil ich aber nicht nur wohlhabenden Familien helfen will, sondern alle erreichen möchte, biete ich mittlerweile auch Workbooks an.
… genau – es fing damit an, dass bei uns zu Hause immer wieder die Frage aufkam, wo sich bestimmte Dinge befinden, die man nicht alle Tage braucht. Skikleidung zum Beispiel. Aus irgendeinem Grund war ich immer dafür verantwortlich zu wissen, wo sich Sachen wie diese befinden. Also habe ich überlegt, wie man das besser organisieren kann – und ein internes Workbook für unseren Haushalt erarbeitet. Wir haben alles rausgeholt, geschaut: Was brauchen wir wirklich? Und dann gecheckt, was wir für Stauraum haben, denn vielleicht gibt es hier und da noch ungenutzte Ecken. Anschließend geht es darum, Dinge auszusortieren und die Sachen, die bleiben sollen, so zu verorten, dass es für alle Sinn ergibt. Das sollte man regelmäßig machen, bestenfalls alle sechs Monate. Klingt simpel, erleichtert das Leben aber sehr. Das Workbook soll nun allen dabei helfen.
Es ist hier und da definitiv herausfordernder als Eigentum. Das liegt häufig aber an dem/der Mieter*in selbst – denn der/die muss sich ja sicher sein, noch eine Weile in der Wohnung zu leben. Ansonsten lohnt sich der ganze Aufwand nicht. Generell sind unsere Arbeiten aber rückbaubar und können auf Wunsch mit umziehen, sodass niemand Bedenken haben muss.
Generell sind unsere Arbeiten rückbaubar und können auf Wunsch mit umziehen, sodass niemand Bedenken haben muss.
Ja! Leider war das die unsympathischste Kundin, die ich bisher hatte. Sie weiß bis heute nicht, dass sie die Erste war – und verhielt sich so schwierig, dass mein Schreiner direkt nach dem ersten Termin ausstieg. Ich habe zwar noch einen anderen Tischler für das Projekt gewinnen können, aber das war ein denkbar schlechter Start! Am Ende hat die Kundin das Projekt abgebrochen, weil sie es sich anders überlegt hatte. Eine Vollkatastrophe, aber immerhin hatte sie mich für meine Leistungen bis zu diesem Punkt bezahlt. Und es konnte nur besser werden!
Einerseits ja. Ich selbst mag Farben unheimlich gern und weigere mich, alles Schwarz-Weiß zu gestalten (lacht). Andererseits befinde ich mich auch in einer Blase – und nur weil auf Social Media immer mehr Wohnungen und Häuser mit bunter Einrichtung gezeigt werden, bildet das noch lange nicht die Realität ab. Bei vielen Kund*innen sieht es tatsächlich sehr weiß aus. Die meisten sind aber offen für Neues.
Die Idee zu „Habitiny“ kam in der Schwangerschaft mit meinem zweiten Kind. Ich hatte zuvor meinen Job in einer Digitalagentur an den Nagel gehängt, weil ich das Gefühl hatte, nicht weiter zu kommen. Deshalb dachte ich, es sei eine schlaue Idee, einfach mal zu kündigen (lacht). Drei Wochen später war ich schwanger – eine Festanstellung kam für mich aber nicht mehr infrage. Ich habe überlegt, was ich abseits meines vorigen Jobs gerne mache. Einfach aus dem Bauch heraus, ohne großen Plan dahinter.
Durch meine Schwangerschaft und den Fakt, dass wir bald zu viert in unserer Wohnung leben würden, überlegte ich wie wir unsere Räume neu gestalten könnten. Umziehen war keine Option – also mussten wir mit dem arbeiten, was wir hatten. Und weil wir ohnehin platzsparend gelebt haben und uns besondere Lösungen für unseren Wohnraum überlegen mussten, dachte ich: „Das könnte ich doch auch für andere Familien machen.“
Als mein Kind da war, machte ich eine kurze Pause. Danach legte ich los und schrieb ein Konzept. Meine Website sollte grob zum ersten Geburtstag meines zweiten Kindes online gehen.
Ich habe nachts und an den Feiertagen gearbeitet, um fertig zu werden – und ich dachte zwischendurch auch mal ans Aufgeben.
Meistens überwog die Neugier. Ich wusste um die Möglichkeit zu scheitern – und das wäre auch okay gewesen. Dann wäre ich eben in meinen alten Job zurückgegangen. Ich hatte aber trotz all meiner Lust auf das neue Projekt harte Zeiten zu Beginn der Pandemie. Die Kinder konnten nicht in die Betreuung gehen, ich habe nachts und an den Feiertagen gearbeitet, um fertig zu werden – und ich dachte zwischendurch auch mal ans Aufgeben.
Wir haben uns privat anders organisiert. Irgendwann sagte mein Mann, dass er seinen Job als Geschäftsführer zurückschrauben möchte, um mich zu entlasten. Das war ein Wagnis, weil ich selbst ja noch keine Einnahmen hatte. Aber es hat wahnsinnig geholfen.
Als die Website online war, hatte ich den ersten Schritt geschafft. Dann musste ich eine gewisse Reichweite generieren und meine Marke bekannt machen, um an Kund*innen zu kommen. Also habe ich eine Art Redaktionsdatenbank aufgebaut und alle für mich relevanten Redaktionsbüros angeschrieben, um ihnen „Habitiny“ vorzustellen. Nach und nach geriet ich in den Fokus der Pressewelt – und dadurch ist das Ganze stetig gewachsen.
Ein Goodie für Euch: Das neue Workbook zur Stauraumplanung für „Nicht-alltägliche Dinge“ von Sima Niroumand könnt ihr jetzt mit dem Rabattcode „FEMTASTICS“ für 9,99 Euro statt 14,99 Euro hier bestellen. Enjoy!
Fotos: Sabrina Weniger & Antonia Schmitz (Portraitbilder), Artiz Digital (blaues Jugendzimmer)