Sally Lisa Starken: Wie lässt sich die AfD aufhalten?

17. April 2024

Die Politikjournalistin Sally Lisa Starken is zu Gast im „femtastics Deep Dive Podcast“.

2024 ist ein wichtiges Wahljahr. Nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Am 9. Juni wählen wir – ebenso wie die anderen EU-Mitgliedsländer im Rahmen der Europawahl 2024 – das Europäische Parlament. Und zum ersten Mal dürfen in Deutschland Menschen ab dem Alter von 16 Jahren mitwählen. Im September finden dann Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg statt. In allen drei dieser Bundesländer werden der AfD nach aktuellen Wahlumfragen hohe Chancen ausgerechnet, als stärkste Partei aus den Wahlen hervorzugehen (in Sachsen liegt die AfD in Umfragen bei um die 35 Prozent, in Brandenburg um die 30, in Thüringen nach letzten Umfragen bei knapp unter 30 Prozent).

Aber auch wenn die AfD hofft, in Thüringen, Sachsen und Brandenburg ab Herbst regieren zu können und wir europaweit einen politischen Rechtsruck erleben – noch sind die Wahlen nicht passiert. Noch haben wir alle die Chance, uns für die Demokratie und demokratische Parteien stark zu machen. Wie das funktionieren kann und wie politische Meinungsbildung funktioniert, darüber sprechen wir mit der freien Politikjournalistin Sally Lisa Starken in unserer neuen Podcast Folge von „femtastics Deep Dive“.

Das nochmal umzukehren über den Sommer wird eine schwierige Sache. Darum ist dieses Jahr einfach unfassbar wichtig.

femtastics: Warum ist 2024 so ein wichtiges Wahljahr?

Sally Lisa Starken: Am 6. Juni ist hier in Deutschland die Europawahl. Dann gibt es noch drei Wahlen in Ostdeutschland. Hier schauen wir genau hin. Ihr erinnert euch bestimmt an die großen Demos, die Anfang des Jahres nach Veröffentlichung der „Correctiv“ Recherche stattgefunden haben. Die Menschen wollten ein Zeichen gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft setzen.

Gerade in Ostdeutschland sehen die Umfragewerte sehr, sehr besorgniserregend aus. Ich hatte gestern ein Gespräch mit einer Kandidatin einer demokratischen Partei. Sie sagt, die AfD steht gerade bei 35 %. Das nochmal umzukehren über den Sommer wird eine schwierige Sache. Darum ist dieses Jahr einfach unfassbar wichtig. Es wird uns zeigen, was passiert, wenn Rechtsextreme an die Macht kommen und eventuell die Regierung mit bilden – und was das auf der anderen Seite für demokratischen Parteien bedeutet. Also, wie diese anders zusammenarbeiten müssten, um etwas dagegen zu tun.

Bei der Wahl zum Europäischen Parlament im Juni dürfen erstmals in Deutschland auch Menschen ab 16 mitwählen. Ist das eine Chance – oder ein Risiko?

Ich finde, das ist eine super Chance. Ich bin mir ziemlich sicher, alle haben eine politische Meinung, alle bekommen mit, was passiert. Junge Menschen sind mit auf die Straße gegangen, sie waren auf den Demos dabei, sie reden darüber in den Freundeskreis und ehrlicherweise kriegen sie alles über Social Media mit.

Sie brauchen Einordnung, wollen mitreden können und gestalten diese Welt ja auch mit. Warum sollten sie nicht auch wählen dürfen? Darum finde ich das super und glaube, dass das für jede Wahl so sein sollte.

Ich glaube, dass das Menschen mehr mitreißt, wenn sie verstehen, dass sie selber ein Teil davon sind und selber etwas mitgestalten können.

Du arbeitest selbst als Journalistin mit dem Ziel zu zeigen, wie spannend Politik sein kann. Wie gelingt es, Menschen für Politik zu interessieren? Insbesondere jüngere Menschen?

Das funktioniert am besten, indem man erklärt, um was es geht. Wenn man jung ist und etwas zu komplex wird oder man nicht richtig mitgenommen wird bei einem Thema, dann schaltet man ab, weil man das einfach nicht versteht. Man bildet sich vorschnell eine Meinung oder übernimmt andere Meinungen übernimmt.

Ich versuche dem ein bisschen entgegenzuwirken, indem Politik wieder einfach erklärt wird. Das macht super viel Spaß! Und ich glaube, dass das Menschen auch mehr mitreißt, wenn sie verstehen, dass sie selber ein Teil davon sind und selber etwas mitgestalten können und dass sie ihre Zukunft selber irgendwie mit in der Hand haben.

Ehrlicherweise glaube ich nicht, dass unser Problem gerade ist, dass die Menschen nicht an Politik interessiert sind. Das Problem ist eher, dass die Menschen ihre Quellen vielleicht nicht richtig checken oder dass es zu viele Fake News gibt.

Die nächste Wahl steht vor der Tür. Bei dieser Wahl treten Leute an, die Europa abschaffen wollen. Dagegen müssen wir was machen!

Anfang des Jahres gab es nach der „Correctiv“ Recherche bundesweit sehr viele Demos gegen die AfD. Momentan ist es ein bisschen abgeebbt. Warum sind diese Demos so wichtig und was können sie bewirken?

„Correctiv“ hat es geschafft, es so auf den Punkt zu bringen, dass wirklich alle verstehen, um was es gerade geht. Da kann man nicht mehr die Augen vor verschließen, wenn man so klar aufgezeigt bekommt, was das bedeutet. Sie haben die Menschen wach gemacht und gezeigt, dass wir ein Problem mit Rechtsruck in unserer Gesellschaft hatten/haben, anscheinend ist dieses Problem nie so richtig weggegangen. Aber was machen wir jetzt?

Also was ist der Schritt, der daraus folgt? Das beschäftigt mich sehr. Es gibt Schritte, die daraus folgen könnten. Man könnte selber in die Politik gehen, man könnte Aktivist*in werden. Man kann bei der Europawahl wählen. Wir haben das Europaparlament, der Europarat und die Kommission sind beide schon nach rechts abgedriftet. Wir haben in fast allen europäischen Ländern einen Rechtsruck, auch in Ländern wie Schweden, wo es den Leuten eigentlich super gut geht. Das bedeutet, nur noch das Europaparlament kann den Unterschied machen. Und darum ist diese Wahl so wichtig, damit Europa nicht komplett nach rechts rückt. Denn das würde Auswirkungen auf uns alle haben.

Also: Die nächste Wahl steht vor der Tür. Bei dieser Wahl treten Leute an, die Europa abschaffen wollen. Dagegen müssen wir was machen!

Und es muss noch mehr in den östlichen Bundesländern ankommen. Hier passiert viel aktivistische durch Initiativen und Vereine vor Ort. Diese müssen unterstützt werden. Wie stehst du einem AfD Verbotsverfahren gegenüber?

Von meinem ganz persönlichen Gefühl her würde ich sagen, wir brauchen ein Verbotsverfahren. Vor allem deswegen, um einen Riegel davor zu schieben und um zu sagen, wir lassen in dieser Politik nicht alles geschehen. Wir sehen in weiten Teilen rechtsextreme Strömungen, ehrlicherweise ist es gerade auch in der Prüfung, ob die AfD nicht bundesweit rechtsextrem gesichert ist.

Spätestens wenn das rauskommt, bin ich sehr stark dafür. Das Verfahren hat Risiken und Chancen. Risiken können sein, dass dieses Verbotsverfahren sich über Jahre zieht. Es wird also dieses Jahr nichts bewirken, auch nächstes Jahr zur Bundestagswahl wahrscheinlich nichts. Und es kann passieren, dass es nicht funktioniert. Dann hätten wir natürlich eine Täter-Opfer-Umkehr bei der AfD: „Seht her, wir sind ja gar nicht so schlimm! Das Verbotsverfahren hat ja gar nicht funktioniert.“ Damit muss man rechnen. Trotzdem ist es eine Chance, Menschen zu zeigen, dass in diesem Land nicht alles möglich ist.

Das ganze Interview mit Sally Lisa Starken hört ihr in unserer Podcast-Episode!

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Foto: Benny Janzen


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