Kaja Andrea ist eine von den Frauen, denen es selbst über den Bildschirm mühelos gelingt, ihr Gegenüber sofort in ihren Bann zu ziehen. Das war bei einer so außergewöhnlichen Beruf(ung)sbezeichnung wie der ihren – Kaja ist „Ahnenheilerin“ – vielleicht auch zu vermuten. Jedenfalls dauert es nur einen Bruchteil einer Sekunde und wir sind total fasziniert von ihrer Ausstrahlung, der sofort eine tiefe Verbundenheit und Weisheit mitschwingt. Daran soll sich auch im Laufe des Gesprächs nichts ändern – wir hätten mit Kaja Andrea ewig über ihre Sicht auf das Leben, den Tod, unseren Glauben, unsere Geschichte, das Frausein und die feministische Bewegung reden können. Es ist kein Wunder, dass Kaja dazu einiges zu erzählen weiß, denn sie beschäftigt sich seit ihrer Kindheit mit Weiblichkeit, Selbstheilung und Ahnenkraft. Was das Ganze mit spirituellem Feminismus und Epigenetik zu tun hat und was uns in ihrem neuen Buch „Du bist die Antwort auf deine Fragen“ erwartet, darüber sprechen wir im Interview.
Kaja Andrea: Ich hatte immer schon einen ausgeprägten Gerechtigkeits- und einen Ordnungssinn, einfach dieses Bedürfnis, dass die Dinge „richtig“ sein müssen. Die Gesellschaft, in der wir leben, gehörte nicht dazu. Ich habe sie eigentlich schon immer nicht so recht verstanden. Als Kind habe ich immer gedacht, ich würde gerne Bundeskanzlerin werden, einfach weil ich der Überzeugung war, dass das doch eigentlich gehen muss. Ich hab auch relativ schnell gemerkt, dass Weiblichkeit in Spiritualität kaum eine Rolle spielt. Als ich groß geworden bin, gab es klassischerweise noch den Gott. Ich hab mich damals sogar taufen lassen, damit Gott mich lieb hat. Das war die Aussage, die uns damals vermittelt wurde – wer getauft ist, wird von Gott geliebt. Natürlich habe ich mit diesem Bild gehadert, dem Bild des männlichen, erhabenen Gottes – auch wenn wir uns ja kein Bild machen dürfen. Ich habe gedacht: „Was ist mit mir? Ich gehöre da gar nicht dazu.“. Das war der Moment, in dem sich der spirituelle Feminismus für mich herauskristallisiert hat.
Feminismus empfinde ich als Muss in unserer Gesellschaft und gleichzeitig habe ich gemerkt, dass es essentiell ist, sich mit dem Femininen in der Spiritualität auseinanderzusetzen und der Art und Weise, wie wir unsere Welt wahrnehmen. Also habe ich angefangen, zu recherchieren und hatte das Glück, dass ich auch eine Mutter habe, die in dem Bereich unterwegs ist. Deswegen habe ich schon früh Bücher gelesen, durch die ich gemerkt habe, dass die Dinge auch anders gewesen sein könnten als es uns vermittelt wird. Ich habe gemerkt, dass es eine Zeit mit viel mehr Weiblichkeit und Gleichberechtigung von Mann* und Frau* gab – auch im Spirituellen und ich glaube, es ist längst überfällig, dass wir das wieder einfordern. Das Politische mit dem Spirituellen zu verbinden, macht für mich den spirituellen Feminismus aus. Mir hat bei all meinen politischen Aktivitäten immer der andere Teil gefehlt, die Spiritualität. Beim spirituellen Feminismus fließt beides zusammen.
Feminismus empfinde ich als Muss in unserer Gesellschaft und gleichzeitig habe ich gemerkt, dass es essentiell ist, sich mit dem Femininen in der Spiritualität auseinanderzusetzen und der Art und Weise, wie wir unsere Welt wahrnehmen.
Genau. Meine Rolle als Ahnenheilerin ist dadurch entstanden, dass ich als Kind immer das Gefühl hatte, von Menschen oder Wesen umgeben zu sein, die mir gut gesonnen sind. Das fühlte sich immer an wie eine sehr vertraute Energie, die so genannte „Ahnenenergie“. Nur war ich in meinem Umfeld weit und breit damit anscheinend die Einzige. Das hat sich irgendwann ein bisschen ausgeschlichen. Meine Mutter hat damals Krebs bekommen als ich erst vier Jahre alt war. Die Schulmedizin hat ihr gesagt, sie solle sich von ihren Kindern verabschieden und nochmal einen schönen Urlaub machen. Damit hat sie sich aber nicht abfinden wollen und ist damals in eine psychosomatische Klinik gegangen, was in den 80er-Jahren noch total crazy war. Dort ist sie auf ihren spirituellen Weg gekommen und dadurch hatte ich den Bonus, dass meine Erlebnisse nicht mehr so verrückt waren und ich mich in diesem Bereich entwickeln konnte.
Ich bin seitdem immer wieder mit Ahnen in Verbindung gekommen, habe immer das Gefühl gehabt, da ist jemand um mich herum. Als ich dann mein Coaching-Business starten wollte – ich hatte schon immer ein großes Thema mit Sichtbarkeit, Stichwort: nach vorne gehen und Stimme erheben – habe ich gemerkt wie sich mein ganzer Körper zusammenzieht und wehrt. Da habe ich gewusst, dass in mir etwas ist, das nicht meins ist und auf einmal ergab alles Sinn. Plötzlich kamen diese Bilder von mir als kleines Kind wieder hoch, als ich das Gefühl hatte, nicht allein zu sein. Mir wurde klar, dass etwas Größeres durch mich fließt – in Form von Erfahrungen, Wissen und unterschiedlichen Themen meiner Ahnen. Also habe ich angefangen, das Thema aktiv anzugehen und zu merken, wie viel es in mir bewegt und wie viel es auch in den Frauen bewegt, mit denen ich arbeite.
Meine Rolle als Ahnenheilerin ist dadurch entstanden, dass ich als Kind immer das Gefühl hatte, von Menschen oder Wesen umgeben zu sein, die mir gut gesonnen sind.
Jein. Ich habe schon immer versucht, „normal“ zu sein, weil die große Herausforderung für mich war, dass es damals immer nur „entweder oder“ gab: entweder du bist total abgedreht oder du bist total normal. Es gab nichts, wo diese beiden Welten – die ja auch als solche dargestellt werden und eigentlich eins sind – zusammenzupassen schienen. Ich bin deswegen wie ein Ping-Pong-Ball hin und her gesprungen. Meine Herausforderung und ewig innerer Kampf war es, diese Spiritualität, die in mir ist, das Sehen und Wahrnehmen können, diese Weisheit mit einer ganz anderen Seite von mir zusammenzubringen. Denn ich finde es auch einfach schön, im Café zu sitzen, ein Croissant zu essen, Zeitung zu lesen, mir manchmal meine Fingernägel anzumalen – diese ganzen Dinge, die ein „normales“ Leben mit ausmachen und die aber laut Erwartungen nicht zu der anderen Seite passen.
Ich habe einerseits sehr spirituelle Veranstaltungen gemacht, auf der anderen Seite habe ich im Europa-Parlament gearbeitet. Dann kam wieder so eine Phase, dann wieder eine andere. Mein einziger „richtiger“ Job war, als ich ein europäisches Programm für eine Non-Profit-Organisation gemanaged, aber eben schnell gemerkt habe, dass die Strukturen für mich so nicht funktionieren. Also habe ich auf mich gehört und versucht, diese zwei Welten zusammenzubringen.
Im Moment lautet das Paradigma: Mach‘ dein Ding, kreier‘ dir deine ganz eigene Welt. Aber dabei müssen wir erkennen, dass wir sieben Generationen zurück und in die Zukunft Einfluss nehmen können.
Für mich ist diese neue Welt die, in der wir wieder erkennen, dass wir Teil von etwas Größerem und Ganzem sind. Und das meine ich gar nicht nur im ätherischen Sinne, sondern auch im physischen und im emotionalen – im ganzheitlichen Sinn. Dazu gehört auch die Ahnenheilung. Zu erkennen, dass wir alle Teil einer Linie sind, die schon so lange zurückreicht und auch noch lange weiter laufen wird – unabhängig davon, ob wir physiologische Kinder in die Welt setzen. Ich habe selbst zum Beispiel keine Kinder, aber Neffen. Zu verstehen, dass nichts, was ich tue, isoliert geschieht – das ist für mich die neue Welt.
Im Moment lautet das Paradigma: Mach‘ dein Ding, kreier‘ dir deine ganz eigene Welt. Aber dabei müssen wir erkennen, dass wir sieben Generationen zurück und in die Zukunft Einfluss nehmen können. Wichtig bleibt die Erkenntnis: Alles, was ich tue, beeinflusst die, die nach mir kommen und auch ich bin beeinflusst von denen, die vorher da waren. Es ist meine Aufgabe, eine gute Ahnin zu sein, und zwar schon im Hier und Jetzt und nicht erst, wenn ich nicht mehr bin – und damit ändert sich, wie wir in die Welt gehen. Als Beispiel: Ich schmeiße so lange Plastik in den Ozean, solange ich nur an mich denke. Wir wissen, dass der Klimawandel passiert, aber er wird mich vielleicht nicht gravierend betreffen. Was die Textilindustrie hinterlässt an zerstörerischen Zuständen, das ist mir egal, das krieg‘ ich ja nicht mehr mit. Aber in dem Moment, wenn ich in Generationen denke, in Linien, in Gemeinschaft, funktioniert das nicht mehr – und das ist mein Anliegen. Dass wir aus unserer westlichen Perspektive nicht immer nur denken: Ich, Ich, Ich!
Alles, was ich tue, beeinflusst die, die nach mir kommen und auch ich bin beeinflusst von denen, die vorher da waren.
Für mich ja. Sich wieder zu verwurzeln, bedeutet zu sehen, dass es etwas gibt, das mich nährt. Ich benutze in meinem Buch das Bild des Baumes und finde das sehr kraftvoll: Wenn ich das bin, was sichtbar ist – der Stamm – dann sind die Wurzeln das, was mich nährt und ich muss mich mit diesen Wurzeln verbinden, damit ich in die Höhe wachsen kann. Aus dem Stamm entwächst dann die Krone, gut genährt vom Unsichtbaren unter der Erde, wo das entsteht, was andere zum Staunen bringt: die Früchte. Und diese Früchte frei in die Welt zu tragen, sodass wieder etwas entstehen kann, das heißt für mich „Re-Rooting“.
Auch zu erkennen, dass die christliche Sichtweise der Welt mit ihrer Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit und der Diskriminierung von Frauen nicht unsere wahre Spiritualität ist. Dass das Gesellschaftssystem, in dem wir leben, keine Naturgegebenheit ist, sondern es etwas gibt, was davor und anders war. Das heißt nicht, dass wir dahin wieder zurückgehen müssen – ich bin froh um die Errungenschaften, die wir haben, dass ich eine Heizung habe und Internet und fließendes Wasser. Aber die Erkenntnis kann uns daran erinnern, vielleicht gerade gar nicht da zu sein, wo wir wirklich verwurzelt sind, sondern immer nur ein System wiederholend. Sich in seiner Weisheit zu verwurzeln und diese weitergeben zu können, schürt Gemeinschaft. „Re-Rooting“ bedeutet also Verbundenheit, wonach ja fast jede*r sucht.
Nach außen wirkt das gar nicht so spektakulär. Wir treffen uns über Zoom und suchen entgegen unserer sonstigen Vorgehensweise nach der Wurzel eines Themas. Dazu vielleicht auch wieder ein Blick in unsere Gesellschaft: Wenn wir Kopfschmerzen haben, nehmen wir eine Kopfschmerztablette, damit ist das Thema dann gelöst. Sprich, ich habe ein Symptom, es gibt ein Mittel gegen das Symptom und damit ist es erledigt. Aber wir wissen mittlerweile auch, so richtig stimmt das nicht, weil es wieder Kopfschmerzen geben wird. Wir nehmen uns ganz oft nicht die Zeit, genauer hinzuschauen und uns Fragen zu stellen wie: Hätte ich heute mehr trinken sollen? Was ist vielleicht die letzten Wochen los gewesen? Ist das Wetter oder der Mond merkwürdig? Was auch immer es sein mag – in dem Moment bin ich wieder Teil von etwas Ganzem, was nicht zur Ich-bezogenen Ideologie passt. Und das ist, was wir in den „Re-Rooting-Sessions“ machen.
Die Frauen bringen ein Thema mit – quasi das Symptom – und wir analysieren gemeinsam, was die Wurzel ist und an welcher Stelle diese Wurzel heilen darf. Das kann ein bestimmtes Verhalten sein, wiederholende Gedanken, Blockaden, die man immer wieder spürt oder Situationen, die einem immer wieder begegnen. Und da spielen auch die Ahnen immer wieder eine Rolle, vielleicht auch das eigene Mindset, weil sich da sozusagen alle drei Zeitebenen begegnen und wir diese zusammenbringen und auflösen.
Es gibt auch Frauen, die sagen: „Ich weiß gar nicht, warum ich hier bin, aber ich habe das Gefühl, das ist jetzt gut.“. Sehr oft ist es auch so, dass sie auf Empfehlung kommen. „Mir hat eine Freundin gesagt, ich soll das mal machen, ich weiß gar nicht so richtig, warum.“. Wenn wir dann zu sprechen anfangen, zeigt sich relativ schnell etwas und ein Thema kommt hoch. Es muss also nicht immer ein konkretes Thema sein, machmal reicht es auch zu sagen: Irgendwie läuft es nicht, irgendwas passt nicht, irgendwas ist im wahrsten Sinne des Worte „verrückt“ – können wir das wieder richtig rücken? Und dann rücken wir es wieder richtig!
Wir brauchen nicht nur Technologie, sondern es geht darum, sich selbst wieder anzubinden.
Die Völvas waren oder sind – ich kenne durchaus Frauen, die das in der modernen Zeit machen – Frauen, die damals vor der Christianisierung in Europa im germanischen Raum unterwegs waren und eben genau diese beiden Aspekte zusammengebracht haben, von denen ich eben geredet habe: das Weltliche und das Spirituelle. Sie waren zum einen spirituelle Führungspersönlichkeiten, die in vielen Belangen zu Rate gezogen worden. Es heißt, sie konnten in die Zukunft schauen und wurden von den Chiefs, den Führern oder den Häuptlingen – je nachdem in welchem kulturellen Kontext – vor wichtigen Entscheidungen immer hinzugezogen. Man ist zum Beispiel nie in den Krieg gezogen, ohne vorher eine Völva zu fragen. Das heißt nicht, dass diese den Ausgang vorausgesehen hat, sondern sie wurde als strategische Beraterin mit einbezogen. Ich habe als Kind immer dieses Bild von mir gesehen, wie ich mit einem Stab durch den Wald laufe und fand das voll stimmig – und irgendwann ist mir die Völva begegnet und es machte „klick“. Das war für mich einer der Schlüssel, als ich gemerkt habe, ich kann die beiden Welten zusammenbringen, sie waren schonmal zusammen, weil sie zusammen gehören und zwar auf dem Boden, auf dem wir uns heute bewegen. Da, wo viele meiner Ahn*innen herkommen, existierte das schonmal.
Germanische Völvas waren so bekannt, dass sie teilweise bis nach Ägypten angestellt wurden. Auch das fand ich so interessant, weil wir heute das Bild vor Augen haben, mit Spiritualität kein Geld verdienen zu dürfen. Anzuerkennen, dass es diese Frauen gab, die geachtet wurden in ihrer Weisheit, Kraft, strategischen Logik, das ist ein großer Schritt. Ebenso zu erkennen, wie uns Frauen das systematisch genommen wurde und dass wir uns das erst wieder erkämpfen müssen.
„Völva“ heißt wörtlich „die Frau mit dem Stab“ oder eben „die Stabträgerin“. In anderen Regionen hießen sie „Vanas“ oder „Vallas“. In der nordischen Spiritualität ist es der Begriff „Völva“, der mittlerweile für alle verwendet wird.
Ja, genau. Und das ist auch Teil des „Re-Rootings“, das aufzubrechen, sich daran zu erinnern, dass die Geschichte, die uns erzählt wird, eben auch nur eine Geschichte ist. Die Geschichten, die wir heute kennen, sind von Menschen geschrieben, die schreiben konnten, was meistens Männer waren, und im Zweifelsfall war derjenige, der die Geschichte aufgeschrieben hat, auch abhängig von dem, der die Herrschaft hatte. Es ist also immer eine sehr einseitige Sicht auf die Dinge.
Mittlerweile ist das Thema wirklich mehr Mainstream geworden. Auch hier wird wieder unsere Diskrepanz als Gesellschaft sichtbar: weil die Wissenschaft sich jetzt damit auseinandersetzt, können wir es endlich glauben, vorher war es nur die alte traditionelle Heilkunde, die wir stets anzweifeln. Oft ist es so, dass Menschen zu mir kommen und sagen, da ist etwas, was nicht meins ist, weil sie mit dem Thema schonmal Berührung hatten oder in ihrer Familie Themen wahrnehmen. Diese inter- oder sogar transgenerationalen Traumata sind in allen von uns aktiv – das betrifft nicht nur einige Menschen. Ein einfaches Beispiel, das ich gerne zur Hand nehme, ist der Fliegeralarm. Laute Sirenen lösen bei mir immer Panik aus, obwohl ich keine Erfahrung damit habe. Meine Mutter ist aber im Bombenhagel geboren – das heißt, das ist das erste, was bei ihr triggert und das sitzt auch in mir.
Als erstes schauen wir, was die Emotion dazu ist und wo wir sie im Körper verorten können, weil es um die Informationen geht, die auf der DNA liegen, die entweder angetriggert sind oder nicht. Meine Schwester kann ein Trauma haben, das angetriggert ist, was bei mir nicht aktiv ist und vice versa. Dann verbinden wir uns mit der Emotion, um hineinzuspüren – ist sie meine oder gehört sie jemand anderem? Danach fangen wir an, in die Arbeit mit den Ahnen zu gehen. Dabei wird es natürlich so sein, dass wir Dinge nicht mehr unbedingt logisch nachvollziehen können, weil wir ziemlich sicher die Großmutter fünf Generation zurück nicht mehr kennen. Die meisten Frauen sagen im Anschluss, sie haben ihren Körper noch nie so gespürt. Und dann gucken wir: Woher kommt das, was stand dahinter? Manchmal geht es aber auch einfach darum, dass ein Trauma in der Familie anerkannt werden darf.
Es ist mir immer total wichtig, die Brücke zu schlagen und das zusammenzubringen: Wenn es das eine gibt, gibt es auch das andere. Wir haben immer die Tendenz, nur auf die schweren Dinge zu gucken, auf das, was wir nicht haben oder auf das, von dem wir weg wollen. Und gleichzeitig gibt es ja etwas, wo wir hin wollen. So wie jede Münze zwei Seiten hat, gibt es auch beide Qualitäten in der Ahnenlinie. Im Buch nenne ich das den „Ahnenmentor“ – das sind für mich diejenigen, die ein Stück unseres Weges mitgehen, mit denen wir uns ganz bewusst verbinden können. Viele sind überrascht, wie klar sie auf einmal Botschaften empfangen oder sich auf Fertigkeiten und Fähigkeiten einlassen können, von denen sie gar nicht wussten, dass sie sie haben. Als ob man etwas aktiviert hat, was jetzt wieder fließen darf. Was vielleicht vorher nicht fließen durfte, weil das Trauma größer war als die Weisheit.
Ja! Im Prinzip ist mein Buch eine Einladung dazu. Was ich damit meine ist: Ich bin dankbar für die Technologie, die wir haben, die uns ja auch ermöglicht, heute so sprechen zu können. Diese Technologie für sich zu nutzen, ist ganz wunderbar. Was ich allerdings beobachte, ist, dass wir alles immer weiter optimieren und hoch stilisieren wollen und in der Technologie die Lösung für alles suchen. Nur finden wir sie da nicht. Und deswegen sage ich: Wir brauchen nicht nur Technologie, sondern es geht darum, sich selbst wieder anzubinden.
Im Buch gibt es dafür zum Beispiel den „Ahnenaltar“, der eine Möglichkeit ist, einen Ort zu schaffen, wo wir unseren Fokus wiederfinden können, wo wir unsere Energie spüren, wo wir mit etwas, das größer ist als wir selbst, wieder in Kontakt treten können. Zeremonien können ganz kleine Dinge sein. Wir reden ja zum Beispiel nur noch von „Kontakten“, gar nicht mehr von „Beziehungen“, wenn es um Technik geht – ob ich ganz viele Follower habe, ganz viele Kontakte online. Wichtig ist jedoch, was meine Seele wirklich nährt, ob ich selbst mit etwas verbunden bin, in das ich mich fallen lassen kann, in dem ich mich gehalten fühle, in das ich vertrauen kann. Das finden wir nicht mehr in der Technologie, das finden wir in der Zeremonie. Gerade jetzt so kleine Momente zu finden, sich morgens hinzusetzen, eine Kerze anzuzünden, eine Tarot-Karte zu ziehen, ohne eine Pflicht daraus zu machen, um etwas zu optimieren. Oder sich einfach unter einen Baum zu setzen – das kann auch eine Zeremonie sein – und einzuatmen und sich dafür Zeit zu nehmen.
Im Prinzip ist es eine Reise in drei Teilen, auf die wir gehen. Im ersten Teil geht es darum, unsere Ahnen wieder zu entdecken, uns zu verbinden. Dafür gibt es immer wieder praktische Impulse – Einladungen, inne zu halten, zu reflektieren, sich Notizen zu machen. Mir war wichtig, dass es ein Handwerkszeug ist, das immer wieder verwendet werden kann. Und dann gibt es verschiedene Reisen und Zeremonien, mit denen wir Traumata auflösen, uns mit dem Ahnenmentor verbinden, alles Dinge, die es auch als Download gibt. Im zweiten Teil geht es um die eigene Vision und das Überprüfen der eigenen Vorstellung davon, wie die Welt zu sein hat – von den Wurzeln zum Stamm zu schauen. Was möchte ich eigentlich in die Welt bringen? Ich nenne das gerne die Visionsfindung anstatt die Visionssuche. Im dritten Teil geht es um die Baumkrone, um die Fragen: Wie kann ich jetzt eine gute Ahnin sein, wie kann ich meine Erkenntnisse in die Welt bringen? Wie kann ich dieses Aha-Momentum verkörpern? Vor allem als Frauen*, weil wir nunmal immer noch in einem System leben, das ursprünglich von Männern für Männer gemacht wurde und nicht für uns.
Hier findet ihr Kajas Buch: „Du bist die Antwort auf deine Fragen“