Rettet die Schwarzbären in Asien – Tierschützerin Tina Muffert

21. Februar 2017

In China werden Schwarzbären jahrzehntelang in winzigen Käfigen gehalten, um ihnen bei einer schmerzhaften Prozedur Gallensaft für die traditionelle chinesische Medizin abzuzapfen. Geschätzt wird, dass allein in China über 10.000 Bären in Bärengallefarmen elendig vor sich hin vegetieren. Tina Muffert, 44, beschließt vor über zehn Jahren ihren Job bei der „NDR Talkshow“ an den Nagel zu hängen und sich verstärkt dem Tierschutz zu widmen. Heute macht sie unter anderem Pressearbeit für Animals Asia. Die Organisation setzt sich für die Schließung der Bärengallefarmen in China und Vietnam ein. Wir sprechen mit Tina über ihre Arbeit, das Leid der Tiere und wie wir alle mehr für den Tierschutz tun können.

femtastics: Du hast jahrelang als Redakteurin für die „NDR Talkshow“ gearbeitet. Heute arbeitest du unter anderem als internationale Pressesprecherin für die Tierschutzorganisation Animals Asia. Wie kam es zum Wendepunkt in deinem Leben?

Tina Muffert: Ich habe damals bei der „NDR Talkshow“ über einen Gast von mir, Alexandra Oetker, von Animals Asia erfahren. Ich habe mir Material zukommen lassen und ein Film hat mich so berührt, dass ich hinfahren und eine Reportage über die Bären machen wollte. Es war zwar alles fein beim NDR, aber ich suchte nach einer neuen Herausforderung. Ich war dort von 1997 bis 2006 tätig. Ich hatte Lust auf etwas anderes und die Aktivistin kam durch, die ich schon immer war.

Ich war noch nie von etwas so eingenommen: Auf der einen Seite war das große Leid der Bären schockierend, auf der anderen Seite hat sich bei mir eine Kraft entwickelt – ich wollte unbedingt etwas ändern.

Also hast du dich auf den Weg gemacht.

Ich habe mich zusammen mit einer Krisen- und Kriegsfotografin und Alexandra Oetker, Schirmherrin von Animals Asia, auf nach China gemacht – von dem Tag an hat sich mein Leben verändert. Die Erlebnisse haben mich tief berührt und meine Grundfeste erschüttert. Ich war noch nie von etwas so eingenommen: Auf der einen Seite war das große Leid der Bären schockierend, auf der anderen Seite hat sich bei mir eine Kraft entwickelt – ich wollte unbedingt etwas ändern.

Wie ging es nach deiner Rückkehr weiter?

Die Reportage lief sehr erfolgreich in zwei Magazinen. Der Kontakt zur Gründerin von Animals Asia, Jill Robinson, ist nie abgebrochen, wir waren von Anfang an relativ eng in Verbindung.

Als ich dann meine Kinder bekommen habe, hörte ich beim NDR auf und arbeitete als freie Print-Redakteurin. Ich habe Reportagen aus Afghanistan, Indien und Kanada und auch viel PR-Management für Prominente und Verlage gemacht und meine Firma Muffert Media gegründet. Als die Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, habe ich mich wieder bei Jill gemeldet und sie gebeten, dass sie mich auf dem Laufenden hält. Wenige Monate später klingelte mein Telefon – Animals Asia suchte jemanden für Presse und PR. Das war vor zweieinhalb Jahren.

Teilweise haben die Bären fast kein Gesicht mehr, weil sie sich aus Verzweiflung selbst verstümmeln.

Was macht Animals Asia genau?

Animals Asia ist eine Tierschutzorganisation, die drei Hauptprogramme hat. Das große Ziel ist die Schließung der Bärengallefarmen in Asien beziehungsweise in China und Vietnam. Das zweite Programm ist der Schutz von Hunden und Katzen. Wir versuchen nicht nur die Hundefleischindustrie einzudämmen, sondern den Leuten auch klar zu machen, dass sie im Grunde einen Freund essen. Wir wollen das Thema also auf eine emotionale Ebene heben. Wenn du in China mit deiner Hündin Helle in einem Café unterwegs wärst, musst du, ganz krass gesagt, damit rechnen, dass sie geklaut, geschlachtet und gegessen wird. Das dritte Programm ist der Schutz von Tieren in Gefangenschaft. Wir arbeiten ganz eng mit Safari Parks und Zoos zusammen. Wir versuchen den Tieren dort ein besseres Leben zu bieten, indem wir das Zoopersonal, Tierärzte und Fachkräfte schulen und Kongresse geben. Wir können die Tiere ja leider nicht alle retten.

Animals-Asia-Baerengalle

Die Schwarzbären werden über Jahrzehnte in winzigen Käfigen gehalten. Bei einer schmerzhaften Prozedur wird ihnen Gallensaft für die traditionelle chinesische Medizin abgezapft.

Was genau passiert in den Bärengallefarmen?

Die Tiere sind bis zu dreißig Jahre lang in engen Käfigen eingequetscht, um zweimal täglich für den Saft beziehungsweise ihre Galle „gemolken“ zu werden. Sie sind total krank, dehydriert und voller Tumore. Teilweise haben die Bären fast kein Gesicht mehr, weil sie sich aus Verzweiflung selbst verstümmeln. Sie versuchen jahrelang die Käfige aufzubeißen, sie haben offene Frakturen und Wunden an der Schnauze. Ich habe das gesehen, gerochen und gehört.

Löwenzahn hat zum Beispiel anteilig die gleichen Inhaltsstoffe wie Bärengalle.

Wie geht Animals Asia gegen die Farmen und das Leid vor?

Wenn man nicht über die emotionale Schiene an die Abnehmer von Produkten, die Bärengalle enthalten, herankommt, muss man ihnen deutlich machen, dass das, was sie einnehmen, trinken und benutzen, eine Gesundheitsgefahr ist. Die Bärengalle ist mit Eiter, Blut und Krebszellen verseucht.

Wofür wird die Galle benutzt?

Bärengalle wird in Asien in Zahnpasta, Wein, Schönheitsprodukten und Tabletten verarbeitet. Die junge Generation ist besonders wichtig für uns. Da gibt es in China gerade große Umbrüche, noch mehr allerdings in Vietnam, weil die Gesellschaft dort in dieser Hinsicht viel weiter ist. Die junge Generation sagt: Wir wollen das nicht mehr, wir wollen das abschaffen, weil es so grauenhaft und vor allem überflüssig ist. Mit Bärengalle werden keine Menschenleben gerettet und es gibt über 50 Ersatzstoffe, synthetisch wie pflanzlich. Löwenzahn hat zum Beispiel anteilig die gleichen Inhaltsstoffe wie Bärengalle.

Was ist euer Hauptziel?

Unser Hauptziel ist die Schließung der Bärengallefarmen, davon gibt es leider noch viel zu viele in China. Durch die Arbeit von Animals Asia, die dort seit fast 20 Jahren aktiv und in Asien mit die bekannteste Tierschutzorganisation ist, ist die Industrie tatsächlich eingebrochen. Durch Aufklärungs- und Bildungsarbeit haben wir es geschafft, das Thema Bärengallefarmen zu den zehn meist besprochenen Themen in den chinesischen Medien zu machen. Das ist gut, weil das Land groß ist und viele Probleme hat. In China und Asien wissen mittlerweile sehr viele Menschen, was es bedeutet, Bärengalle zu verkaufen beziehungsweise zu kaufen.

Anmals-Asia-Rettung

Die Rettung eines Schwarzbären.

Wie aufwendig ist eine Rettungsaktion von Bären? Mit welchen Hürden habt ihr vor Ort zu kämpfen?

Wir arbeiten nicht mit den Farmern direkt zusammen, das macht die Regierung selber. In Vietnam hat der Premierminister vor vielen Jahren angeordnet, dass Bärengallefarmen abgeschafft werden sollen. In China ist das sehr viel schwerer. In China gibt es jetzt das erste Mal ein Tierschutzgesetz.

In der Regel bekommen wir einen Anruf von einem Regierungsvertreter, der uns informiert, wo wir die nächste Rettung durchführen dürfen und um viele Bären es sich handelt. Dann müssen wir ganz schnell das Team bilden, das hinfährt – das ist sehr viel Papierarbeit. Wir wissen nie, was uns erwartet, wenn wir auf der Farm ankommen und, ob die Bären den Transport überstehen. Wir fahren oft 1.300 Kilometer mit unserem Konvoi, den ganzen Käfigen und den Tierärzten und Tierschwestern. Wir sind immer mit circa sechs bis acht Leuten unterwegs. Teilweise haben wir auch noch Presse- und Fernsehteams dabei. Wenn wir ankommen, ist es jedes Mal anders, auf jeden Fall sind immer Leute von der Regierung, Polizisten und Aufpasser dabei.

Wie geht ihr vor Ort genau vor?

Wir sind meistens nicht gern gesehen. Die Bären kriegen vor Ort direkt einen Gesundheitscheck. Je nachdem wie sie aussehen, werden sie sofort in Narkose versetzt und in unseren Transportkäfig gesetzt. Es gibt Bären, die es nicht erwarten können, gerettet zu werden, die gehen von alleine in den Transportkäfig. Das ist ein Riesenschritt für die Bären. Wir haben deshalb auch Käfige, in denen sie sich bewegen können, die aber nicht zu groß sind, weil zu viel Platz Angst macht. Sie bekommen das erste Mal frisches Wasser, anständiges Futter wie Obst und Gemüse, Bananenstauden zum Nestbau und einen Wasserschlauch zum Nassspritzen. Bären brauchen eigentlich immer Wasser – und in Gefangenschaft kommen bekommen sie oft jahrzehntelang zu wenig Wasser.

Es geht darum, dass die nächste Generation es besser macht, Verantwortung übernimmt und nicht wegguckt.

Wie überzeugt Animals Asia beziehungsweise die Regierung die Farmer ihre Bärengallefarmen zu schließen?

Die Farmer bekommen von der Regierung eine Kompensation. Sie müssen weiterleben können, das sind oft Familienväter. Das ist auch ein Kernpunkt unserer Arbeit. Wir sagen nicht: “Die bösen Chinesen” – so kommen wir alle nicht weiter. Wenn wir etwas zusammen schaffen wollen, müssen wir auch etwas zusammen machen – auch wenn wir ganz unterschiedliche Meinungen haben und es verdammt schwer ist, sich zurückzunehmen, weil man es manchmal gar nicht aushält.

Gibt es ein Ereignis, das dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

2014 gab es ein tolles Ereignis, das war einmalig in der Geschichte von Animals Asia. Uns hat ein Farmer angerufen und gesagt: “Meine 20-jährige Tochter hat gesagt, ich soll meine Bärenfarm schließen, sonst redet sie nicht mehr mit mir. Ich möchte sie jetzt schließen. Bitte übernehmt die Bären.” Das war eine große Farm mit 130 Bären. Dann stehen wir natürlich vor einem riesengroßen logistischen Aufwand. Wir haben die Bären damals aber alle übernommen.

Das ist die neue Generation, deshalb haben wir auch Hoffnung. Es geht darum, dass die nächste Generation es besser macht, Verantwortung übernimmt und nicht wegguckt. Jede Rettung zeigt der Welt eine Alternative, jeder Bär ist es wert gerettet zu werden.

Bär Goldie hat es geschafft und lebt jetzt in der Rettungsstation von Animals Asia.

Wie muss man sich eure Rettungsstationen für die Bären vorstellen?

Wir haben zwei Rettungsstationen, eine in China, eine Vietnam, wo wir 378 Bären betreuen. Dort sind sie bis zum Ende ihre Lebens und bekommen medizinische Versorgung. Fast alle sind krank, haben aber ein gutes Leben. Nach der Eingewöhnung kommen sie in die Außengehege mit Bambuswald. Unsere Tierforscher und Tierärzte beobachten die Bären ganz genau und wissen, welche Bären zusammen passen. In China sind wir mittlerweile ein großer Arbeitgeber, wir beschäftigen viele Bärenpfleger.

Sind Bären nicht Einzelgänger?

In der Natur sind sie aufgrund der Futtersuche Einzelgänger – bei uns leben sie in Gruppen zusammen. Sie haben keine Futternot und deshalb gibt es kleine Gangs, Liebespaare und Familien bei uns.

Animals-Asia-Interview

Die Bären, die von Animals Asia gerettet wurden, hatten großes Glück – allein in China warten geschätzt noch 10.000 Schwarz- und Sonnenbären auf ihre Befreiung von den Bärengallefarmen.

Gibt es die Möglichkeit, die Tiere irgendwann auszuwildern?

Das können wir nicht, die Bären haben für ein Leben in der Wildnis alle Instinkte verloren und würden nicht überleben. Sie wüssten schlichtweg nicht, wie.

Wie finanziert sich Animals Asia?

Wir sind eine NGO und finanzieren uns mit Spendengeldern.

Was treibt dich an, wenn es mal Rückschläge gibt? Kannst du immer abschalten oder denkst du oft an die Tiere?

Ich kann das total gut ablegen. Viele Dinge nehmen mich mit, das kommt aber auf meinen persönlichen Zustand an. Wenn man die Zustände live in Farbe sieht, ist es immer etwas Anderes. Wenn mich ein Tier anguckt und ich es zurücklasse, weil ich es nicht retten kann, fühle ich mich schlecht. Ich habe aber gelernt, dass jedes Tier und jede Organisation nur etwas von mir hat, wenn ich einen Ausgleich habe – und das sind meine Familie und andere Interessen wie Design, Architektur, Fotografie und Reisen.

Viele Menschen wollen sich mehr für den Tierschutz engagieren, wissen aber nicht wie und für welchen Verein. Hast du ein paar konkrete Tipps?

Spenden ist immer super, ohne Spenden würden die Organisationen nicht bestehen und die Leute könnten da nicht arbeiten. Es ist auch ein völliger Irrglaube, dass fünf Euro nicht helfen – es sind die kleinen Spenden, die die Masse machen. Was zum Beispiel auch hilft, ist, wenn du eigene Events organisierst, was viele von unseren Unterstützern tun. Oder man wünscht sich zum Geburtstag oder zur Hochzeit statt Geschenken eine Spende an eine Organisation. Du kannst Sachgeschenke machen, du kannst dich für das Freiwilligenprogramm melden. Bei den NGOs läuft ganz viel über Praktika und Freiwilligenarbeit, ohne unsere Freiwilligen könnten wir einpacken. Es ist auch wichtig, Tierschutz oder Tierleid bekannt zu machen und Bewusstsein zu schüren.

Letztes Jahr hast du das Yoga-Label Qwatslama gegründet. Einen Teil des Gewinns spendest du an Umweltschutzorganisationen. Was steckt genau dahinter?

Die First Nations, also die indigene Bevölkerung Kanadas, haben mich schon immer mit ihrer Spiritualität, Achtsamkeit, dem Streben zurück zum Wesentlichen sowie der Entschleunigung beeindruckt. Das, was bei uns seit zehn, fünfzehn Jahren “en vogue” ist, leben die seit Jahrtausenden. Ich habe viel darüber gelesen und vor Ort viele First Nations kennengelernt. Diese tiefe Verbindung zur Natur, zum Meer und zu den Tieren spüre ich auch.

Ich habe einen indianischen Künstler kennengelernt, der die Totems, die Krafttiere der Indianer, zeichnet. Jedes Tier hat eine bestimmte Bedeutung, einen bestimmten Spirit. Jeder Clan hat sein Clan-Tier, das für bestimmte Eigenschaften steht.

Dann habe ich überlegt, wie ich den Spirit von dort in den hiesigen Alltag übertragen kann und habe letztes Jahr, gemeinsam mit zwei Freundinnen das Yoga-Label Qwatslama gegründet. Die Shirts sind komplett bio und fairtrade. Es ist mein Herzensprojekt – ich mag den Gedanken, dass man ein Shirt mit Botschaft trägt. Einen Teil des Gewinns spenden wir an Umweltschutzorganisation.

Das klingt spannend! Welche Organisationen unterstützt ihr?

Wir haben drei Organisationen herausgesucht, die die Werte der First Nations vertreten: Den Naturschutzbund Deutschalnd, kurz NABU, die kanadische Organisation For Whales.org und Robin Wood, die seit Jahrzehnten für den Erhalt der Regenwälder kämpft.

Vielen Dank für das Interview, liebe Tina!

 

Hier könnt ihr die Rettung der Bären unterstützen oder zum Beispiel eine Patenschaft für einen Bären abschließen.

 

Hier findet ihr Tina und Animals Asia:

Headerbild*: Ursula Meissner, Fotos von Bären: Animals Asia

*Das Porträtfoto entstand bereits 2003, als Tina Muffert eine Rettungsaktion begleitet hat.

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Ein Kommentar

  • Isabelle BATT sagt:

    Hallo, ich bin Fr. BATT Isabelle aus dem Elsass, ich unterstütze, insbesondere in Frankreich, einige Tierschutzverbände aber auch die WTG und die SMEURA in Rumänien uvm….. mein heutiges Anliegen dreht sich um das grauenvolle, bestialische Töten von zigtausenden Hunden und Katzen in Yulin, China !!!! dieses „Festival“, wie es genannt wird, hat am Sonntag begonnen und geht bis zum 30. Juni…. dies ist so schlimm, ich kann nicht die Videos anschauen, ich weine schon wenn ich streunende, kranke Tiere sehe… es greift mich zu arg an….
    Meine Frage: wie kann man dieses gefühlloses, bestialische Morden beenden??? Welche Mittel stehen zur Verfügung um die dortige Öffentlichkeit und Politiker zu besinnen,??
    Ich hoffe, dass dieses herzzereisende und völlig unnötiges Gemetzel bald ein Ende hat !!!!

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