4B-Bewegung: Wenn Männer* nicht mehr die Prio 1 im Leben von Frauen* sind
21. Juli 2025
geschrieben von Simone Bauer

Die 4B-Bewegung wird nicht ohne Grund auch „4 Nos“ genannt: Nein zum Dating von Männern*, Nein zum Geschlechtsverkehr mit Männern*, Nein zur Fortpflanzung, Nein zur Ehe. Mit diesen vier Neins der Frauen* wollen Feminist*innen in Südkorea das Patriarchat stürzen. femtastics Autorin Simone Bauer schreibt darüber, was wir von ihnen lernen können – und was nicht.
"Die 4Bs stehen für Enthaltsamkeit (in Bezug auf Männer*) sowie für die Verweigerung von Dates mit Männern*, Kinderkriegen und Heirat."
Die „4B-Bewegung“, die sich zwischen 2017 und 2019 auf „Twitter“ als Reaktion auf steigende Zahlen häuslicher Gewalt und brutalen Femiziden gründete, nach der Wahl von Donald Trump und auch dem Ende der deutschen Ampel-Regierung wurde sie auch im Westen populär. Die 4Bs kommen aus der koreanischen Sprache und stehen für Enthaltsamkeit (in Bezug auf Männer*) sowie für die Verweigerung von Dates mit Männern*, Kinderkriegen und Heirat.
Radikal, konsequent – und anschlussfähig?
Die Grundsätze sind radikal wie konsequent und nicht jede Feministin findet sich darin wieder, insbesondere die nicht, deren Feminismus alle Menschen – ja, auch Männer* - mit einschließt. In der südkoreanischen Kultur, die extrem patriarchal geprägt ist, sind die 4Bs allerdings durchaus nachvollziehbar. Frauen* sollen hier nach der Hochzeit, spätestens mit der Geburt des hoffentlich ersten Sohnes, aufhören zu arbeiten. Sie sind finanziell abhängig von ihren Männern*. Zudem ist der Gender Pay Gap Südkoreas im Index auf Platz 94 von 146. Zu heiraten ist also für viele Frauen* die einzige Option. Sich dieser aber kollektiv zu verweigern, soll ein Signal senden.
"Dass das Patriarchat global wieder verstärkt auf dem Vormarsch ist, zeigt sich unter anderem an der Besessenheit vom Körpergewicht von Frauen*."
Das 4B Movement ist wie ein Streik – und nicht unerfolgreich.
Junge Frauen* wollen nicht die Fehler ihrer Mütter und Großmütter wiederholen und überlegen, warum sie sich so in die Schule und Uni gekniet haben, um dann keine Karriere zu machen. Davon berichtet auch die Autorin Kim Eui-kyung in ihrem aktuellen Buch "Hello Baby", in dem die Protagonist*innen, die versuchen mit IVF-Therapie schwanger zu werden, von jungen Kolleg*innen gar verpönt werden. Die Geburtenzahl in Südkorea ist heutzutage historisch niedrig, die 4B-Bewegung hat ihren Anteil daran.
Auf den ersten Blick lässt sich Deutschland als Land für Mütter deutlich besser an. Im Vergleich zu Südkorea gibt es nämlich Kitaplätze und es ist völlig normal, dass Frauen* arbeiten. Doch guckt man genauer hin, ist die Elternzeit – die es natürlich glücklicherweise gibt – trotzdem ein Karriereknick. Viele Mütter steigen nach der Elternzeit mit bis zu drei Jahren fehlender Praxis wieder ein, meist in Teilzeit. Das ist einer der Faktoren, die immer mehr Millennials und Gen Z abschrecken, Kinder zu bekommen.
Selbstliebe wird nie weniger praktiziert als in konservativen Zeiten.
Dass das Patriarchat global wieder verstärkt auf dem Vormarsch ist, zeigt sich unter anderem an der Besessenheit vom Körpergewicht von Frauen*. Wenn Frauen* sich vorrangig mit ihrem Körper beschäftigen, können sie sich weniger Gedanken um die politische Lage machen. Deswegen gehört zur 4B Bewegung, sich beispielsweise nicht mehr zu schminken.
4B-ler*innen tragen gerne Baggyhosen und bequeme Oberteile. Eben was sie mögen. Vor Kurzem entstand in Südkorea zudem das Hashtag „women_shortcut_campaign“, nachdem eine Frau* online belästigt wurde, weil sie kurze Haare hatte. In diesem Zusammenhang erkannte ein südkoreanisches Gericht erstmals Frauenhass als Motiv an.
Es geht darum, mehr Selbstliebe und auch Nachsicht mit sich selbst zu praktizieren. Möchte ich aus gesundheitlichen Gründen abnehmen oder weil „Ozempic“ gerade die Wunderdroge ist, Kilos purzeln zu lassen? Fühle ich mich in meinem Körper, so wie er ist, wirklich nicht wohl? Möchte ich eine Beauty-OP für mich – oder für meinen Partner oder weil alle meine Freund*innen sich gerade die Lippen machen lassen? Andere Frauen* darauf anzusprechen, ist selbstverständlich recht übergriffig.
"Frauen* werden global von Kindesalter an so konditioniert, dass sich in ihrer Welt alles um Männer* dreht."
Gegen die Konditionierung von Frauen*
Frauen* werden global von Kindesalter an so konditioniert, dass sich in ihrer Welt alles um Männer* dreht – von Romantik über Fortpflanzung bis hin zu vermeintlicher finanzieller Absicherung. Das angestrebte Aussterben der Südkoreaner*innen durch das Verweigern von Nachwuchs übt Druck auf die südkoreanische Politik aus – und könnte auch hierzulande ein Druckmittel werden. Hilfreich wäre die konsequente Verfolgung der Gender-Pay-Gap-Schließung (und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Form gleicher Weiterentwicklungsmöglichkeiten), mehr Kita- und Kindergartenplätze, volle Rechte zur körperlichen Selbstbestimmung und eine gerechtere Verteilung von Care-Arbeit. Die Sensibilisierung gegen Misogynie, das Wecken von Empathie plus das Aberziehen davon, Mental Load bei der Frau* zu lassen – diesen Kampf kann jede*r führen. Hilfreich wäre auch, direkt an den Schulen zu diesen Themen aufzuklären.
Und wir kommen nicht umhin, unsere Söhne feministisch zu erziehen. Elternteile haben durchaus die Möglichkeit, das Patriarchart zu verändern, indem sie den Zulauf kappen, indem sie Söhne erziehen, die weich sind, tolerant, empathisch – und die sich für Frauen* einsetzen.
"Männer* nicht mehr zu zentrieren würde vielen eine neue Perspektive aufs Leben ermöglichen."
Von 4B zu 6B
Inzwischen sind noch zwei weitere Bs zu den 4B dazugekommen: keine frauen*feindlichen Produkte mehr konsumieren und nicht mit übergriffigen Männern* zu interagieren. Frauen* neigen leider immer noch dazu, aus Nettigkeit aufdringlichen Männern* zu antworten, schließlich wurden sie so sozialisiert, siehe oben.
Auf „TikTok“ gibt es den Aufruf, female owned businesses zu unterstützen. Die nächste Stufe ist „decentering men“, was eigentlich nur ein anderer Name für 4B ist. Männer* nicht mehr zu zentrieren würde vielen eine neue Perspektive aufs Leben ermöglichen, berichteten Nutzer*innen. Sie daten also gar nicht mehr. Das bedeutete: Mehr Zeit für Hobbys. Für den Freundeskreis. Viele teilen Selbstverteidigungstricks oder klären darüber auf, wie sie reagieren, wenn sie auf der Straße angesprochen werden und der Typ nicht lockerlässt: Videokamera rausholen, zum Beispiel.
Die neue Ergänzung 6B4T macht es noch komplizierter: Die 4T stehen dafür, weder religiöse Führer*innen noch Stars abzufeiern und generell Anime und Manga abzuschwören. Das heißt schlicht, den eigenen Medienkonsum zu überdenken. Wer mit wachem Auge durch die Programme zappt oder einen Kinofilm auswählt, kann bewusst nach der „Bechdel-Theorie“ keine frauen*feindlichen Produktionen mehr unterstützen. (Die Bechdel-Theorie: Gibt es mehr als zwei als weiblich gelesene Personen im Film? Sprechen sie miteinander? Sprechen sie über etwas Anderes als eine männlich gelesene Person?) So halten es übrigens viele Asiat*innen, die auf die 6B verzichten, aber die 4T praktizieren. Also: „Barbie“ statt „Oppenheimer“.
"Im letzten Jahr zählten 50.000 Frauen* zu den Neinsagerinnen, aber längst nicht alle sind queer- oder transfeindlich."
Das Problem mit der Queerfeindlichkeit
Durch die zunehmende Popularität im Westen der 4B-Bewegung hatten viele Südkoreaner*innen zuletzt Angst, dass die 4B-Einstellung mit transfeindlichem Gedankengut durch den Westen angereichert wird. Denn radikaler Feminismus ist nicht immer ein intersektionaler und inklusiver. Auch Queerfeindlichkeit gegenüber schwulen Männern* ist in einigen radikaleren Ausprägungen der 4B-Anhänger*innen stark vertreten. Natürlich haben schwule Männer* Privilegien von, nun ja, Männern*, doch Hass auf marginalisierte Gruppen ist alles andere als vorbildlich. Im letzten Jahr zählten 50.000 Frauen* zu den Neinsager*innen, aber längst nicht alle sind queer- oder transfeindlich.
Und in Deutschland?
In Deutschland gibt es einen anderen Ansatz: Influencer*innen wie "Evil Suki" oder die Rapperin "Ikkimel" leben wie Männer*; nutzen sie aus und führen das Patriarchat ad absurdum. Sehr zum Ärger der Medien, die finden, dass sich das nicht schickt, es entspricht schließlich nicht dem althergebrachten Rollensystem.
Sollten sich Frauen*, die nun mal gerne daten, die gerne eine Beziehung führen oder eine Familie gründen wollen, sich all das freiwillig untersagen, nur, um ein Zeichen zu setzen? Nein!
Es ist aber obligatorisch, dass gesellschaftlich und politisch einiges passieren muss, damit Frauen* nicht länger 4B (in allen Variationen) praktizieren: Femizide müssen konsequenter aufgeklärt und nicht als „Familiendrama“ abgetan werden. Wer eine Vergewaltigung meldet, dem*der muss geglaubt werden. Mütter sollten nicht in eine leere berufliche Zukunft schauen müssen. Frauen* in Männer*-Domänen zu fördern, ist essentiell. Der Körper von Frauen* darf kein Schlachtfeld sein. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an.
Foto/ Collage: "Canva"