In unseren „Community Artikeln“ möchten wir euren Meinungen und Perspektiven Raum geben. Es gibt immer wieder Themen, die heiß diskutiert werden, polarisieren und zu denen es ganz unterschiedliche Sichtweisen gibt. Diese möchten wir abbilden und starten dafür regelmäßig Aufrufe auf unserem Instagram Kanal, um eure Meinungen zu erfahren, die wir dann hier mit euch teilen.
Im Juni beschäftigen wir uns mit dem Thema Beauty-Treatments und ihre Fixkosten. Botox, Hyaluron-Filler, Microblading, Wimpern-Extensions, Nail Art & Co. – wir haben euch gefragt, ob das moderne Schönheitsideal zu viele (monetäre) Ansprüche an uns stellt? Wie sehr stresst das? Gebt ihr das Geld gern aus (und seht es als Me-Time)? Widersetzt ihr euch, weil ihr darin das Frauenbild des Patriarchats seht? Oder liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen? „Not ugly, just poor„, titelte kürzlich das Magazin „Dazed“ in einem Artikel – spitzt sich das Klassenproblem immer weiter zu?
„Für mich sind Beauty-Behandlungen, vor allem Besuche bei der Kosmetikerin oder eine Massage, Me-Time und absolute Luxusgüter. Ich bin mir nicht sicher, ob ich 100%ig behaupten könnte, jede Behandlung würde ich ausschließlich für mich machen. Die äußeren und inneren Erwartungshaltungen verschmelzen da dann doch irgendwie zu sehr (im Sinne von: Was gibt uns die Beautybranche vor, wie soll was aussehen und was ist meine wirklich intrinsische Überzeugung?).
Ich kann es mir nicht leisten. Ab und zu ja, aber nicht regelmäßig.
Dennoch würde ich mir all das gerne öfter oder überhaupt gönnen. Ich würde gerne jeden Monat zur Gesichtsbehandlung oder regelmäßig zur Massage gehen. Ich würde mir gerne regelmäßig die Nägel, die Augenbrauen und die Wimpern machen lassen. Aber das kann ich mir nicht leisten. Ab und zu ja, aber nicht regelmäßig. Mit steigenden Kosten verzichte ich inzwischen sogar auf meine blonde Pracht – Balayage-Behandlungen und die Pflege sind ebenfalls zum Luxusgut geworden. Und andere Dinge sind mir (ehrlicherweise) wichtiger.
Ich glaube schon, dass Beautybehandlungen einen gewissen Druck aufbauen und Klassismus verschärfen. Vor allem weil uns unter anderem Social Media Plattformen suggerieren, dass es völlig normal ist, sich solche Dinge zu leisten. Und das sage ich aus einer wirklich sehr privilegierten Situation heraus, ich verdiene nämlich nicht wahnsinnig schlecht. Aber ich bin Single, wohne in einer Mietwohnung, in einer Stadt.“
„Kaum im Teenager-Alter haben mir Mädchenmagazine Werbebotschaften und Vorgaben zum herrschenden Schönheitsideal eingehämmert. „Trag‘ unbedingt Lipgloss, damit deine Lippen voller aussehen und glänzen! Jungs küssen gerne glänzende Lippen!“. „Deine inneren Oberschenkel sollten sich nie berühren! Mit diesen Übungen verhinderst du, dass das passiert!“. „Kleine Brüste? Dann solltest du diese Push-up-BHs tragen!“.
An den Wänden meines Teenie-Zimmers hingen neben Postern meiner Lieblingsbands, selbstgemalten oder -gezeichneten Bildern und Fotos meiner besten Freundinnen Werbekampagnen mit Kate Moss oder Naomi Campbell, die ich aus Magazinen geschnitten hatte. Vielleicht war ich besonders empfänglich für diese Botschaften, vielleicht konnte ich ihnen aber auch gar nicht entkommen.
Als ich im Alter von 15 einen Jugendkunstwettbewerb gewann, bestand mein Preis aus einem Buch mit Make-up-Tutorials und einem Workout-Video von Cindy Crawford (ich frage mich, was der äquivalente Preis für „Jungs“ gewesen wäre). Über alle Medien wurde mir eingebläut, was ich kaufen, tun und verinnerlichen muss, um die gesellschaftlichen Erwartungen an Mädchen bzw. Frauen* zu erfüllen. „Weil ich es mir wert bin“. Darauf eine Yogurette!
Über alle Medien wurde mir eingebläut, was ich kaufen, tun und verinnerlichen muss, um die gesellschaftlichen Erwartungen an Mädchen bzw. Frauen* zu erfüllen.
Ich kann mir ausmalen wie hoch der empfundene Druck gewesen wäre, wenn ich schon damals, mit 12 oder 13, auf TikTok und Instagram unterwegs gewesen wäre. Seit meiner Jugend lebe ich täglich in einer Ambivalenz zwischen dem Wissen, dass mir niemand vorschreiben kann wie ich zu sein habe und dass alle Botschaften rund um Schönheitsideale nur dem Kapitalismus und Patriarchat dienen; und dem Wunsch, diesem Ideal (zumindest in einigen Punkten) zu entsprechen.
Ich weiß, wie wichtig es ist, Role Models zu haben, die vorleben, dass alle Körperformen, Hautfarben, Haare, Nasen, Lippen, Brüste … Erscheinungsformen von Menschen ganz allgemein schön sind – nicht nur in der Jugend, sondern auch im Alter – und dass gerade diese Veränderungen mit der Zeit zum Menschsein dazugehören.
Ich sehe aber auch, was der voranschreitende Jugendwahn unserer Gesellschaft, neue technologische und medizinische Möglichkeiten und die wachsende Verschmelzung von virtueller und echter, physischer Realität mit uns machen. Wenn mir heute, mit Mitte 30, Freundinnen erzählen, dass sie nicht nur Unsummen für Haarstyling, Maniküre, Pediküre, Waxing, Sugaring, Tanning, Wimpernverlängerung, Microblading, Microneedling, Pflegeprodukte und Make-up ausgeben, sondern auch regelmäßig zum Botox gehen, sich das Kinn modellieren und die Augenringe mit Hyaluron unterspritzen lassen und überlegen, sich die Brüste „in Form bringen“ zu lassen, dann glaube ich zu wissen, woher diese Gedanken und Verhaltensweisen kommen. Und gleichzeitig möchte ich ihnen sagen: „Du bist wirklich, im Ernst einfach gut so wie Du bist.“
„Mich stresst das alles überhaupt nicht, weil ich weiß, dass hochwertige und gute Produkte bzw. Behandlungen meiner Haut gut tun. Ich sehe dadurch gut aus, es fördert meinen Spirit nach Außen. Botox mache ich nicht wegen der Falten, sondern für meine Mimik. Es ist förderlich für meinen Gesamtauftritt. Ich plane diese Termine fest ein und weiß, wie lange meine hochwertigen Produkte halten.
Ich achte auf meine Beauty-Produkte ebenso wie auf meine Ernährung – ich passe genau auf, was auf meine Haut kommt. Ich betrachte Beauty ganzheitlich und es stresst mich eher, wenn meine Haut nicht hübsch ist und nicht gut aussieht. Außerdem habe ich immer irgendwo einen Rabatt-Code rumfliegen oder finde eine gute Aktion, sodass ich meine Produkte zu einem guten Preis bekomme.“
„Ich bin ziemlich hin- und hergerissen bei der Thematik. Mal abgesehen von den horrenden Summen, die in erster Linie Frauen* ausgeben und weniger Männer* (begünstigt durch den medialen Schönheitsdruck), vermag ich mündigen Frauen* nicht abzusprechen, dass sie ihre Entscheidungen gut abwägen und sich selbstbestimmt für bestimmte Eingriffe entscheiden. Andererseits finde ich es gerade als Mutter wichtig, welche Signale ich meinen Kindern gebe.
Kann ich meinen Kindern sagen, dass sie so wie sie sind, perfekt sind und gleichzeitig bei mir selbst mit Botox nachhelfen?
Kann ich ihnen täglich sagen, dass sie so wie sie sind, (für mich) perfekt sind und gleichzeitig bei mir selbst mit Botox nachhelfen? Können sie das wirklich abstrahieren und verstehen, dass manche Themen erst mit dem Alter relevant werden (können)? Und selbst dann: Ich finde alternde Frauen* und Spuren des Lebens tatsächlich wunderschön, nur altern wir unterschiedlich, da mache ich mir nichts vor. Die Gene meinen es nicht mit jeder/jedem gut.
Ich habe bisher nichts „machen“ lassen, gebe allerdings Unmengen an Geld für Friseur*innen, Nagel Studios und hochwertige Anti-Age-Produkte aus. Dabei möchte ich es belassen und habe mir für die Zukunft monetäre Limits gesetzt, denn irgendwo ist auch mal Schluss und natürlich lässt sich das Geld deutlich besser investieren (Hallo, Börse! Hallo, ETFs!).“
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