Schwarze Frauen sind bislang in der deutschen Medienwelt stark unterrepräsentiert – sowohl, was die Diversität der Redaktionen selbst betrifft, als auch Formate, die sich gezielt an Schwarzen Frauen richten. Die Berlinerin Ciani-Sophia Hoeder hat sich zur Aufgabe gemacht, dies zu ändern. Letztes Jahr hat die Journalistin das „RosaMag“ gegründet, ein Magazin für afrodeutsche Frauen – das erste dieser Art. Vor drei Monaten ist Ciani von Berlin nach München ins beschauliche Obermenzing gezogen. Hier wohnt sie in einer WG mit einer Polizistin, einer Gynäkologin und ihrem 5-jährigen Hund, den sie in Rumänien adoptiert hat. Wir treffen sie zum Gespräch über Schwarze Stereotype, Rassismuserfahrungen und natürlich über Rosa Parks, die Namensgeberin für Ciani-Sophias Magazin.
Mir ist es wichtig, Frauen zu porträtieren, die dem Stereotyp der Schwarzen Frau widersprechen: Du musst nicht gut singen und tanzen können, du kannst auch Physikerin, Busfahrerin oder Vorstand bei BMW werden, wenn du willst.
Ciani-Sophia Hoeder: Unser Ziel ist es zu informieren, zu inspirieren und zu empowern. Ich habe das Magazin gegründet, weil ich über 17 Jahre lang meine Haare chemisch geglättet habe – seit meinem 11. Lebensjahr. Ich hatte keine Ahnung, was ich da meinem Körper, meiner Selbstwahrnehmung und meiner Identität antue. Ich wollte mich damit auch vor Rassismus schützen und wollte nicht polarisieren. Das war eine total schmerzhafte Prozedur, man verbrennt sich dabei die Stirn und die Kopfhaut. Nach 17 Jahren habe ich mich darüber informiert und erfahren, dass die Chemikalien Brustkrebs, Zysten, Gebärmutterhalskrebs und psychische Erkrankungen auslösen können. Dann habe ich festgestellt, dass es kein Lifestyle-Magazin gibt, das sich auf die Schwarze Frau im deutschsprachigen Raum konzentriert und sie informiert. Mir ist es wichtig, Frauen zu porträtieren, die dem Stereotyp der Schwarzen Frau widersprechen: Du musst nicht gut singen und tanzen können, du kannst auch Physikerin, Busfahrerin oder Vorstand bei BMW werden, wenn du willst.
Der Name ist inspiriert von Rosa Parks aus der US-Bürgerrechtsbewegung. Sie ist damals zu einer Ikone geworden, weil sie sich geweigert hatte, im Bus ihren Sitzplatz für einen Weißen frei zu machen. Sie wurde dafür inhaftiert und daraufhin hat die Schwarze Bevölkerung in den USA über ein Jahr lang die öffentlichen Verkehrsmittel boykottiert. Es klingt nach einer ganz simplen Handlung, aber es hat eine Welle geschlagen. Manchmal habe ich ganz pathetisch den Wunsch, dass wir das mit unserem Magazin auch schaffen. Es ist zwar ein Lifestyle-Magazin, aber letztlich geht es um ernste Themen, die Schwarze Frauen im deutschsprachigen Raum interessieren und beschäftigen. Wir sind zwar primär kein politisches Magazin, aber wenn man über das Frau-Sein spricht und darüber, eine Schwarze Frau zu sein, dann kommt man nicht drum herum, auch über Politik zu sprechen.
Ich bin mit Sauerkraut und Knödel aufgewachsen, bei mir gibt es nichts Exotisches. Es ist sehr paradox, wenn die Leute denken, ich könne bunte und verrückte Geschichten von Afrika erzählen.
Es gibt Frauen, deren Eltern beide einen afrikanischen Background haben. Die haben also ein familiäres, kulturelles Heimatgefühl. Dann gibt es die Konstellation, bei der nur ein Elternteil afrodeutsch ist. Generell spielt bei dem Thema Identifikation natürlich eine Rolle, ob du in einer Metropole oder in einer ländlichen Region aufwächst. Aber wenn eine Schwarze Person nur mit einem Elternteil aufwächst, das weiß ist, hat sie diese „andere“ Kultur nicht. Ich bin mit Sauerkraut und Knödel aufgewachsen, bei mir gibt es nichts Exotisches. Es ist sehr paradox, wenn die Leute denken, ich könne bunte und verrückte Geschichten von Afrika erzählen.
Diese Erfahrung machen aber nicht nur Schwarze Menschen in Deutschland, sondern allgemein alle Menschen mit offensichtlichem Migrationshintergrund. Die türkisch-arabische Community kennt das auch. Interessant in diesem Zuge ist, dass jede*r Vierte in Deutschland einen Migrationshintergrund hat. Der Großteil kommt aber aus Polen oder Russland und man sieht ihnen den Migrationshintergrund auf den ersten Blick nicht an. Dadurch sammeln sie andere Erfahrungen zum Thema Identität.
Für mich gab es nie diese Spaltung. Ich dachte immer, ich sei ganz „normal“ deutsch. In der Schule habe ich aber gemerkt, je älter ich wurde, dass die Menschen bestimmte Klischees in mir sehen, die ich mal erfülle und mal nicht. Das hat in mir das Gefühl ausgelöst, dass ich mich vielleicht woanders – zum Beispiel in den USA – wohler fühlen würde. Wenn man wie ich ein schwarzes und ein weißes Elternteil hat, dann ist man trotzdem einfach schwarz. Man wird da mit reingepackt. Allerdings bin ich heterosexuell, ich habe studiert, ich bin normschön und dünn, das heißt, ich habe ganz andere Rassismuserfahrungen. Mir ist bewusst, dass ich unfassbare Privilegien genieße. Es gibt kein Patentrezept zum Thema Identität. Die einen fühlen sich Schwarz und afrikanisch, die anderen fühlen sich deutsch.
Nein, man kann einfach beides sein.
Ich kann gut tanzen, singen und Haare flechten. (lacht)
Wir sind digital gestartet. Seit dem Holocaust gibt es keine Zahlen dazu, wie viele Schwarze Menschen in Deutschland leben. Wir wissen also eigentlich nicht wie groß das Magazin werden könnte. Wir haben daher einfach Instagram, Facebook und die Website aufgesetzt. Wir wollen einen Austausch auf den verschiedenen Plattformen führen.
Im Januar veranstalten wir außerdem unseren ersten Workshop für Beautythemen. Dadurch kreieren wir einen entspannten Rahmen für den Austausch außerhalb der digitalen Welt. Es gibt bereits verschiedene Initiativen in Deutschland, die viele Schwarze Menschen versammeln und vernetzen. Mit denen bin ich im Austausch. Aber die Themen sind immer politisch und du musst direkt in einem politischen Kontext kommunizieren, was natürlich total wichtig ist. Es gibt aber keinen Ort, an dem ich einfach nur darüber reden kann, dass ich schwarz bin. Ich wollte einen Safe Space, an dem ich auch dumme Fragen stellen kann wie: Wachsen eure Haare im Intimbereich auch immer ein?
Am Anfang bist du dir dessen nicht bewusst. Das ist vergleichbar mit dem Feminismus. Es gab früher bestimmte Berufe für Frauen, die wir ausüben konnten und irgendwann sagte eine Frau: Hey, wir können doch den gleichen Job machen wie der Mann!
Du bist so tief in dem System drin und checkst es manchmal nicht. Außer man wächst in einem total reflektierten Umfeld auf. In meiner Familie wurden die Differenzen immer klein geredet und mir wurde immer gesagt, dass ich nicht anders sei und dass ich total schön sei, so wie ich eben bin. Und im Laufe deines Lebens freust du dich wenn du eine erfolgreiche Schwarze Frau wie Beyoncé siehst. Nur hat die eben blonde glatte Fake-Haare, für die sie vermutlich tausende Dollar bezahlt hat. Man sieht dann also schon mal eine Frau, die einem ähnlich sieht, aber modifiziert ist. Was auch legitim ist.
Genau, aber was ist, wenn ich mal Mutter werde und meine Tochter schöne glatte Haare haben möchte, weil es das Schönheitsideal ist? Wie soll sie damit umgehen? Dann sammeln sich diese Mikroaggressionen. Und das macht etwas mit dir. Es sind kleine Sticheleien und du denkst, du kriegst das hin, aber Studien zufolge erkranken Schwarze Frauen viel häufiger psychisch im Vergleich zu anderen Frauen. Es ist das „Super-Women“-Syndrom. Da geht es nicht nur darum eine Frau zu sein, sondern eine Schwarze Frau zu sein, die es weit schafft. Das ist einfach hart. Und genau darüber möchte ich reden.
Das „N-Wort“ geht gar nicht, verständlicherweise. „Farbig“ kommt aus der Kolonialzeit und ist daher ein schwieriger Begriff. „Dunkelhäutig“ fühlt sich für mich auch komisch an, aber es gibt viele Schwarze Menschen, die sich Dunkelhäutig nennen. Sara Nuru tut dies zum Beispiel in ihrem neuen Buch.
Wir sagen bewusst „Schwarz“ – das politische Schwarz und Großgeschrieben, weil das aus der Aktivismusszene kommt. Es geht um die Identität des Schwarz-Seins und die Anerkennung dessen. Ich mag den Begriff „Afrodeutsch“, da er die beiden Welten beinhaltet. Es ist auch der erste Begriff, der von der Schwarzen deutschen Community geprägt wurde. May Ayim zum Beispiel war Dichterin, Pädagogin und hat in den Achtziger Jahren das Buch „Farbe bekennen“ publiziert. Das war das erste Buch über Schwarze Menschen in Deutschland. Es war eine selbstbestimmte Definition der Schwarzen Identität in Deutschland unabhängig von den Schwarzen in den USA beispielsweise, deswegen mag ich das besonders gerne.
Es macht mir Angst, dass Menschen hassen und jemanden aufgrund von phänotypischen Aspekten einfach ausschließen.
Ich bin eine Frau, also kriege ich keinen physischen Rassismus ab. Als Mann spürst du sicherlich mehr Aggressivität. Körperlichen Rassismus habe ich noch nie erfahren, verbalen aber schon. Alltagsrassismus hast du ja konstant. Man geht beispielsweise über eine Straße und die Ampel wird langsam rot und dann sagt die Omi an der Ecke „In unserem Land geht man bei grün“. Manchmal erlebst du sowas am Tag fünf Mal. Ich finde den Ton im Internet allerdings noch schlimmer als auf der Straße.
Nach der Thüringen-Wahl habe ich echt geschluckt. Es macht mir Angst, dass Menschen hassen und jemanden aufgrund von phänotypischen Aspekten einfach ausschließen. Antisemitismus steigt in Deutschland ebenfalls an. Wenn ich höre, dass Mitglieder der jüdischen Community sich nicht mehr trauen, öffentlich ihre Religionszugehörigkeit zu zeigen, dann denke ich mir, dass ich mich mit meinen Haaren und meiner Hautfarbe nicht verstecken kann. Schwarze Menschen bieten immer Angriffsfläche. Deutschland ist ja eines der letzten Länder, in dem Rassismus so stark angekommen ist. In Holland, Österreich, in der Schweiz, in Frankreich sind rechtsradikale Parteien schon länger im Parlament vertreten oder sogar an der Regierung.
Es gibt so viele – das ist echt eine schwierige Frage. Worüber ich mich total freuen würde, wäre mehr Sichtbarkeit, damit Schwarze Menschen in unterschiedlichen Positionen mehr Möglichkeiten haben dabei zu sein. Ich würde mir wünschen, dass mehr über die Schwarze Geschichte gesprochen wird, auch in dem Kontext, dass es Schwarze Menschen schon seit dem Kaiserreich gibt und dass es schon immer Schwarze Dichter*innen und Künstler*innen gab und es kein Nischen-Thema ist.
So viel! (lacht) Wir arbeiten natürlich weiterhin viel an „RosaMag“ und starten außerdem unser erstes E-Book im Januar. Wir haben in einem zum Beispiel unsere Lieblingsrezepte zusammengefasst und jede*r kann soviel zahlen wie er oder sie will. Und wir wollen das Thema „Wut“ aufgreifen. Es geht darum, dass wir Frauen in der Regel zu friedlichen, friedensstiftenden Wesen erzogen werden. Das wiederum ist gesundheitlich schädigend, weil Frauen oft moderat und nicht hysterisch wirken wollen. Zu diesem Thema „Angry Black Woman“ wollen wir also viel machen.
Layout: Kaja Paradiek
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