Verbündet euch! Wie Jennifer Reaves mit dem "Bitch Fest" Frauen* empowert
16. Juni 2025
geschrieben von Lisa van Houtem

Jennifer Reaves hat 20 Jahre lang international Karriere in der Eventbranche gemacht, bevor sie 2024 das “Bitch Fest” gegründet hat. Ihre Mission? Frauen* auf ehrliche, authentische und bitchige Weise zu empowern. Mit ihrer feministischen Plattform schafft sie es, vielfältige Frauen* mit verschiedenen beruflichen Hintergründen anzusprechen. Im Interview sprechen wir über die homogene Gründer*innenszene, warum wir dringend weniger Perfektionismus brauchen und was Jennifers Hauptmotivation ist.
"Ich möchte Frauen* dazu motivieren und inspirieren, die 'inner bitch' rauszukitzeln."
femtastics: Was ist deine Mission mit dem "Bitch Fest"?
Jennifer Reaves: Das “Bitch Fest” habe ich vor einem Jahr gegründet. Meine Mission: Ich möchte als Chief Bitch des Landes voranschreiten und Frauen* dazu motivieren und inspirieren, die “inner bitch” rauszukitzeln. Es geht darum, laut zu sein, selbstbewusst zu sein, den Raum, den sie betreten, auch einzunehmen und klar im Ausdruck in der Umsetzung und Einforderung ihrer Bedürfnisse zu sein. Das betrifft so viele Bereiche des Lebens: die Partnerschaft, den Beruf, Freund*innen und Familie. Ich möchte einen Safe Space schaffen, in dem wir uns auch mal in den Armen liegen und weinen dürfen. Wir sind nicht allein mit unseren Ängsten, wir sind viele und wenn wir laut sind, können wir was bewirken.
An wen richtet sich das “Bitch Fest”?
Das “Bitch Fest” richtet sich an Frauen* und weibliche gelesene Personen unabhängig von ihrer jeweiligen Lebenssituation oder ihrem beruflichen Hintergrund. Es gibt viele andere Communities und Networking Plattformen, die aber sehr leistungsbezogen sind und einen starken Business Fokus haben. Ich feiere diese Plattformen und finde sie wichtig, allerdings identifiziere ich mich wenig mit der in Deutschland nach wie vor sehr homogenen Gruppe der weiblichen Gründerinnen. Selten sehe ich jemand wie mich, der*die größer, breiter und lauter ist.












Jennifer Reaves hat das "Bitch Fest" gegründet
Kim Hoss beim "Bitch Fest"
Jennifer Reaves hat das "Bitch Fest" gegründet
Kim Hoss beim "Bitch Fest"
Jennifer Reaves hat das "Bitch Fest" gegründet
Kim Hoss beim "Bitch Fest"
Jennifer Reaves hat das "Bitch Fest" gegründet
Kim Hoss beim "Bitch Fest"
"Mein Alltag war schon immer davon geprägt, dass wenn ich Räume betrete, ich anders angeschaut werde."
Die Gründerinnenszene ist sehr privilegiert und heteronormativ.
Ja, wobei ich mich auch als privilegiert bezeichne. Ich bin gebildet, habe ein stabiles Elternhaus, ein schönes Zuhause, einen Partner, der mich unterstützt. Aber ich sehe anders aus. Mein Alltag war schon immer davon geprägt, dass wenn ich Räume betrete, ich anders angeschaut werde. Die Ideale und Erwartungen, die von Außen auf uns Frauen* niederprasseln, decke ich nie ab. Mir wachsen Haare am Kinn, ich habe Hormonschwankungen und kann innerhalb von Sekunden lachen und heulen.
Du kritisierst den Perfektionismus?
In allen unseren Lebensbereichen ist der Druck zu groß: Wie wir aussehen, wie viel wir wiegen, wie wir uns kleiden. Wir sollen die perfekte Mutter sein, die perfekte Freundin, die perfekte Mitarbeiterin, die perfekte Führungskraft. Du kannst es gar nicht richtig machen. Das “Bitch Fest” spricht Frauen* an, die so wie ich sind, das auch fühlen und sich bestärkt wissen wollen in ihrer Vielseitigkeit und Individualität. Authentisch und bunt.
"Das “Bitch Fest” spricht Frauen* an, die so wie ich sind, das auch fühlen und sich bestärkt wissen wollen in ihrer Vielseitigkeit und Individualität."
Welche Themen werden adressiert? Und welche Speakerinnen sind mit dabei?
Es ist ein Blumenstrauß an Themen, von denen ich weiß, dass sie meine Community bewegen: Mental Health, Mut, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung ebenso wie gesellschaftlich relevante Themen wie Allyship, Frauen & Finanzen, Wechseljahre oder wie wir auf rechte Parolen reagieren können. “Tantekante” wird einen Talk halten zu “Brei, Business, Burnout”, ich spreche mit Tara-Louise Wittwer und Jana Heinicke. Nicole “Zachi” Zacharias ist ebenfalls vor Ort, sie ist für mich eine echte Feminismus Bitch Ikone. Und es wird viele kreative Workshops geben! Es gibt Street Food, Live Musik und wer will, kann sich sogar piercen lassen.












Ein Festival zu organisieren ist ein ganz schönes Brett. Was ist für dich die größte Herausforderung?
Ich bin gelernte Event Managerin und war über 20 Jahre lang in der internationalen Eventbranche unterwegs. Ich habe große Events und Festivals organisiert: Von Tokio über Kopenhagen bis Zürich. Das ist das, was ich kann. Was mich eher überfordert, ist alles drum herum. Mit dem Festival verdiene ich kein Geld. Mit Glück trägt es die Kosten. Meine Vision ist, dass das “Bitch Fest” nicht nur ein Event ist, sondern eine hybride Medienmarke. Meine Themen und Inhalte möchte ich 365 Tage an die Frau* bringen. Das mache ich über verschiedene Kanäle wie Social Media, Newsletter oder Podcast. Als Speakerin bin ich auf anderen Konferenzen unterwegs.
Die Vielfalt dieser vielen Produkte, die ich versuche, zu lancieren, überfordert mich manchmal. Außerdem ist mein Kenntnisstand zu den verschiedenen Formaten unterschiedlich. Ich muss mich der Angst stellen und mich immer wieder weiterbilden. Und natürlich gibt es einen großen Erfolgsdruck, am Ersten des Monats muss schließlich Geld auf dem Konto sein. Ich habe mein Business Anfang 2024 gegründet und bin noch auf dem Weg, es aufzubauen.
"Ich war schon Girl Boss, als es den Begriff noch nicht gab."
Was hilft dir dabei?
Einen kühlen Kopf zu bewahren, Zuversicht, Hoffnung, Energie, Leidenschaft, Motivation. Das mit meinen körperlichen und mentalen Kapazitäten zu vereinbaren, ist nicht immer einfach.
Gefühlt knüpft dein Festival an der Girlboss Culture an, die zuletzt vermehrt kritisiert wurde. Die einen sagen, Girl Bosses in Führungsetagen würden keine Veränderung bringen und nach den gleichen Spielregeln wie männliche Führungskräfte spielen, der Feminismus der Girlboss Welle sei eng mit dem Kapitalismus verwoben und zu wenig intersektional. Die anderen sagen, dass durch den Girlboss Feminismus Frauen sich endlich “nach oben” trauen und sich mit wichtigen Themen wie finanzielle Absicherung beschäftigen. Wie siehst du das?
Ich war schon Girl Boss, als es den Begriff noch nicht gab. Meine Karriere habe ich mit 19 Jahren gestartet, als ich als Praktikantin bei einer privaten Messegesellschaft angefangen habe. Innerhalb von sechs Monaten war ich Projektleiterin, ein Jahr später fest angestellt und später strategische Leitung. Als ich Geschäftsführerin wurde, war ich noch nicht mal 30 Jahre alt. Zeitweise habe ich ein Team von 25 Personen geführt. Mit Mitte 20 saß ich in Tokio an einem großen Verhandlungstisch mit dem "Lufthansa" Japan Chef.
Zeit meines Lebens musste ich mich damit auseinandersetzen wie ich auf Kund*innen, Kolleg*innen oder Chef*innen wirke. Ich war immer entweder zu laut, zu fordernd, zu irgendwas. Dabei war ich nur ich selbst. Ich habe mich an keinen gendervermeintlichen Verhaltensweisen orientiert und hatte keine bestimmten Personen als Vorbilder. Damit bin ich immer gut gefahren, ich war klar in meinen Bedürfnissen und habe diese zum Ausdruck gebracht. Wenn das ein Girl Boss ist, bin ich super fein damit.
"Für mich ist Feminismus und Female Empowerment im Alltag sinnvoll, wenn er uns Frauen* in dem bestärkt, was und wie wir sind."
Welchen Feminismus wünschst du dir?
Für mich ist Feminismus und Female Empowerment im Alltag sinnvoll, wenn er uns Frauen* in dem bestärkt, was und wie wir sind. Im Leadership Bereich sind die Menschen am erfolgreichsten, die bei sich sind und sich klar darüber sind, was sie können und was sie nicht können. Sie haben kein Problem damit, beides zum Ausdruck zu bringen. Sie kennen ihre Grenzen und sind gleichzeitig willig, sich führen zu lassen und neuen Input zu bekommen. Es geht im Kern darum: Wer bin ich und welche Führungskraft steckt in mir? Das ist aus meiner Sicht die authentischste und erfolgreichste Führung.
"Geht in Verbindung miteinander, spendet euch gegenseitig Kraft, unterstützt euch."
Wir befinden uns in feministisch gesehen ziemlich bedrückenden Zeiten und erleben global einen dramatischen Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung. Was gibt dir Hoffnung? Warum machst du weiter - jetzt erst recht?
Es gibt zwei Seiten in mir. Die eine Seite hat total Angst vor dem, was da draußen politisch und gesellschaftlich passiert. Es hat sich eine Schwere auf meine Seele gelegt. An schlechten Tagen mache ich gar nichts, bleibe im Bett liegen und rufe heulend meine Mutter an. Und dann gibt es die Jennifer, die proaktiv und energetisch und zuversichtlich an die Sache rangeht. Die Kraft dafür ziehe ich aus dem ehrlichen Austausch mit anderen Frauen*. Wenn ich Zweifel äußere - beispielsweise auf “Instagram”, dann bekomme ich so viel kraftspendendes und motivierendes Feedback zurück. Das ist das, was mich trägt.
Deswegen ist mein Appell an alle Frauen* jetzt erst recht: Geht in Verbindung miteinander, spendet euch gegenseitig Kraft, unterstützt euch und das bitte auf einer authentischen und ehrlichen Kommunikationsspur auf Augenhöhe! Wenn wir unsere Masken fallen lassen und echt werden, ist das die größte motivierende Kraft für mich, die mich über all den gesellschaftspolitischen Quatsch hinweg trägt. Verbündet euch!
Hier findet ihr das "Bitch Fest":
Fotos: Kim Hoss, "Bitch Fest", Jennifer Reaves