Missbrauchsskandale, Diskriminierung, Homophobie, … Es gibt viele Gründe, sich von der Kirche abzuwenden. Ob man an etwas glaubt, ist natürlich noch einmal eine andere, ganz persönliche Frage. Viele Menschen feiern weiterhin christliche Feiertage wie Ostern und Weihnachten, halten religiöse Traditionen aufrecht und spüren vielleicht auch eine Sehnsucht nach Gemeinschaft, Spiritualität und Glauben.
Die Journalistin und Autorin Edith Löhle hat sich in ihrem Roman “Bible Bad Ass” einer Gruppe von Menschen gewidmet, die in der Bibel kategorisch zu kurz kommt: Frauen*. In der Auseinandersetzung mit Frauen*, die in der Bibel gestrichen, zensiert, umgeschrieben oder falsch interpretiert wurden, entwickelt die Protagonistin ihres Romans ein neues Verhältnis zu Religion. Und wir wollen von Edith wissen: Könnten wir alle das auch?
Da ist die Wut über die bestehenden Machtverhältnisse; über Strukturen, die ungesund sind.
Edith Löhle: Es gibt große Parallelen zwischen der Hauptfigur und mir: Da ist die Wut über die bestehenden Machtverhältnisse; über Strukturen, die ungesund sind. Ich bin wütend aufs Patriarchat, so wie wir alle. In meinem eigenen Feminismus habe ich gemerkt, dass ich tiefer gehen wollte, ich habe mehr Fragen in Bezug auf meine Sozialisierung gestellt.
Irgendwann bin ich beim Katholizismus angekommen, weil ich aus Süddeutschland komme. Aus einer erzkatholische Gegend, ich war Ministrantin. Als Kind fand ich das erstmal schön, weil ich den gemeinschaftlichen Aspekt gesehen habe. Und umso älter ich aber geworden bin, desto wütender wurde ich und desto mehr Fragen habe ich gestellt. Ich habe mich aufgelehnt gegen die katholische Kirche, bin ausgetreten und habe immer dagegen gewettert, da ich nichts mit diesem Männerclub anfangen kann. Ich wollte aber noch mehr an dieses Thema ran. Es reichte mir nicht, einfach nur wütend zu sein.
Die Kirche hat das Patriarchat natürlich nicht erfunden. Aber die Kirche – und in meinem Fall explizit die katholische Kirche, auf die ich den Fokus lege – hat das alles zementiert: Die ungesunden Rollenbilder, die uns bis heute einfach so gegeben sind. Viele haben das nicht auf dem Schirm, weil wir heute in einer Gesellschaft leben, die nicht mehr so super religiös ist.
Der größte Kritikpunkt an der katholischen Kirche ist für mich, dass Frauen* nicht zur Ordination zugelassen sind. Das unterscheidet ja die katholische Kirche von der evangelischen Kirche. In der feministischen Theologie gibt es viele Vorreiterinnen, viele Theologinnen, die sich dem Thema annehmen, zum Beispiel Bewegungen wie „Maria 2.0“. Das sind total interessante Menschen, die wollen, dass die Kirche nicht ausstirbt, insofern sie moderner, zugänglicher, inklusiver, gleichberechtigter und fairer wird.
So wie die Kirche gerade ist, schließt sie einfach zu viele Menschen aus.
Ich bin keine Freundin von Absolutismus, also ob nun ja oder nein, Kirche zu oder auf. Ich wünsche mir einfach, dass die Kirche inklusiver ist. Wenn die Kirche für viele Menschen eine Institution sein kann, die Halt gibt, ist das natürlich toll. Es gibt in verschiedenen Generationen Menschen, die nach wie vor da ganz viel für sich rausziehen.
Aber Kirche kommt mit einer Verantwortung einher. Und diese Verantwortung muss anders getragen werden. Ich würde niemals irgendwas verbieten, aber so wie die Kirche gerade ist, schließt sie einfach zu viele Menschen aus.
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Foto: Philip Nürnberger