Katharina Wolff gründete vor zehn Jahren „D-Level“, eine der marktführenden Personalberatungen für Führungskräfte im Digitalbereich. Die 36-Jährige und ihr Team vermitteln Kandidat*innen von einer Chefetage in die nächste. Vor ihrer Selbstständigkeit arbeitete Katharina vier Jahre in der Politik in Hamburg und war dort unter anderem für Netzpolitik und Gleichstellung zuständig. Zuvor stand sie zehn Jahre als Schlagersängerin auf der Bühne. Seit gut einem Jahr produziert sie als Host außerdem den Podcast „Inside Team Building“. Alles andere als ein geradliniger Lebenslauf. Anfang des Jahres stellt sie sich erneut die Frage: Ist wieder die Zeit für einen Wechsel gekommen?
Aber wie findet man heraus, wo man beruflich hin möchte? Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sie diese Herausforderung gemeistert hat – und, was es mit ihrer neuen Initiative „Mission Shortlist: Looking for Female Leaders“ auf sich hat.
Katharina Wolff: Selbständig bedeutet selbst und ständig. Ich bin zwar nie ganz raus, im Urlaub arbeite ich zum Beispiel immer ein paar Stunden am Tag, mache dafür aber mehr Tage Urlaub. Ich trage gern die Verantwortung für meine eigenen Entscheidungen und für die daraus entstehenden Konsequenzen. Ich liebe mein Team, weil ich es so zusammenstellen konnte, dass alle optimal zu mir und zueinander passen. Mehr Flexibilität und Freiraum geht kaum und genau das liebe ich an meiner Unternehmerrolle.
Unser Kerngeschäft ist das klassische Headhunting für digitale Führungskräfte. Uns kontaktieren Firmen, die exzellente, digitale gute Köpfe brauchen, diese aber nicht selbst aussuchen können oder wollen. Wir sind spezialisiert auf den Digitalbereich, sprich, wir arbeiten mit Start-ups oder Grown-ups, die ihr C-Level erweitern oder mit Mittelständlern oder Corporates, die sich in der digitalen Transformation befinden. Daraus hat sich eine große Anzahl an Folgedienstleistungen entwickelt, weil viele Firmen mehr brauchen als nur einen neue(n) Mitarbeiter*in. Zum Beispiel muss bei einigen Firmen erstmal nach außen kommuniziert werden, dass sie auch einen digitalen Geschäftsbereich haben. Wir beraten bei der Organisationsentwicklung, in der externen Kommunikation der Digitalaktivitäten und geben Recruiting-Schulungen.
Vor ein paar Wochen haben wir den großen Aufruf „Mission Shortlist: Looking for Female Leaders“ gestartet, um noch mehr Kandidatinnen zu finden, die wir als Führungskräfte im digitalen Bereich positionieren können.
Wir analysieren zu Beginn jedes Auftrags detailliert das Unternehmen, dessen Geschäftsmodell und ähnliche Modelle am Markt. Wir müssen verstehen, für was das Unternehmen steht und vor allem wen es braucht. Oft stehen diese Firmen noch ganz am Anfang der digitalen Transformation und sind sich selbst nicht immer klar darüber, welche Fähigkeiten, welches Mindset und wieviel Veränderung sie in dieser Phase tatsächlich benötigen und verkraften können. Wir haben unseren Beratungsprozess mit den Jahren so optimiert, dass wir heute versprechen können, innerhalb von sechs Wochen die drei bis vier besten am Markt verfügbaren Kandidat*innen für die beauftragte Position unseres Kunden zu finden.
Absolut! Wir brauchen immer gute Talente, die im digitalen Bereich Zuhause sind. Vor ein paar Wochen haben wir den großen Aufruf „Mission Shortlist: Looking for Female Leaders“ gestartet, um noch mehr Kandidatinnen zu finden, die wir als Führungskräfte im digitalen Bereich positionieren können. Wir möchten Frauen damit stärken, indem wir sie in den Chefetagen sichtbar machen. Eine Frau auf jeder Shortlist, also der Liste mit den drei bis vier besten zu diesem Zeitpunkt am Markt verfügbaren Kandidat*innen, das ist unser großes Ziel.
Für mich als Frau ist die Quote ein Steigbügelhalter, der dazu führt, dass Frauen weniger ernst genommen werden.
Ich bin seit meiner politischen Arbeit gegen die Quote. Ich fand immer, wenn jemand gesagt hat, dass wir hier noch eine Frau brauchen – „Nehmen wir doch mal die Wolff!“ – ich nicht mehr das gleiche Standing hatte, als wenn jemand gesagt hätte: „Wir brauchen noch jemand Gutes, lass‘ uns die Wolff nehmen!“. Für mich als Frau ist die Quote ein Steigbügelhalter, der dazu führt, dass Frauen weniger ernst genommen werden. Ich finde es total wichtig, dass man mehr dafür tut, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen. Aber das Instrument der Quote missfällt mir. Als Unternehmerin beschäftige ich wesentlich mehr Frauen und wir kämpfen im HR-Bereich um jeden Mann, um eine Diversität zu haben. Ich würde dennoch niemals jemanden allein aufgrund seines Geschlechts einstellen wollen. Das Maß der Dinge muss immer die Qualifikation sein.
Ich kann jede Frau verstehen, die für die Quote ist. Aber was passiert, wenn die Quote kommt und dann eine einzige Frau alleine in diese Männergruppe gesetzt wird? Wird sie wirklich in die Diskussion mit einbezogen? Abends mit zum Bier eingeladen? Wird sie tatsächlich ernst genommen? Das glaube ich nicht. Zumindest erschwert die Quote dies ungemein. Ich halte es für besser, wenn es Frauen in solche Runden schaffen, durch ihre Erfahrungen, ihre Leistungen und ihre Fähigkeiten zu überzeugen und nicht durch die Quote an ihre Position kommen. Das heißt ausdrücklich nicht, dass Frauen, die durch eine mögliche Quote im Vorstand sitzen, zwingend unqualifiziert sind. Aber das erste Bild, was in den Köpfen, vor allem vieler Männer, vorherrschen wird, ist höchstwahrscheinlich die Quote und nicht die Qualifikation.
Ich bin gegen die Quote, aber ich habe gemerkt, dass ich etwas tun muss, um Frauen sichtbarer zu machen und dabei zu unterstützen, mehr von uns in die Führungsetagen zu bringen. Ich sitze an der Quelle und habe die Möglichkeit, diese Frauen da, wo die großen Personalentscheidungen getroffen werden, ins Spiel zu bringen. Deshalb haben wir uns eine Selbstverpflichtung gegeben und versuchen andere Personalberatungen davon zu überzeugen, mit uns gemeinsam an diesem Ziel zu arbeiten. Mit unserer Initiative bringen wir Frauen in die Poleposition. Wir schieben quasi etwas an. Den letzten Schritt müssen sie im Bewerbungsverfahren dann natürlich selbst gehen.
Man kommt nicht auf die Welt und ist die geborene Führungskraft. Dich machen erst Hindernisse, Probleme, Herausforderungen und auch die Erfahrung des Scheiterns zu einer.
Man kommt nicht auf die Welt und ist die geborene Führungskraft. Dich machen erst Hindernisse, Probleme, Herausforderungen und auch die Erfahrung des Scheiterns zu einer. Natürlich gibt es Menschen, die auf der rein fachlichen Ebene sehr viel besser funktionieren. Dies stellt sich dann irgendwann „on the job“ heraus. Aber grundsätzlich sollte das Credo hier nicht der Zweifel an sich selbst sein, sondern der Glaube an sich. Ich habe immer eher die Chance gesehen, als das Risiko – gerade bei Herausforderungen, mit denen ich es vorher noch nicht zu tun hatte. Das hat mir geholfen, auch wenn nicht alles funktioniert hat, was ich angefasst habe. Frauen sollten also selbstbewusst sein und darauf schauen, was sie an Assets aufweisen können, als sich auf mangelnde Erfahrungen zu konzentrieren. Erfahrungen kann man nur sammeln, wenn man anfängt, sich traut und ins kalte Wasser springt.
Wir brauchen den Austausch zwischen den Geschlechtern. Jeder kann von dem jeweils anderen lernen – darum geht es ja letztlich: um die Schaffung einer diversen, komplementären Arbeitswelt, in der alle gleichberechtigt sind.
Frauennetzwerke sind sehr wichtig, um sich auszutauschen, zu lernen und sich inspirieren zu lassen. Männerfreie Zonen in unserer männerdominierten Arbeitswelt können hin und wieder sehr wohltuend sein. Ich denke andererseits, dass Karrieren unter Ausschluss der Männer nicht unbedingt funktionieren können. Wir brauchen den Austausch zwischen den Geschlechtern. Jeder kann von dem jeweils anderen lernen – darum geht es ja letztlich: um die Schaffung einer diversen, komplementären Arbeitswelt, in der alle gleichberechtigt sind.
Führung heißt für mich auch viel Präsenz. Remotes Arbeiten in allen Ehren, aber wenn ich als Führungskraft erfahren will, was in meinen Mitarbeitern vorgeht und wo ich vielleicht jemanden proaktiv abholen kann, bevor er unglücklich wird, geht das nur, wenn man sich regelmäßig live sieht. Das Gefühl für den anderen, Intuition, intensive Gespräche, all das halte ich aus der Distanz heraus für sehr schwierig. Die vielen Kommunikations-Tools, die wir heute haben, helfen sicherlich. Ein echtes Lächeln, dass man sieht, gemeinsame Erfahrungen, die man teilt, gemeinsames Lachen oder spontane Diskussionen können sie dennoch nicht ersetzen. Tandem-Jobs dagegen können für Mitarbeiter noch positiver sein, weil man zwei Ansprechpartner hat, die nicht komplett gleich sind. Es muss nur wahnsinnig gut vorbereitet sein und bedarf einer ähnlichen Wertebasis und ein ähnliches Verständnis von Führung. Wir haben immer öfter die Situation, dass Kunden offensiv nach einer Teilzeit-Führungskraft suchen und gerne Mütter wollen, weil sie gelernt haben, dass Mütter in Teilzeit wahnsinnig effektiv arbeiten.
Ob das die Lösung ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt sie natürlich nicht, die eine Lösung, die die Probleme für alle verschwinden lässt. Manchmal braucht es sehr viel Mut, den einen Schritt zu gehen, der einen beruflich glücklich machen kann. Mut muss man sich allerdings auch leisten können. Alleinerziehende Mütter, zum Beispiel, müssen einfach Geld hereinbringen. Anfang diesen Jahres hatte ich auch ein Tief und mich gefragt, ob ich beruflich dort bin, wo ich sein soll. Wenn nur die eine Möglichkeit existiert, parallel zu einem Job, der die Rechnungen zahlt, dem Traumberuf nachzugehen, warum dann nicht? Das ist hart. Es hat aber auch niemand behauptet, dass der Weg zum erfüllten Beruf einfach sei. Anfang des Jahres gab es auch bei mir einen Punkt, an dem ich mich gefragt habe, ob ich eigentlich noch beruflich dort bin, wo ich sein möchte.
Ich bin Solo-Gründerin und hätte ganz oft gerne jemanden an meiner Seite gehabt, den ich um Rat fragen könnte.
Ich bin damals zehn Tage alleine auf die Malediven geflogen, in das Honeymoon-Paradies schlechthin, wo jeder nur zu zweit ist, wo man nichts machen kann. Ich wollte in das Stadium kommen, dass mir langweilig wird. Da habe ich unter anderem „The big five for life“ gelesen. Ich habe überlegt, was mich wirklich glücklich, was mich unglücklich macht und was mich innerlich antreibt. Das alles mit einem Kaufangebot einer anderen Beratung und einem Abwerbeversuch eines Startups in der Tasche, über die ich entscheiden wollte. Zurück in Hamburg wusste ich dann: ich bin genau da, wo ich hingehöre.
Ich bin Solo-Gründerin und hätte ganz oft gerne jemanden an meiner Seite gehabt, den ich um Rat fragen könnte. Meine Lösung war unter anderem in den Unternehmerverband „Entrepreneurs‘ Organization“ einzutreten, in dem Unternehmer ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig coachen. Wir bekommen so neue Impulse, wie man mit schwierigen Situationen umgehen kann. Zudem habe ich einen erfahrenen Beirat, der mir zur Seite steht und mich immer wieder grandios unterstützt und berät.
Ich bin gerade 36 Jahre geworden. Irgendwann, in den kommenden Jahren, möchte ich ein Kind bekommen. Das ist glaube ich eins der größten Ziele, die man haben kann. Natürlich gehört auch dazu, den Spagat zwischen Kind und Karriere zu schaffen. Da profitiere ich von der Flexibilität meiner Unternehmerrolle. Vor der Verantwortung, beidem gerecht zu werden, habe ich aber gehörigen Respekt!
Beruflich möchte ich mein Unternehmen unabhängiger von mir machen. Es soll bestenfalls möglich sein, dass ich mich eine Zeitlang weitgehend aus dem operativen Geschäft herausziehen kann, ohne, dass es dem Unternehmen schadet.
Hier geht’s s zu ihrem Podcast „Inside Team Building“.
Layout: Kaja Paradiek