Der Frauenanteil in Führungspositionen in Unternehmen lag im Oktober 2018 in Deutschland bei nur 22,6 Prozent. Eine dieser wenigen Frauen ist Katja Steger. Die 45-Jährige ist seit zwei Jahren die neue Geschäftsführerin des Strom- und Gas-Anbieters E wie Einfach. Davor war sie Bereichsleiterin Marketing/Digital/PR im Unternehmen. Wir haben die inspirierende Kölnerin nach Karrieretipps gefragt, wie sie als alleinerziehende Mutter Job und Familie vereint und welchen Führungsstil sie verfolgt.
Katja Steger: Mein Workload ist eigentlich nicht groß gestiegen, sondern der Verantwortungsgrad und die Vielschichtigkeit. Ich leite jetzt nicht mehr nur einzelne Teams, sondern habe die Gesamtverantwortung für ein Unternehmen und damit die Verantwortung gegenüber unserem Mutterkonzern, den Kund*innen, unseren Dienstleistern sowie den Mitarbeiter*innen. Die Vielschichtigkeit bezieht sich auf die vielen neuen Inhalte, die dazu gekommen sind, plus meine Veränderungswünsche – und das Ganze sowohl auf Sach- als auch auf der Beziehungsebene. Das ist hoch komplex.
Man darf vor Komplexität keine Angst haben.
Oft kommen viele Themen auf einmal; nicht nur intern, sondern auch extern getrieben. Ich breche dann das Komplexe in einzelne Scheiben runter. Wichtig ist, gut zu priorisieren und schnell zu handeln. Das ist die Kunst. Das muss man können und darf vor Komplexität keine Angst haben.
Der erste Impuls war Freude – über die Anerkennung meiner Leistung und dass mir so ein Job angeboten wird. Gleichzeitig war da Respekt, also habe ich mir einen Moment Bedenkzeit erbeten. In den folgenden sieben Tagen habe ich gefühlt zwanzig Flipcharts vollgeschrieben: Wie kann ich mir so ein Arbeitskonstrukt vorstellen? Wie kann ich das organisieren? Was heißt das für mich privat und was heißt das fürs Unternehmen?
Ich wollte vieles verändern, dafür brauchte ich gewisse Go’s von einigen Verantwortlichen. Also ein positives Signal, Dinge wirklich verändern zu dürfen. Als ich alle Informationen zusammen hatte, bin ich damit zu den Entscheider*innen gegangen und habe sie mit ihnen geteilt. Die waren überrascht, aber eben positiv und am Ende habe ich den Job bekommen. Dass ich erstmal mit Freude und Dankbarkeit reagierte und dann nach der Bedenkzeit mit einem ausgereiften Konzept zu ihnen kam, hat sie überzeugt.
Absolut. Die Angst vor den hohen Gefilden hatte ich nie. Ich kann sehr gut mit Menschen und habe keine Angst davor, politisch agieren zu müssen. Mir war nur wichtig, dass ich mir nichts vormache und dass ich meine Bedingungen stellen kann. Also all das, was ich brauche, um erfolgreich sein zu können. Einfach reinstolpern, alte Strukturen übernehmen und nachher nichts machen zu dürfen, ist frustrierend. Dazu hatte ich keine Lust.
Ehrlich gesagt, nein. Ich war schon immer neugierig und wissbegierig. Ich mag Themen aufbauen und gestalten, bin aber ein totaler Team-Mensch und gern nah am Kunden. Ich wollte nie jemand sein, der nur in der Theorie von oben irgendwelche strategischen Papiere lenkt. Mein Job muss mir Spaß machen und ich möchte etwas bewegen können. Es war nicht mein erklärtes Ziel zu sagen, das kann ich nur, wenn ich irgendwann Geschäftsführerin werde.
Ich habe in meinem Elternhaus gelernt, dass man als Unternehmer Empathie haben, Verantwortung tragen, Entscheidungen treffen und in gewissen Situationen Mut haben muss. All das habe ich! Es war naheliegend, das auch auszuführen. Als mir diese Stelle angeboten wurde, habe ich zugegriffen. Aber das ist und war nicht mein einziges Karriereziel. Es gibt bestimmt noch viele andere Möglichkeiten, die mich auch erfüllen würden.
Ich bin sehr wertschätzend, auf Augenhöhe, ich gebe sehr viele Freiräume.
Genau, das hat mit meiner Vorstellung von Unternehmertum zu tun. Es gibt Lenker*innen, die ausschließlich auf hoher Flugebene agieren. Und dann gibt es die Lenker*innen – zu denen auch ich mich zählen würde -, die Strategisches mit Operativem vereinen und Spaß daran haben, mit dem Team gemeinsam Themen voranzutreiben. Das lasse ich mir nicht nehmen. Ich kann sehr gut abgeben und delegieren, aber ich habe trotzdem Lust, mitzugestalten.
Ich bin schon sehr fordernd – natürlich finde ich Erfolg toll, das tun wir vermutlich alle. Die Frage ist ja, wie man gemeinsam zum Erfolg kommt. Ich bin sehr wertschätzend, auf Augenhöhe, ich gebe sehr viele Freiräume. Ich achte darauf, gerade wenn es wichtige Entscheidungen sind, dass wir die gemeinsam fällen und somit alle dahinter stehen. So hat man eine ganz andere Akzeptanz im Team, als wenn man bloß von oben herab delegiert.
Und wir haben eine gelebte Fehlertoleranz. Wir lassen Fehler zu, weil wir Dinge einfach mal ausprobieren. Das muss man wollen und das muss man vorleben. Rückhalt ist auch ein Thema: Wenn man seinem Team die Möglichkeit gibt zu entscheiden, kann man später, wenn die Entscheidung nicht gut war, nicht weglaufen. Die Entscheidung muss ich in aller Konsequenz mittragen und das tue ich auch.
Nein, aber wir machen das ganz gut. Wir haben gerade von „Great Place To Work“ eine tolle Auszeichnung bekommen. Sie steht für ein besonderes Engagement bei der Gestaltung der Arbeitsplatzkultur. Somit sind wir jetzt auch offiziell in unserer Branche einer der besten Arbeitgeber Deutschlands!
Aus meiner Sicht gibt es vier relevante Themen, die man berücksichtigen sollte: Selbstmanagement, Leidenschaft, Netzwerkpflege sowie Präsenz: Das erste ist Selbstmanagement. Dazu gehört für mich Selbstreflexion, also das Übereinanderlegen von Selbstbild und Fremdbild. Viele Menschen wirken ganz anders, als ihnen bewusst ist. Wenn du Dir das einmal vor Augen geführt hast, wer du bist und was du kannst, dann solltest du durch Eigeninitiative weiter an Deinen Fähigkeiten arbeiten.
Außerdem brauchst Du einfach die Leidenschaft für den Job. Es muss eine Begeisterung da sein, die man spürt. Dann finde ich das Thema Netzwerkaufbau und -pflege extrem wichtig. Ich habe in einem Artikel gelesen, dass erfolgreiche Unternehmer*innen 40% ihrer Zeit darauf verwenden, Netzwerkpflege zu betreiben, Manager*innen aber nur um die 5%. Die wundern sich dann, warum sie nicht bedacht werden, wenn eine spannende Stelle zu vergeben ist. Männer sind da mehr hinterher als Frauen. Netzwerkpflege ist so essentiell wie Markenaufbau: Wenn du nicht in den Köpfen, also nach außen nicht sichtbar bist, entscheidet sich der oder die Kund*in nicht für dich.
Das letzte Thema ist deswegen Präsenz, also sich sichtbar machen. Damit meine ich aktiv in Runden mitsprechen, mitdiskutieren, nicht in die zweite Reihe setzen und andere sprechen lassen. Wenn du ein Statement machen willst, dann mache es.
Ich habe intrinsisch eine gewisse Motivation, das zu tun. Ich mag Kommunikation, ich mag Menschen. Ich bin nicht die, die immer am lautesten schreit und alle übertönen muss, aber ich weiß mich einzubringen und habe das schon immer getan.
Absolut! Man muss nicht aus einem Introvertierten einen extrovertierten Pfau machen, aber man sollte sich dessen bewusst sein. Ich habe es so gelernt: Du begibst dich in den Garten des anderen. Überlege dir vor einem Meeting: Wer sitzt da? Um welches Thema wird es gehen? Welchen Punkt möchtest du setzen?
Wenn man ein Unternehmen übernimmt, muss man sich einmal ganzheitlich die Karten legen. Als ich den Job übernommen habe, habe ich komplett alles hinterfragt. Ich habe mir das Unternehmenskonstrukt im Ganzen angeschaut und überlegt, wie wir im Konzern verankert sind. Wie nimmt der Konzern uns wahr? Wie sind wir auf dem Markt positioniert? Wie nimmt der oder die Kund*in uns wahr? Produktseitig, serviceseitig und kommunikativ. Wie sind wir mitarbeiterseitig aufgestellt? Haben wir die richtigen Kolleg*innen auf den richtigen Plätzen? Auch das Thema Arbeitsumgebung ist wichtig: Ist sie zeitgemäß? Wir hatten noch uralte Räume mit grauen Teppichen und überall Aktenordner, die kein Mensch mehr brauchte. Ausmisten schafft einfach Freiraum. Dann das Thema Nachhaltigkeit: Handeln wir hier wirklich nachhaltig oder ist da noch Potenzial?
Wir haben alles auf den Tisch gelegt und gemeinsam priorisiert und verteilt, wer welches Thema vorantreibt. Alleine hätte das nicht funktioniert.
Es ist immer ein Spagat. Ich kann nicht sagen, dass alles easy ist und ich immer eine ausgeglichene Work Life Balance habe. Es ist eine total komplexe Organisation. Ich sitze jeden Sonntag da und gucke mir die Folgewoche an. Ich überlege, ob die abgemachten Zeiten mit Familie und Freunden, die Hobbys, die Geburtstage, Arzttermine und die schulischen Ansprüche meiner Tochter mit meinem Arbeitskalender zusammenpassen. Dazu kommen Reisen, Termine, Vorträge. Mittwoch ist Oma-Tag und Freitag ist Papa-Tag, aber Papa hat dann doch was anderes vor und die Oma auch und dann muss eine neue Lösung her.
Meistens ja und manchmal muss man einfach lachen und drei Termine streichen. Anders geht es nicht. Was die Sache erleichtert, ist, dass ich als Unternehmensleiterin als Vorbild fungiere und eine Flexibilität vorleben kann. Ich habe eingeführt, dass man seinen Tag so frei wie möglich gestaltet. Manchmal stehe ich sehr früh auf und arbeite schon von vier bis sechs Uhr morgens, dafür gehe ich dann um 16 Uhr, weil ich den Nachmittag mit meiner Tochter verbringe. Es gibt viele Alternativen, wie Unternehmen Familien die Möglichkeit geben können, sich die Zeit freier und besser einteilen zu können. Wenn man das als Frau will, egal ob alleinerziehend oder nicht, braucht man ein Netzwerk aus vertrauten Personen. Alleine schafft man das nicht.
Als Mutter ist ein Geschäftsführungs-Job immer schwierig, ob alleinerziehend oder nicht.
Der Vater meiner Tochter und ich machen das toll zusammen. Als Mutter ist ein Geschäftsführungs-Job immer schwierig, ob alleinerziehend oder nicht. Der Partner hat in der Regel ja auch einen Job. Das Netzwerk zählt! Du brauchst Familie, Freunde, bei mir noch die Nachbarin und die ehemalige Erzieherin. Du brauchst oft nicht nur Plan B, sondern C.
Ich bin ein Naturmensch, ich bekomme Energie, wenn ich draußen bin. Ich gehe so oft wie möglich im Wald laufen, das gibt mir Kraft. Mein Tipp ist, im Kalender Zeit für sich selber einzuplanen. Denn wenn der Freiraum nicht im Kalender steht, wird er sofort anderweitig belegt. Und ich verplane Abende und Wochenenden nicht mehr komplett, sondern mache einfach mal: nichts.
Neugierde gepaart mit analytischem Know-how. Know-how, um komplexe Sachverhalte herunterzubrechen. Neugierde, um überhaupt Wandel und Innovation zu erkennen. Ich habe Lust auf Neues und Veränderungen, ich habe keine Angst davor, sondern finde es spannend. Und ich bin absolut empathisch. Als Geschäftsführer*in musst du Empathie zu Führungskräften, Mitarbeiter*innen und Kund*innen aufbauen. Dann hat mir natürlich mein Netzwerk geholfen, Organisationstalent und Durchsetzungsstärke. Die brauchst du, wenn du Barrieren überwinden oder an Dingen dranbleiben willst. Viele Frauen bekommen ein „Nein“ und fragen dann nie wieder nach. Das sollten sie ändern!
Fotos: E wie Einfach
– Werbung: In Zusammenarbeit mit E wie Einfach –
2 Kommentare
Liebe Katja, ein super sympathisches Interview! Ganz liebe Grüße und Euch fröhliche Weihnachten, Friederike
Die Intervieerin hat pflegeleichte Fragen gestellt, da waren die Antworten leicht.
Da habe ich leider anderes erlebt!
Ein Interwiew ist das Eine, das Gesagte permanent zu leben, etwas völlig anderes.
Ich wünsche Frau Steger eine stets glückliche Hand bei ihren Entscheidungen, wie auch im Umgang mit ihren Mitarbeitern.