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Feminismus

Wie kann man mit AfD-Wähler*innen (noch) reden, Sally Lisa Starken?

12. Februar 2025

geschrieben von Juliane Baxmann

Sally Lisa Starken - wie können wir mit AfD-Wähler*innen reden?

Nächste Woche ist Bundestagswahl und die AfD könnte nach Prognosen die zweitstärkste Kraft im Bundestag werden. Eine Partei, die vom Verfassungsschutz in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Warum wählen Menschen AfD? Was lässt sie glauben, das Programm der AfD führe sie in eine bessere Zukunft? Und vor allem: Wie können die Menschen, die sich von ihr angesprochen fühlen, wieder erreicht werden?

Das fragen wir Politikjournalistin Sally Lisa Starken. Für ihr neues Buch “Zu Besuch am rechten Rand. Warum Menschen AfD wählen” (erscheint am 19.2. im “Heyne Verlag”) hat sie AfD-Wähler*innen getroffen und ihnen zugehört. Sie zeigt die unterschiedlichen Lebensgeschichte dieser Menschen auf und fragt, wo genau die demokratischen Kräfte den Anschluss verloren haben. Ihr Plädoyer? Mit Menschen sprechen – und nicht nur über sie. Denn nur so haben wir eine Chance, Menschen für die Demokratie zurückzugewinnen.

Warum fühlen sich diese Menschen im demokratischen Spektrum nicht mehr vertreten?

femtastics: Was hat dich dazu bewogen dein neues Buch zu schreiben?

Sally Lisa Starken: Ich setze mich schon länger in den sozialen Medien mit politischer Bildung auseinander und habe Kinderbücher zu diesem Thema geschrieben. Dabei hatte ich immer wieder das Gefühl, dass Menschen, die die AfD wählen, mit mir ins Gespräch kommen wollten – mir erklären wollten, warum sie das tun und welche Beweggründe dahinterstehen. Und das passierte oft in den kuriosesten Situationen, vor allem im Zug, im Bordbistro. Gleichzeitig habe ich beobachtet, dass es inzwischen viel normaler geworden ist, offen darüber zu sprechen, die AfD zu wählen. Es ist kein Tabu mehr.

Mir fiel auf, dass wir meist nur über AfD-Wähler*innen oder die Partei, ihre Forderungen und über Statistiken sprechen. Aber selten sprechen wir direkt mit den Menschen selbst. Ich wollte raus aus der journalistischen „Blase“, raus aus der Theorie, und direkt mit ihnen ins Gespräch kommen.

Denn es wäre zu einfach, sie pauschal als rassistisch oder ungebildet abzutun. Irgendetwas muss in ihrem Leben passiert sein, das sie zu dieser Entscheidung gebracht hat. Die Frage, die mich umtreibt, ist: Warum fühlen sich diese Menschen im demokratischen Spektrum nicht mehr vertreten?

Wie führe ich ein Gespräch auf Augenhöhe, ohne sofort meine eigene Meinung einzubringen?

Wie bist du an diese Gespräch für dein Buch rangegangen? Wie wolltest du den Menschen begegnen und wie wolltest du mit ihnen sprechen und ihnen zuhören?

Natürlich war mir bewusst, dass man in solchen Gesprächen leicht pauschalisiert – und dass ich selbst eine klare Meinung zur AfD habe. Ich kenne die Fakten, weiß um die rechtsextremen Strukturen innerhalb der Partei und ihre Verbindungen zu anderen Organisationen. Aber wenn ich einem Menschen in einem Gespräch einfach entgegenhalte: „Die AfD ist in weiten Teilen rechtsextremistisch gesichert, und viele Mitglieder sind in fragwürdigen Netzwerken aktiv“, dann überfordere ich mein Gegenüber. Solche Informationen prallen oft ab, statt einen echten Austausch zu ermöglichen.

Deshalb habe ich mich im Vorfeld mit der Psychologin Miriam Junge zusammengesetzt, um genau das zu üben: Wie kann ich aus meinem journalistischen Reportermodus heraustreten? Wie führe ich ein Gespräch auf Augenhöhe, ohne sofort meine eigene Meinung einzubringen? Ich wollte verstehen, wie ich hinter die Kulissen eines Menschen blicken kann – sodass er oder sie nicht nur in Parolen oder Plattitüden spricht, sondern wirklich erzählt, was ihn oder sie bewegt.

Wie war das dann, AfD-Wähler*innen zu begegnen?

Ich erinnere mich noch gut an die ersten Begegnungen – sie sind nicht im Buch enthalten. Es war in Erfurt, in der Innenstadt, an unserem ersten Tag in Thüringen. Wir stolperten von einer Situation in die nächste, weil die Landtagswahl und die AfD-Wählerschaft allgegenwärtig waren. Egal, wo wir hinkamen – das Thema war immer präsent. Wir konnten dem gar nicht entkommen. Selbst nach einer Demo, beim Abendessen, saß hinter uns die „Identitäre Bewegung“.

Es zog sich durch die gesamte Recherche. Wir waren auch beim „Dritten Weg“, einer neonazistischen Partei, in einem kleinen Ort unter Polizeischutz. Doch selbst dort kamen wir nicht aus der Situation heraus – Stunden später begegneten uns dieselben Leute in Erfurt auf einer Gegendemo wieder.

In Erfurt erlebten wir eine prägende Szene: Ein kleiner Wahlkampfstand der AfD war aufgebaut, und wir begannen, uns heranzutasten. Wir sprachen gezielt Menschen an, die Flyer mitnahmen, und versuchten herauszufinden, warum sie sich für diese Partei entschieden. Auch die Kandidatin vor Ort suchte das Gespräch mit uns. Sie war eine bekennende Rechtsextreme – und genau da zog ich eine Grenze. Der Anspruch meines Buches ist es, Menschen keine Plattform zu geben, die rechtsextremes Gedankengut vertreten. Ich wollte mit jenen sprechen, die die AfD wählen, aber sich weiterhin als Teil der gesellschaftlichen Mitte verstehen. Diese Begegnung war für mich eine erste Übung: Wie reagiere ich, wenn ich mit solchen Positionen konfrontiert werde? Was macht das mit mir?

Das ganze Interview mit Sally Lisa Starken hört ihr in unserer Podcast-Episode!
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Foto: Daniel Dittus