Queerness-Influencer Strify: „Ich habe mich viel zu lange klein gemacht!“

24. Juni 2021

Der Pride Month macht jedes Jahr im Juni auf die Rechte von LGBTQIA* aufmerksam und feiert das bunte Leben – doch eigentlich sollte das für jeden Tag im Jahr gelten. Das findet auch Strify: Der Influencer, der Teil der aktuellen „C&A“-Pride-Kampagne ist, macht sich für queere Personen stark und gibt all jenen eine Stimme, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, aber auch ihrer Hautfarbe oder Körperform benachteiligt werden. „Wir sind auf dem richtigen Weg in eine bessere Zukunft, aber es muss sich noch viel ändern!“, sagt er – und meint damit nicht nur die Einstellung der Gesellschaft, sondern auch die der Modeindustrie. Er hat schon oft am eigenen Leib erfahren wie sich Ausgrenzung anfühlt – auf Social Media, aber auch im Offline-Leben. Wie er damit umgeht und welcher Schritt ihm als Teenager zu mehr Selbstbewusstsein verholfen hat, verrät er im Interview.  


Partner dieser Story ist „C&A“. Mit dem Slogan „LGBTQIA+U+ME“ steht „C&A“ für Gleichheit und fördert Inklusivität, Vielfalt und Gemeinschaft. Du willst Teil des Regenbogens sein, der sich im Juni über die ganze Welt spannt? Die „C&A“ PRIDE-Looks machen es dir einfach. Egal ob als kleine Stickerei über dem Herzen, als strahlender Print auf der Brust oder im riesigen All-Over-Style in Batik-Optik: Lass uns unsere Werte gemeinsam nach außen tragen – feiern wir den PRIDE Month! 🏳‍🌈


femtastics: Was kann Mode in Sachen Gleichheit bewirken?

Strify: Mode ist ein Spiegel der Gesellschaft und kann viel Einfluss darauf haben, wie Menschen Dinge wahrnehmen. Wenn Mode nicht mehr explizit für bestimmte Körperformen, Geschlechter oder auch Hautfarben gemacht wird, findet auch bei den Kund*innen ein zunehmendes Umdenken statt. Teilweise passiert das zum Glück schon – es wird zum Beispiel viel mehr über Plus-Size-Mode gesprochen. Insgesamt findet mehr Diversity in der Mode statt, auch wenn das sicher ausbaufähig ist.

Manchmal würde ich mir von Shops wünschen, auf die klassische Mann/Frau-Unterteilung zu verzichten.

Welche gesellschaftliche Verantworung haben Modemarken?

Sie können viel bewegen, indem sie sagen: „Wir gehen jetzt einen Schritt in eine andere Richtung. Und machen das nicht so wie wir das bis jetzt immer gemacht haben.“ Deutschland ist ein buntes und ich hoffe auch offenes Land – das sollte sich auch in der Mode widerspiegeln. Es sind noch viele Baustellen da und wir alle müssen weiter Kritik üben, um besser zu werden. Wie kann es zum Beispiel sein, dass für manche Kampagnen nur weiße Menschen engagiert werden? Das bildet unser Land nicht ab – noch dazu gibt es so unheimlich viele Menschen, die Lust haben, sich zu zeigen, einen tollen Ausdruck und dazu noch eine Geschichte dahinter haben. Davon würde ich gerne mehr sehen. Manchmal würde ich mir von Shops auch wünschen, auf die klassische Mann/Frau-Unterteilung zu verzichten. Denn ich sehe diese Grenzen gar nicht so klar und muss oft nachfragen: „Kann ich mir auch was aus der Frauenabteilung aussuchen, ist das in Ordnung?“. Ich weiß aber auch, dass das ein Prozess ist. Umso wichtiger ist es, solche Dinge zu thematisieren. Ich finde es zum Beispiel super, dass C&A zum Pride Month eine Unisex-Kollektion gelauncht hat.

C&A feiert den PRIDE Month mit einer besonderen Kollektion unter dem Slogan „LGBTQIA+U+ME“.

In welcher Mode fühlst du dich wohl?

Natürlich sollte ein Kleidungsstück gut sitzen. Das gibt mir Power. Ich hab aber auch schon Outfits angehabt, die keinen perfekten Fit hatten und die ich trotzdem unbedingt tragen wollte, weil mir die Hose oder das Oberteil so sehr gefallen haben. Wenn ich einen super Tag habe, dann ist mir der Sitz eines Kleidungsstücks egal. Mein Modegeschmack drückt also auch immer ein bisschen meine Stimmung aus. Manchmal will ich mich einfach super glamourös und sexy fühlen, an manchen Tagen will ich einfach nur was Gemütliches tragen. Ich glaube, das geht jedem so.

Früher habe mich richtig klein gemacht – und irgendwann wollte ich das nicht mehr.

Sich ein tolles Kleidungsstück zu gönnen oder ein besonderes Outfit zusammenzustellen, hat auch etwas mit Selbstliebe zu tun. Wie hast du Selflove gelernt?

Früher wurde mir oft gesagt: „Nein, du darfst mit XY nicht spielen“. Oder: „Du sollst dich so nicht verhalten“. Weil ich das immer und immer wieder gehört habe, fast mein ganzes bisheriges Leben lang, und nur wenig Support da war, musste ich mich irgendwann entscheiden: Will ich ich sein und meinen Weg gehen? Oder wie sehr kann ich mich anpassen? Da ging es nicht nur um Selflove, sondern das war ein Survival-Ding! Wenn ich heute zurückschaue und auch Fotos aus meiner Kindheit sehe, dann denke ich mir oft: „Warum habe ich mich eigentlich immer so hässlich und awkward in meinem Körper gefühlt?“ Das war wirklich immer so. In meiner frühen Pubertät wurde ich dann immer introvertierter, ich dachte immer, ich sei unnütz und hätte kein Talent. Ich habe mich da richtig klein gemacht – und irgendwann wollte ich das nicht mehr.

Kannst du dich noch einen Moment erinnern, der bei dir dieses Umdenken bewirkt hat?

Es war natürlich ein Prozess, denn solche Dinge brauchen immer Zeit und vielleicht auch die eine oder andere unangenehme Erfahrung. Aber ich kann mich trotzdem an Momente erinnern, in denen ich bemerkt habe: „Hey, es gibt da doch ein paar Dinge, die mir ein gutes Gefühl geben!“. Ich habe zum Beispiel früher eine Brille getragen – und als ich irgendwann Kontaktlinsen hatte, habe ich bemerkt, wie gut Veränderungen tun. Das hat etwas angeschoben, auch wenn es vielleicht im ersten Moment oberflächlich klingt.

Die Pride-Kampagne von „C&A“ zelebriert die Vielfalt.

Was würdest du deinem 14-jährigen Ich heute sagen?

Dass es auf jeden Fall besser wird, ich auf dem richtigen Weg bin. Dass ich keine Angst haben muss und dass es sich einfach nicht lohnt, sich immer klein zu machen. Das habe ich damals viel zu lange gemacht. Wobei ich die Dinge heute vielleicht gar nicht so klar sehen würde, wenn ich das alles nicht durchgemacht hätte. Aber gleichzeitig wünsche ich mir auch, dass Dinge für viele Menschen heute einfacher sein können.

Zum Beispiel durch Vorbilder wie dich. Hattest du als Teenager jemanden, an dem du dich orientieren konntest?

Ja, zum Beispiel Madonna. Weil ich es einfach immer supercool fand, wie sie ihr Ding macht. Außerdem hat sie schon damals viel über LGBTQI*-Rechte gesprochen, als das noch kein großes Thema war. Es gab ja auch noch kein Social Media und die betroffenen Leute konnten sich nicht so gut selbst zu Wort melden und vernetzen. Umso wichtiger war eine Fürsprecherin wie sie. Und ich bewundere sie noch heute, sie ist einfach eine coole Sau. Alles in allem waren es immer Frauen, die mich inspiriert haben.

Auch im Privatleben?

Da war meine Mutter ein ganz wichtiger Ankerpunkt – und das ist sie auch heute noch. Sie hat mir immer die Freiheiten gegeben um herauszufinden, wer ich bin und was ich möchte.

Auf Instagram hast du kürzlich darauf aufmerksam gemacht, dass es erschreckenderweise immer mehr Straftaten gegenüber LGBTQI* gibt. Woran liegt das?

Ich glaube, dass die Stimmung im Internet dazu beiträgt. Sogar die Politik macht teilweise keinen Halt davor. Es wird explizit gegen bestimmte Gruppen gehetzt. Und das macht natürlich auch was mit den Menschen. Wenn man immer wieder sieht, dass irgendwelche Politiker*innen offen Menschen rassistisch, homophob oder frauenfeindlich angehen, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen, dann wirkt es für manche viel selbstverständlicher, auch sowas zu sagen. Ich bin kein Experte – aber in meiner Wahrnehmung hat das zu einer aufgeheizten Stimmung beigetragen. Denn wenn selbst Politiker*innen auf einer großen Bühne gegen bestimmte Gruppen von Menschen wettern, denken sich viele: „Warum soll ich dann Respekt zeigen?“. Dieses Klima macht mir oft Angst.

Was kann man deiner Meinung nach dagegen tun?

Grenzen setzen und anderen Menschen mit Respekt gegenübertreten ist ein Anfang, auch wenn das klischeehaft klingen mag.

Jede Person im Internet, die eine Meinung hat und sich positioniert, muss auch mit Hasskommentaren rechnen, die über eine normale Kritik hinausgehen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass meine bloße Existenz gewisse Leute provoziert.

Strify trägt ein Pride-Shirt von „C&A“.

Bist auch du Gewalt ausgesetzt?

Jede Person im Internet, die eine Meinung hat und sich positioniert, muss auch mit Hasskommentaren rechnen, die über eine normale Kritik hinausgehen. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass meine bloße Existenz gewisse Leute provoziert – meistens, wenn ich meine eigene Internet-Bubble verlasse. Dann fängt es damit an, dass Leute mich als hässlich bezeichnen oder es werden Kotz-Emojis gepostet. Das tut manchmal weh, aber in der Regel kann ich da drüber stehen und finde es auch wichtig, meine Bubble zu verlassen. Und am Ende ist es nur das Internet, aus dem man sich ausloggen kann. Aber auch im Real Life gibt es manchmal unangenehme Situationen.

Magst du ein Beispiel geben?

Mir wurden schon Flaschen hinterhergeworfen. Queere Freunde von mir mussten in Berlin aus dem Taxi aussteigen, weil sie Händchen gehalten haben. Und es gab einen Vorfall in der Berliner U-Bahn: Da waren zwei Menschen mit asiatischem Hintergrund unterwegs, wahrscheinlich Touristen. Plötzlich stieg jemand ein, der offensichtlich betrunken und etwas drüber war – was keine Ausrede ist! Er hat die Touristen dann rassistisch beleidigt. Ich war der Einzige, der dazwischen gegangen ist und am Ende wurde ich auch beleidigt. Als ich aus der Bahn ausstieg, ist er mir nachgelaufen. In dem Moment hätte ich mir mehr Zivilcourage von den anderen gewünscht. Denn am Ende ist es doch so: Niemand muss mich feiern. Ich will einfach nur mein Leben leben können, ohne die ständige Angst: „Wenn ich mich jetzt so und so verhalte, dann könnte was passieren.“ Ich will ja niemandem den Raum wegnehmen, sondern bloß meinen eigenen Raum haben.

Man braucht ein starkes Umfeld, auf das man sich verlassen kann.

Wie verarbeitest du solche Situationen?

Es kommt auf die Stimmung an. Manchmal ignoriere ich es, manchmal muss ich mit meinen Freund*innen, meiner Chosen Family, darüber reden. Man braucht ein starkes Umfeld, auf das man sich verlassen kann. Letztlich ist mir wichtig, dass ich mich nicht verstecke und mich klein mache, nur weil andere sich dadurch besser fühlen.

Strify trägt das „The Future is Equal“-Shirt von „C&A“.

Ich wünsche mir einfach Politiker*innen, die ihre Stimme für Randgruppen starkmachen.

Mit Blick auf die Bundestagswahl in diesem Jahr: Was muss sich deiner Meinung in der Politik tun, um die Akzeptanz von LGBTQIA* in der breiten Masse stärker zu etablieren?

Die momentane Politik spiegelt wider, dass Deutschland ein weißes, heteronormatives Land ist. Und ich wünsche mir einfach Politiker*innen, die ihre Stimme für Randgruppen starkmachen. Durch die Corona-Lockdowns hat man wieder gemerkt, dass Teile der Bevölkerung einfach ausgeschlossen werden. Denn es ging immer um die „Kernfamilie“, die viele queere Menschen einfach nicht haben. Darüber bin ich immer wieder gestolpert. Auch meine Familie ist nicht in der Stadt – stattdessen habe ich eine Chosen Family, die ich teilweise nicht sehen konnte. Aber das ist eine Sache, die für viele Politiker*innen aktuell vollkommen fernab der Realität ist.

Vielen Dank für das offene Gespräch!

Hier findet ihr Strify:




Am 26. Juni 2021 wird Strify zusammen mit Riccardo Simonetti einen Instagram Live Talk auf dem „C&A“ Kanal geben, um über Pride, Toleranz und Diversity aufzuklären.

Zudem wird „C&A“ – wenn es die Corona-Situation zulässt – am „Christopher Street Day“ in Köln teilnehmen. See you there!


Fotos: „C&A“

Werbung: In Zusammenarbeit mit „C&A“

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