Aaron Amankwaah alias Aaron Night ist einer dieser Menschen, die man einfach mögen muss. Mit seiner positiven Einstellung ist er zu einem richtigen Multitalent geworden und weltweit als Choreograph und Tänzer unterwegs. Seit mehr als zehn Jahren ist der 28-Jährige auf den großen Bühnen dieser Welt und in Musikvideos von Bands wie den Söhnen Mannheims oder Musikern wie Mark Forster und Samy Deluxe zu sehen. Dazu leitet er sein eigenes Unterhaltungsunternehmen „The FantastiX“ und vermittelt nationale Tänzer an Werbekunden. Frisch von einem Auftragsjob aus Kopenhagen eingeflogen, erzählt er uns bei einer Tasse Kaffee in Hamburg-Ottensen von seiner Leidenschaft, die er erfolgreich zum Beruf gemacht hat.
Aaron Night: Schön, das freut mich zu hören! Ja, ich bin grundsätzlich sehr positiv eingestellt, weil ich ein paar Regeln habe, die ich befolge. Zum Beispiel, dass es keine Fehler gibt, sondern nur Herausforderungen. Probleme finden meistens nur im Kopf statt und sind nicht real, es sei denn, sie haben einen Effekt auf die Welt. Jede Herausforderung hat ihre Tücken, aber sie sollte dich eher zum Schmunzeln bringen. Alles mit einem Lächeln anzunehmen ist einfacher, als dem Ganzen negativ gegenüberzustehen. Man darf seine innere Stärke nicht unterschätzen. Diesen Glaubenssatz verfolge ich auch auf Instagram.
Ich habe jahrelang Straßenshows als Streetdancer gemacht. Da habe ich gemerkt, wie viel über Emotionen und Lachen geht. Die Menschen sind ganz anders eingestellt, wenn du ihnen mit einem Lächeln entgegengehst, auch wenn sie schlechte Laune haben.
Ich bin früher immer im Bett meiner Eltern rumgesprungen und habe Saltos gemacht, bis meine Eltern auf die Idee gekommen sind, mich im Schwimmverein anzumelden, damit ich mich richtig auspowern kann. So habe ich Schwimmen ausprobiert und bin sieben oder acht Jahre lang dabei geblieben. Danach habe ich mit dem Tanzen angefangen. Meine Mama war auch Tänzerin und mein Vater war DJ, deswegen war Musik und Tanzen immer ein riesiges Thema bei uns.
Das hat sich bei mir schon mit 17 oder 18 herausgestellt, als ich nach dem Schwimmen mit dem Tanzen angefangen habe. Mit 19 Jahren bin ich Vizeweltmeister bei einer Tanzmeisterschaft geworden und habe für mich entschieden, dass ich das professionell machen möchte.
An meinem Job mag ich die Vielfältigkeit und dass ich so viele unterschiedliche Leute treffe. Außerdem liebe ich das Reisen.
Es gibt eigentlich keinen Alltag und selten einen Tag, an dem ich nichts mache – ich bin überall und nirgendwo. Ich sitze oft zu Hause in meinem Office und arbeite an unterschiedlichen Konzepten für Messen, Shop-Eröffnungen oder Präsentationen von Kunden. Ich bin auch oft auf Produktionen, bei Videodrehs oder natürlich beim Training. Und an anderen Tagen reise ich sehr viel als „Influencer“. So nenne ich mich selbst eigentlich nie, weil das nicht mein Job ist. In meinen Augen posiert ein Influencer und setzt etwas cool in Szene. Bei mir geht es eher um den Aspekt Tanz. Ich habe zum Glück Puma als Partner, die mich auf meinem Weg unterstützen – so muss ich mir weniger Sorgen um Zahlen oder Follower machen.
Es gibt sehr viele Vorteile. Ich mag die Vielfältigkeit und dass ich so viele unterschiedliche Leute treffe. Außerdem liebe ich das Reisen. Dass ich an vielen verschiedenen Orten sein kann, ist das Schönste an meinem Job! Ich kann meinen Arbeitstag selber gestalten und mache nur Dinge, auf die ich Lust habe. Wenn zum Beispiel ein Kunde auf mich zukommt und mir irgendetwas vorschreiben will, was mich nicht repräsentiert, sage ich ganz einfach Nein dazu. Viele Kunden haben nämlich eine falsche Vorstellung von meiner Kunst und den Möglichkeiten in der Umsetzung. Das ist oft eine Herausforderung für mich.
Ich bin so charmant, dass ich die Dinge immer so drehen kann, dass sie mir passen. Wenn ich zum Beispiel tänzerisch komplett die Erwartungen meiner Kunden erfülle, kann ich im Gegenzug Forderungen stellen. Zum Beispiel: „Ich mache euch genau dies und jenes, wenn ihr mich nicht anmalt.“ So entstehen Kompromisse. Aber ich habe auch schon viele verrückte Dinge gemacht – zum Beispiel von einem 50 Meter hohen Gebäude an einem Seil gehangen und schräg an der Wand getanzt. Zur WM 2010 stand ich auf der Bühne der Fanmeile vor 500.000 Menschen.
Oh ja, an dem Tag war ich hart aufgeregt! Das war einer meiner ersten großen Gigs vor so vielen Menschen. Lustigerweise habe ich aus Versehen die Bühne kaputt gemacht und bei einem Salto eine LED-Leuchte zerschlagen. Wenn man sich die Aufnahmen anguckt, sieht man, wie die Kamera bei einem Interview immer ein Stück nach rechts schwenkt, weil die LEDs links kaputt waren. (lacht) Aber mittlerweile bin ich eher selten aufgeregt. Ich weiß, was mich erwartet. Außerdem ist Aufregung etwas Gutes. Das heißt, dass du eine gute Energie hast.
Genau, dort beschäftige ich über 25 Tänzer aus ganz Deutschland und vermittle sie an große Produktionen, wie Musikvideos. Früher waren wir auch gemeinsam bei Straßenshows oder Battles, mittlerweile sind wir nur noch für Großkunden unterwegs. Jeder einzelne Tänzer fährt aber auch noch seine Einzelschiene.
Wenn ich Tänzer sehe, die überragendes Talent und Ausstrahlung haben, gebe ich ihnen die Möglichkeit, bei uns am Start zu sein. Sie müssen an ihre Gabe glauben und für das Tanzen brennen. Hobbytänzer haben zwar auch Talent, aber die kommen für mich nicht infrage, weil mir da das Herz fehlt. Im Vorfeld läuft das wie bei einer normalen Bewerbung ab: Manchmal kenne ich die Person persönlich und weiß, wie sie drauf ist. Es kann aber auch passieren, dass ich die Tänzer scoute und selber anspreche, weil ich Potenzial gesehen habe. Ich schaue mir die Vita an, das heißt die Tänzerbewerbung und ihre Videos. Und dann prüfe ich, ob sie in meine Konzepte passen. Ich suche aber nicht gezielt.
Ich möchte Tänzer unterstützen, damit sie von ihrer Kunst leben können – nicht, um ihnen das Geld hinterher zuschmeißen. Da ist ein großer Unterschied! Ich habe jahrelang Tänzer für Produktionen ran geholt. Also habe ich quasi dafür gearbeitet, dass sie ihr Geld verdienen. Da bin ich oft zu kurz gekommen und irgendwann dachte ich mir, so geht das nicht. Deshalb müssen sie sich zusätzlich natürlich noch selber nach Jobs umgucken und manche geben zum Beispiel nebenbei Tanz-Unterricht. Von einem oder zwei Jobs im Jahr kann ein Tänzer nicht leben, da bin ich ganz ehrlich. Die Aufträge kommen immer unregelmäßig rein.
Für mich hat das irgendwie nie viel Sinn ergeben. Ich tanze immer noch aktiv Freestyle, aber nicht, um mit anderen Menschen zu konkurrieren, sondern, um Liebe zu teilen. Beim Battle geht es um den Austausch und ums Messen voneinander – das brauche ich nicht mehr.
Man darf sich nicht unterbuttern lassen und muss zu 100 Prozent an sich und seine Fähigkeiten glauben.
Da stimme ich hundertprozentig zu. Frauen sind nicht nur unter Tänzern, sondern zum Beispiel auch unter Rappern oder Sprayern noch nicht so stark vertreten. Aber das kommt langsam. Mein Rat lautet: Zieht euren Shit durch! Man darf sich nicht unterbuttern lassen und muss zu 100 Prozent an sich und seine Fähigkeiten glauben. Es gibt einen schönen Satz, den ich immer sage: „Everybody wants to go to heaven but nobody wants to die.“ Das bedeutet im übertragenen Sinne: Jeder will erfolgreich sein, aber keiner will das geben, was nötig ist, um dorthin zu kommen. Aber um Erfolg zu haben, muss man genau das machen. Dabei geht es nicht immer nur um Geld, sondern ganz einfach um Durchhaltevermögen, Durchsetzungsvermögen, Kritikfähigkeit, Hartnäckigkeit – egal ob Mann oder Frau.
Die Menschen beschäftigen sich heutzutage viel mit ihrem Körpergefühl. Deswegen glaube ich, dass das Tanzen an sich ein genereller Trend ist, genauso wie Yoga oder andere Sportarten. Kleinere Trends im Tanz entstehen oft erst durch aktuelle Songs und vieles funktioniert eher online als offline – wie zum Beispiel die Keke-Challenge von Drake. Ich mache keine einzige dieser Challenges mit. Anderson.Paak hat aber einmal eine Challenge nach einem Video von mir aufgerufen. Ich habe einfach nur den Track gefeiert und ein Video dazu aufgenommen, was er gerepostet hat. Und so wurde ich Teil der Challenge.
In der urbanen Szene gibt es viele Tänzer, die sagen, dass es nur eine Crew in der Stadt geben darf. Da geht es ja darum, sich einen Namen zu machen. Es gibt aber natürlich auch Konkurrenzkämpfe unter den kommerziellen Tänzern. Die leben davon und es geht ums Geld. Dazu kommt, dass sich auf ein Ausschreiben bis zu 600 Tänzer bewerben, aber teilweise nur zwei gebraucht werden. Wenn man an sich glaubt und weiter macht, gibt es aber immer einen Weg. Man muss nur durch die nächste Tür gehen und seine Komfortzone verlassen. Der Markt ist außerdem groß genug für alle.
Für mich ist Instagram eine super Plattform, um meine Message in die Welt zu tragen. Ich will den Menschen nahe bringen, dass man sich selber vertrauen soll und Fehler machen darf. Aber Social Media ist für mich nicht essenziell. Alle Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, unterstützen mich auch ohne mein Internetauftreten. Aber irgendwie wächst trotzdem alles grade. Ich bin zufrieden.
Als Freestyler tanze ich grundsätzlich frei. Wenn ich ein gutes Lied höre, geht in einem Kopf sofort eine Geschichte los und ich merke: Das ist genau das, was ich machen will. Dann juckt es mir schon in den Beinen! Manchmal denke ich während des Hörens aber auch an einen zweiten Tänzer, den ich irgendwo kennengelernt habe und weiß, dass genau diese Person die richtige für den Song ist. Wenn ich das Ganze für Instagram oder YouTube festhalte, mache ich den Schnitt selber. Das habe mir selber beigebracht, um meine Vision genau so umzusetzen, wie ich mir das vorstelle. Ich möchte, dass in meinen Videos ein gewisser Flow drin ist. Der Zuschauer soll meine Energie fühlen.
Vom Anfang bis zur Fertigstellung vielleicht vier Stunden, wenn ich sehr gut bin. Es gibt aber auch Sachen, an denen ich eine Woche sitze. Wenn ich mit anderen Tänzern kollaboriere, trainieren wir vorher zusammen und drehen anschließend das Video. Das dauert vielleicht 12 Stunden. Darunter fallen die Songauswahl, 2-3 Stunden Training, die Locationsuche und zum Schluss der Dreh. Normalerweise suche ich mir einen Track aus und spreche mit meinem Filmer über meine Vorstellungen. Mit dem habe ich mich schon ziemlich gut eingespielt, sodass ich ihm nicht mehr viel erklären muss.
Mein Leben sieht in der Zukunft genauso aus wie jetzt, nur noch geiler (lacht). Zum Beispiel plane ich gerade ein Lifetime-Projekt: Mein eigenes Tanztheater, was nächstes Jahr erscheinen soll. Daran habe ich in den vergangenen sechs Jahren sehr stark gearbeitet. Im besten Fall toure ich in fünf Jahren mit meinem Tanztheater durch die Gegend, lebe irgendwo auf der Welt und mache genau das weiter, was ich jetzt auch schon mache.
Ich behaupte nicht. Mein Freundeskreis ist überwiegend in der gleichen Situation wie ich. Wir unterstützen uns alle immer gegenseitig. Außerdem sind meine engsten Freunde eh auf der ganzen Welt verstreut. Es gibt manchmal natürlich auch den ein oder anderen, der denkt, dass er zu kurz kommt. Aber jeder weiß, was gerade bei mir passiert und wie ich für meine Karriere arbeite. Dafür entwickelt jeder früher oder später Verständnis. Die Leute sehen, dass ich meine Zeit nicht auf dem Sofa verbringe, um zu chillen, sondern dass ich jeden Tag aktiv bin. Außerdem habe ich das Glück, dass viele Freunde und Bekannte auch Teil meiner Arbeit sind.
Nur wenn man sich und seine Kunst mag, kann man alles geben. Wenn man nur halbherzig dabei ist, muss man auch damit rechnen, dass nur halbherzige Sachen bei rumkommen.
Glaub an dich! Halte durch und sieh negative Erfahrung als Lehre für Dinge, die du in der Zukunft besser machen kannst. Das ist ganz wichtig, denn sonst tadelt man sich nur selber, zieht sich runter und ist unzufrieden mit sich. Um erfolgreich zu werden, muss man sich aber selber lieben. Und das hat nichts mit Arroganz oder Egoismus zu tun! Nur wenn man sich und seine Kunst mag, kann man alles geben. Wenn man nur halbherzig dabei ist, muss man auch damit rechnen, dass nur halbherzige Sachen bei rumkommen. Dazu muss man sich überlegen, wie man genau vorgehen kann. Pläne machen, aufschreiben, Ziele setzen, sich selber vor Augen führen, wo man überhaupt hin will – das bringt dich nach vorne. Es ist ganz wichtig, zu wissen, was man überhaupt machen möchte.
Text: Nicola Orf
Fotos: Linda David; Tanzfotos: Jonathan Tielke
Layout: Carolina Moscato