Sie lieben Rituale, die Orientierung am Mond und eine ganzheitliche Lebensweise: Gina Capitoni (li.) und Steffi Grube (re.) sind Yoga-Lehrerinnen und Bloggerinnen, gemeinsam haben sie eine eigene Marke erschaffen. Unter dem Namen „Glory“ veranstalten sie Morning-Workhops und Fullmoon-Circles – teilweise speziell für Frauen. Wir haben die Kölnerinnen in Ginas schöner Zweizimmerwohnung im Stadtteil Lindenthal getroffen und mit ihnen über Mondphasen, Loslass-Rituale, gute Vorsätze und die neue Art des weiblichen Erfolgs gesprochen.
Ich wusste immer: Da ist eine Verbindung zum Mond – auch wenn man sie nicht so ganz erklären kann.
Gina Capitoni: Ich habe vor drei Jahren angefangen, mich mit dem Mond zu beschäftigen. Yoga und Ernährung spielten für mich eine große Rolle, also bin ich in ähnliche Themen eingetaucht. Natürlich habe ich mich am Anfang gefragt: Will ich mich wirklich damit beschäftigen? Will ich damit identifiziert werden? Deshalb habe ich die Rituale zuerst nur für mich selbst eingeführt und nicht darüber gesprochen. Sie wurden zu einem schönen Begleiter. Aber ich habe schon lange vorher gemerkt, dass sich zum Beispiel mein Schlaf bei Vollmond verändert. Ich wusste immer: Da ist eine Verbindung – auch wenn man sie nicht so ganz erklären kann. Ich habe mich weiter eingelesen und versucht, das alte Wissen mit modernen Elementen zu verbinden.
Steffi Grube: Ich habe mich sehr für traditionelle chinesische Medizin interessiert. Deswegen mache ich seit zwei Jahren zusammen mit Gina eine Heilpraktikerausbildung. Ich lese viele Bücher über Kräuter und in welchen Jahreszeiten man sie einsetzt. Gina und ich haben mit Glory schon länger holistische Workshops mit Yoga, Ernährung und Beratung angeboten und wir hatten dann die Idee, auch holistische Vollmondabende zu organisieren.
Steffi: Ich habe vor etwa einem Jahr angefangen, immer an Neumond zu fasten, unter dem Motto „only liquids“. Gina und ich halten beide nicht sehr viel von radikalen Ansätzen – zum Beispiel 21 Tage Saftfasten oder sieben Tage lang nur Wasser trinken. Für mich funktioniert es aber sehr gut, an einem Tag im Monat nur Wasser oder Saft zu trinken. Das ist ein Gefühl von Nach-Innen-Gehen. Neumond steht für Leere, man macht sich bewusst, wie viel „zu viel“ ist: wie viel man manchmal isst oder auch einfach hat. Das Fasten ist eine Rückbesinnung auf das, was wirklich wichtig ist. Oft bringt dieser Verzicht auch Klarheit in anderen Lebensbereichen.
Gina: Wir alle haben natürlich nicht die Möglichkeit, bei Vollmond einfach in den Wald zu gehen oder uns komplett zurückzuziehen, aber wir können im Alltag versuchen, das Beste daraus machen. Ich setze mich bei Neu- und Vollmond hin und schreibe, einfach nur für mich. So etwas schiebt man oft auf, weil man es genauso gut morgen machen kann. Aber wenn man sich am Mond orientiert, dann hat man diesen festen Termin und kann dann ganz in Ruhe reflektieren.
Steffi: Neumond steht für Leere, da können wir uns gut Ziele setzen und überlegen: Was wollen wir in den nächsten zwei Wochen beginnen oder machen? Es ist gut, um in die Aktion zu gehen. Vollmond ist das Gegenteil: Er steht für Fülle, wir sehen, was wir bislang erreicht haben. Und welche Projekte können wir vielleicht loslassen – weil sie entweder erledigt sind oder weil sie keinen Sinn machen? Vollmond ist eine gute Gelegenheit, um Platz für den nächsten Neumond zu kreieren.
Wie sieht so ein Loslassen aus? Gibt es dafür bestimmte Rituale?
Gina: Man kann aufschreiben, was einem nicht gut tut. Das können Personen sein, Zustände bei der Arbeit, aber auch Rituale, die man ausprobiert hat, aber eigentlich total bescheuert findet. Bei unseren Workshops schreiben wir eine Sache auf einen Zettel und ertränken ihn in einer Wasserschale. Man kann den Zettel auch verbrennen, das ist bei uns in einem geschlossenen Raum leider nicht möglich. Es hilft auch schon, die Dinge in ein Journal zu schreiben. Manchmal stellt man fest, dass man schon zum dritten Mal die gleiche Sache aufgeschrieben hat. Man muss sich fragen: Was kann ich tun, um sie wirklich loszulassen?
Frauen denken so oft, sie wären allein. Es ist so typisch, dass man immer denkt, etwas sei nicht in Ordnung.
Gina: Im Normalfall hat beides 28 Tage, daran kann jeder eine Verbindung erkennen. Ich habe meine Tage immer an Vollmond bekommen, da konnte ich die Uhr nach stellen. Da habe ich mich total im Rhythmus gefühlt, das war super. Durch Stress ist das abgebrochen und das hat mir auch gezeigt, dass etwas nicht gut läuft. Vor unserem ersten Vollmond-Workshop haben wir uns gefragt: Wie lange dauert es wohl, bis das Thema weiblicher Zyklus angesprochen wird? Und natürlich waren es nur ein paar Minuten – es gibt einen sehr großen Redebedarf.
Steffi: Wir finden es beide total wichtig, über diese Themen und über den eigenen Körper zu reden. Frauen denken so oft, sie wären allein. Es ist so typisch, dass man immer denkt, etwas sei nicht in Ordnung. Die Brüste sind zu klein oder zu groß, jetzt kommt aus den USA auch noch eine Diskussion über Schamlippenkultur: Was ist da sexy, was sieht gut aus? Es geht immer nur um Mängel. Wir möchten eine Community aufbauen, in der man sich über all diese Themen austauschen kann. Vielleicht planen wir zusätzlich zu den Moon-Circles auch Workshops, in denen wir Zyklusthemen bearbeiten.
Steffi: In der chinesischen Medizin oder auch im Mittelalter waren diese Themen sehr präsent und dann sind wir irgendwann einen Schritt zurückgegangen. Deshalb ist es super, dass sich jetzt viel ändert. Es gibt mit Sicherheit viele Fortschritte durch die Forschung und sie ermöglicht uns einen großen Luxus, aber bei der hormonellen Verhütung haben Frauen die Verantwortung an eine starke Industrie abgegeben und jetzt merken viele, dass es vielleicht nicht so gut funktioniert und man lieber einen Schritt zu mehr Eigenverantwortung gehen möchte. Das passt sehr zu unserem ganzheitlichen Ansatz.
Es geht uns auch darum, dass sich Frauen gegenseitig stärken.
Steffi: Am Anfang haben wir uns diese Frage gestellt. Aber wir glauben, dass die Workshops auch so gut angenommen werden, weil man sich dort sicher fühlt. Es geht uns darum, dass sich Frauen gegenseitig stärken. Als wir „Glory“ gegründet haben, hätten wir sagen können: Wir sind die Einzelunternehmerinnen Gina Capitoni und Steffi Grube – aber wir wollten uns bewusst zusammenschließen. Unter Frauen ist das gar nicht so üblich.
Es passiert oft, dass zum Beispiel drei Männer einen Laden aufmachen, weil sie sich ein Jahr lang mit Health Food beschäftigt und BWL studiert haben – und dann läuft die Sache auf. Oder es gibt Frauen, die alleine losziehen. Wir sind so aufgewachsen, dass unter Frauen eine gewisse Konkurrenz und vielleicht auch Bitchiness ganz normal ist. Es gibt diese Art Businessfrau, die sich zur Not mit allen Waffen durchsetzt und dabei auch noch perfekt aussieht. Es muss auch anders gehen. Frauen können zusammenarbeiten und zusammenhalten. Das wollen wir in unseren Workshops ausdrücken.
Gina: Wir wollen dabei weg von diesem Schulhofgefühl, das wir alle kennen. Wenn man sich früher geöffnet hat, dann wurde man immer sofort bewertet. Wir finden es schön, dafür ein Prinzip aus dem Yoga zu übernehmen: Es gibt kein Richtig oder Falsch. Man soll bei uns den Mut haben, über das zu sprechen, was nicht so gut läuft und was man sich wünscht. Aber niemand muss sich öffnen, man kann auch einfach nur zuhören und bei sich bleiben.
Gina: Januar ist natürlich die Zeit der großen Vorsätze. Viele Menschen wollen in einem Jahr so viel erreichen und oft sind es immer die gleichen Dinge: Man will abnehmen, sich gesünder ernähren oder mehr Sport machen. Dann macht man es vier Wochen lang und danach ist es wieder vorbei. Warum nimmt man nicht den Vollmond zum Anlass, einmal im Monat zu reflektieren und Ziele für die nächsten vier Wochen zu setzen? Und zu überlegen: Was hat im letzten Monat nicht so gut geklappt, was müsste sich ändern? Welche drei Sachen müssten täglich passieren, damit ich es schaffe und dranbleiben kann? Es geht nicht immer darum, eine 21-Tage-Hardcore-Cleanse zu machen. Vielmehr ist die Frage: Was kann man jeden Tag tun oder jede Woche oder einmal im Monat – zum Beispiel bei Vollmond? So kann man anders an die eigenen Vorsätze herangehen.
https://www.instagram.com/p/Bb6tcP1nofo/?taken-by=_glorylife_
Steffi: Ich bin auch kein großer Fan von Vorsätzen im klassischen Sinne, aber ich mag Vision-Maps. Ich schreibe meine Visionen auf und kreiere Bilder in meinem Kopf. Das mache ich immer am Anfang des Jahres. Ich schreibe auf, was ich in drei Wochen, in drei Monaten und in drei Jahren erreichen will. Ich erschaffe dabei wirklich Bilder, wie ich mich sehe. Daran merkt man immer, ob etwas passt oder nicht. Ich habe lange gedacht, ich mache eine Heilpraktiker-Praxis auf, aber ich habe überhaupt kein Bild von mir, wie ich in einer Praxis sitze. Da denke ich mir: Hmm, interessant, vielleicht ist das doch nicht das Richtige für mich?
Wenn ich eins gelernt habe in den ganzen Jahren, dann ist es: Trust the process.
Gina: Es dauert und es geht langsam voran, aber es kommt durch die Regelmäßigkeit. Wenn ich merke, mir tun Dinge gut und ich kann nach dem Aufstehen kaum erwarten, damit anzufangen, dann sind es Sachen, die zu mir passen und die auch bleiben. Aber es gibt so viele lange Selfcare-Listen und Tipps, was man bei Vollmond machen sollte: Das ist so eine Fülle an Informationen, dass es einen leicht überfordert. Dann denkt man schnell: Ich klappe das jetzt zu und mache Netflix an. Bei mir hat es sich alles langsam eingeschlichen, auch Yoga hat mir da eine ganz neue Welt eröffnet und irgendwann habe ich gespürt: Das will ich jetzt jeden Tag machen, weil es mir so gut tut.
Steffi: Auch wir haben natürlich mal Tage, an denen es gar nicht läuft. Ich stelle mir dann gerne vor, wie mein 18-jähriges Ich mich feiern würde, wenn es mich so sieht: Mit einer schönen Wohnung und viel Platz, mit einem Job als Yogalehrerin, mit ausreichend Geld. Dann denke ich mir: Okay, du hast nichts, worüber du dich jetzt beschweren kannst. Und wenn ich eins gelernt habe in den ganzen Jahren, dann ist es: Trust the process. Auch wenn es mal gar nicht gut läuft und man immer wieder Rückschläge kassiert.
Steffi: Das Buch Staying Healthy With The Seasons ist meine absolute Empfehlung. Auch A Beginner’s Guide to Constructing the Universe ist super, da geht es um Zahlenmystizismus, um die Verbindung von Formen, Geometrie und Orientierung, das hat mir eine ganz neue Dimension eröffnet. Die Seite Moonology können wir auch empfehlen, da sieht man jeden Tag, wie der Mond aktuell in Verbindung mit jedem Sternzeichen steht.
Gina: Ich liebe auch die Seite Mystic Mamma, da gibt es wunderschöne Grafiken zu jedem Monat, zu Sternzeichen und dem Mond. Natürlich füllen wir auch unseren eigenen Blog immer weiter, wir wollen dort Menschen inspirieren, posten immer mal wieder Rezepte oder Schreibübungen – einzelne Aspekte aus unseren Workshops fließen dort ein. Genau wie in unsere Newsletter und in unser E-Book, das zeigt, wie man eine Morning Glory in 60 Minuten erschaffen kann.
Steffi: In meinen Augen ist das Wichtigste die Wertschätzung. Wenn jemand nicht weiß, wie er sich richtig ernähren soll, dann sage ich immer: Cook your own food. Wir sollten Ernährung und Essen die angemessene Wertschätzung geben und uns damit beschäftigen. Es beruhigt die Nerven, wenn man sich selbst etwas kocht, auch das Immunsystem wird dadurch gestärkt. Es spricht überhaupt nichts dagegen, auch mal rauszugehen und eine Falafel zu kaufen – aber es ist ein ganz anderer Prozess.
Gina: Ich glaube, für den Anfang ist das ganze Selfcare-Thema total wichtig. Man sollte auf sich selbst hören und herausfinden, worauf man Lust hat. Wenn man auf eine Party eingeladen ist und man fühlt sich nicht danach, dann sollte man einfach mal absagen. Das ist natürlich total abhängig vom eigenen Zyklus und vielleicht auch vom Mond. Manchmal muss man sich einfach zurückziehen und es sich dann auch schön gestalten: Vielleicht meditiert man oder macht Yoga. Wenn man kein Yogi ist, dann macht man sich auf andere Art eine schöne Zeit. Oft unterdrücken wir es, auf uns selbst zu hören – aber das wäre ein ganz wichtiger erster Schritt.
Gina und Steffi unterrichten beide Yoga bei Vishnus Couch in Köln: www.vishnuscouch.de
Fotos: Athenea Diapoulis (Gründerin von WE ARE CITY)
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