Als Oumi Janta im Frühsommer 2020 ein Instagram Video hochlud, das sie im knallgelben Outfit vor strahlend blauem Himmel zeigt, auf Rollschuhen zu elektronischer Musik tanzend, hätte sie wohl nicht geahnt, was dieser Clip ins Rollen bringen würde.
Das Video, das unter anderem von Stars wie Alicia Keys geteilt wurde, machte die 29-jährige Berlinerin, die heute als Kampagnen-Gesicht von einer großen Sportmarke riesige Plakatwände ziert, nicht nur schlagartig bekannt, sondern inspirierte auch eine Menge Menschen, es ihr nachzutun und sich ebenfalls auf Rollschuhe zu wagen. Wer sich dieser Tage aufs Tempelhofer Feld begibt, dem Ort, an dem der Großteil von Oumis zahlreichen Skate-Videos entstanden ist, wird nicht umhinkommen festzustellen, dass die Schuhe auf vier Rollen gerade ein Comeback erleben.
Wir sprechen mit Oumi darüber, wie sich so ein plötzlicher Erfolg anfühlt, welchen Stellenwert das Rollschuhfahren in ihrem Leben einnimmt, was gegen Selbstzweifel hilft und warum es in Berlin mehr Orte für Kreativität und Freiheit geben muss.
Oumi Janta: Es hat mein Leben in der Hinsicht komplett auf den Kopf gestellt, als ich jetzt viel mehr Anfragen bekomme und mehr vor der Kamera stehe als früher. Aber das Skaten gehörte auch vorher schon zu meinem Leben, daher ist mein Lebensstil gleichgeblieben. Natürlich ist auch ein bisschen Privatsphäre flöten gegangen, aber das Gute an Berlin ist, dass man auch als bekanntere Person ganz entspannt durch die Stadt gehen kann. Manchmal rufen mir Leute „Hey Oumi!“ entgegen und ich rufe dann einfach „Hi!“ zurück, aber das ist völlig ok. Die Aufmerksamkeit ist etwas, woran man sich gewöhnen muss, vor allem wenn alles so schnell geht.
Die Aufmerksamkeit ist etwas, woran man sich gewöhnen muss, vor allem wenn alles so schnell geht.
Das Besondere am Jamskaten ist, dass man Tanz und Rollschuhfahren miteinander verbindet. Aus dieser Verbindung entsteht eine Performance und du selbst entscheidest, wie du dich darin auslebst, ganz frei von Regeln. Das Endresultat ist der Ausdruck davon wie du selbst mit der Musik umgehst.
Das war ganz zufällig vor sieben Jahren, als ich mit einer Freundin in eine Rollschuhdisco gegangen bin. Ich war so begeistert von dem, was ich gesehen habe, und dachte mir nur: „Warum wusste ich bisher nichts davon?“. Ich fand es so toll, wie alle miteinander Spaß hatten, es war egal, wie du aussiehst oder wie alt du bist, es war eine geballte Ladung an Menschen mit guter Laune. Das hat mir gefallen.
Ich war nicht wirklich diszipliniert. Ich habe zwar rund ein Jahr lang einen Kurs gemacht, aber da ich zu der Zeit noch studiert habe, hatte ich nicht viel Zeit und Geld, um viel zu üben. Es war einfach nur ein Hobby, mit dem ich meine freie Zeit gefüllt habe, immer dann, wenn es gerade ging. So richtig ernst genommen habe ich das nicht und auch heute gibt es keinen festen Trainingsplan oder so. Mir ist es wichtig, dass das Skaten auch mein Hobby bleibt. Der Unterschied ist, dass es jetzt einfach Teil meiner Arbeit ist, über die ich frei entscheiden kann.
Das Besondere am Jamskaten ist, dass man Tanz und Rollschuhfahren miteinander verbindet.
Wir sind eine Community und tauschen uns aus. Aber wir sind auch alle Freigeister, das ist es, was ich so cool daran finde. Anders als beim Rollkunstlauf gibt es keine strengen Regeln. Wenn ich morgens aufwache und skaten will, dann fahre ich einfach aufs Feld und dort trifft man immer jemanden. Es gibt keine festen Termine, wie in einer AG, außer wir planen beispielsweise konkret gemeinsam irgendwo hinzufahren.
Es ist ein gutes Gefühl und ich finde es megaschön, mit so etwas Kleinem Großes bewegen zu können.
Eine Person, die mich inspiriert hat, war die schwarze Schlittschuhläuferin Surya Bonaly. Sie war die erste Eiskunstläuferin, die in ihrer Kür einen Backflip gemacht hat, obwohl es verboten war. Als ich von ihr gehört habe, fand ich das so interessant. Sie hatte eine eher mächtige, athletische Körperstruktur und entsprach nicht dem Ideal der Eiskunstläuferin. Oft wurden ihr Punkte abgezogen, weil sie anders war. Sie hat den Backflip als Art der Rebellion gemacht, weil er verboten war und sie einfach nicht mehr akzeptieren wollte, immer schlechter bewertet zu werden.
Aus heutiger Sicht ist das krass zu beobachten. Die Gesellschaft wandelt sich, heute gibt es nicht mehr nur das eine Schönheitsideal, keine Norm mehr. Ich denke, man würde heute ganz anders auf sie blicken.
Ich habe vor drei Jahren meinen festen Job gekündigt, weil ich freier und kreativer arbeiten wollte, ohne feste Arbeitszeiten und dieselben Abläufe jeden Tag. Ich war schon immer ein kreativer Mensch und habe viele verschiedene Dinge gemacht. Nachdem ich gekündigt hatte, habe ich eine Zeit lang Creative Direction gemacht, mich im Marketing ausprobiert und daneben Rollschuhkurse gegeben. Mut hat es mich nicht gekostet, ich habe es einfach riskiert.
Sicherheit ist mir schon wichtig, aber ich bin vor allem gechillt. Ich verkopf‘ mich nicht zu sehr, ich mache einfach und lasse die Dinge eher auf mich zukommen.
Ich verkopf‘ mich nicht zu sehr, ich mache einfach und lasse die Dinge eher auf mich zukommen.
Nur bis zwei zählen und dann machen. Wenn man weiter nachdenkt, ist alles vorbei, dann kommt man ins Zweifeln. Wenn man nur bis zwei zählt und dann macht, ist man schon mitten drin. Wenn es dann doch nicht das Richtige ist, kann man ja immer noch aufhören.
Natürlich habe ich auch Selbstzweifel, aber auch da versuche ich wieder nicht so verkopft zu sein. Mein Spruch ist: Keine Zeit für Angst, einfach machen! Danach richte ich mich bei allen großen Entscheidungen. Es gibt auch einige Dinge, bei denen ich mich nicht entscheiden kann, das sind dann aber eher Kleinigkeiten, die viel zu unwichtig sind, um mich mit ihnen aufzuhalten, dafür bin ich viel zu gechillt.
Als ich in Adlershof zum Skaten war. Ich hatte keine Angst, aber wenn ich als Schwarze meinen Bezirk verlasse und an bestimmte Orte Ostberlins fahre, um zu skaten – dorthin, wo ich sonst nicht bin, wie Adlershof oder Köpenick – muss ich mir vorher überlegen, ob ich Bock darauf habe, angestarrt zu werden.
Nur bis zwei zählen und dann machen. Wenn man weiter nachdenkt, ist alles vorbei, dann kommt man ins Zweifeln.
Andere Spots sind leider selten und wenn, dann ist die Asphaltfläche nur klein, das ist ein Problem. Ich wünsche mir nicht nur für mich und die Rollschuhszene, sondern auch für die Allgemeinheit mehr Orte wie das Tempelhofer Feld. Dieser Ort, ein stillgelegter Flughafen mitten in der Stadt, ist einmalig in Europa und ich fände es so wichtig, mehr Orte wie diesen zu erschaffen. Es gibt ja immer wieder Diskussionen darüber, ob das Feld bebaut werden soll oder nicht. Ich finde die Politik redet das auch klein, denn Orte wie dieser sind wirklich wichtig. Es sind Orte der Kreativität, die den Leuten Platz geben, um sich zu entfalten.
Gerade jetzt in der ganzen Corona-Zeit wurde das Feld extrem viel genutzt. Manchmal finde ich es fast schon gefährlich, wenn so viele Menschen, die alle unterschiedlichen Aktivitäten nachgehen, zusammenkommen. Aber wo sollen die Leute auch sonst hin? Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit, auf einen Ort, an den man einfach hingehen und sein Ding machen kann, ohne weit rauszufahren. Darum würde ich mich gerne dafür einsetzen, dass mehr solcher Orte entstehen und dass Flächen wie das Tempelhofer Feld neu durchdacht werden. Die Leute wollen kreative kulturelle Interaktion erleben, Rad fahren, im Garten sitzen und ein Buch lesen, Rollschuhfahren … Gerade das Zusammenkommen so vieler unterschiedlicher Menschen macht Berlin doch so interessant.
Durch die Straßen Londons zu fahren war richtig cool. Ich würde gerne mal nach Atlanta, weil dort die Jamskate-Szene recht groß ist und das daher spannend für mich wäre.
Mir war megawichtig, dass ich mit meinem Status und meinem Aussehen zur Primetime im Fernsehen zu sehen war, ohne dass ich dabei in ein Stigma gepresst wurde.
Ich finde es supercool, dass die Marken, mit denen ich zusammenarbeite, sich auf mich einlassen und ich mich nicht verstellen muss oder in irgendein Bild hineingepresst werde.
Bei der Zusammenarbeit mit „Adidas“ habe ich sozusagen zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen, weil es nicht nur ums Rollschuhfahren geht, sondern ich auch eine Message rüberbringen kann. Als jemand, der selbst gern Second-Hand-Mode trägt und darauf achtet, wie Kleidung hergestellt wird, bin ich mit der Zusammenarbeit auch einen Kompromiss eingegangen, weil ich es gut finde, wenn so eine große Marke wie „Adidas“ zumindest versucht, sich für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen.
Was „GNTM“ angeht, war es mir megawichtig, dass ich mit meinem Status und meinem Aussehen zur Primetime im Fernsehen zu sehen war, ohne dass ich dabei in ein Stigma gepresst wurde. Ich durfte einfach ich selbst sein.
Ich liebe, dass ich machen kann, was ich will, ohne feste Regeln, ich kann gechillt sein, auf die Musik reagieren, so wie ich es will, und mein Ding machen.