Nadine Zins ist Friseurin aus Leidenschaft – die Berlinerin liebt das Handwerk, die Kreativität und den Umgang mit den Kunden. Mit den gängigen Arbeitsbedingungen war sie allerdings nie zufrieden – also erfüllt sie sich ihren Traum vom Salon der anderen Art. Zins Organic Haircare ist eine Oase der Ruhe: In dem wunderschön eingerichteten Salon bekommt man den lässig-französischen Haarschnitt von tiefenentspannten Mitarbeitern. Nadine Zins hat ihren Salon nach ihren Vorstellungen strukturiert: mit wenig Stress und fairen Löhnen. Wie genau sie das angestellt hat, erzählt uns die 38-Jährige beim Haareschneiden in ihrem Salon in Berlin-Neukölln.
Nadine Zins: Der Friseurberuf passt gut zu mir – das Handwerkliche, der Umgang mit Kunden und das Planbare. Für meine Laufbahn war es auch wichtig, andere Seiten des Businesses kennenzulernen, beispielsweise als Haarstylistin beim Film oder bei Mode- und Beauty-Shootings. Aber spätestens, wenn die Kinder da sind, merkt man genau, was man will und was man nicht will. Und so bin ich wieder beim Friseursjob angekommen.
Spätestens, wenn die Kinder da sind, merkt man genau, was man will und was man nicht will.
In der achten Klasse sollten wir uns bereits über unsere Berufswahl Gedanken machen. Ich interessierte mich für Maskenbildnerei und die Friseursausbildung war die Voraussetzung, um das später in Dresden studieren zu können. Also habe ich nach der zehnten Klasse die Schule verlassen und meine Friseursausbildung begonnen.
Ich bin aber erstmal in dem Friseursjob kleben geblieben und war eine Zeit lang im Ausland. Parallel habe ich mit Fotoshootings angefangen und bin quasi durch die Hintertür beim Film gelandet. Da habe ich dann tatsächlich auch Special Effects gemacht.
Ich fand die Dynamik des Jobs eigenartig. Ich war ja die Sicherheit eines Friseursalons gewohnt, wobei ich immer in sehr autoritären und berechenbaren Salons gearbeitet habe. Es gab viel mehr Struktur, während beim Film alles schwammiger war. Mir hat es nicht so viel Spaß gemacht. Ich bin eher die bodenständige Handwerkerin. Die Akquise ist mir auch schwer gefallen. Als es dann irgendwann gut lief, wurde ich schwanger und da mein Mann auch beim Film ist, war klar, dass ich was Anderes machen würde. Das ist dann einfach nicht umsetzbar.
Ich hatte keinen konkreten Plan und habe alles auf mich zukommen lassen.
Erst habe ich in anderen Salons gearbeitet und mein zweites Kind bekommen. Irgendwann habe ich gekündigt, meine Kinder eingepackt und bin in Australien drei Monate auf Sinnsuche gegangen. Ich hatte keinen konkreten Plan und habe alles auf mich zukommen lassen. Erst als ich wieder in Berlin war, meinte eine Freundin zu mir: “Du machst jetzt einen Salon auf!” Am selben Abend noch habe ich mich hingesetzt, das Konzept geschrieben und am nächsten Tag nach Ladenflächen gesucht.
Ich wollte Produkte finden, auf die man nicht allergisch reagiert. Bio-Produkte waren mir wichtig und schon in Australien war ich begeistert von Aesop und habe dann hier geschaut, welche ähnlichen Anbieter es gibt. So habe ich Less is more gefunden. Außerdem wollte ich was an den Strukturen im Salon ändern. Ich wollte, dass es weniger stressig und ruhiger wird. Die Kunden sollten es nicht merken, wenn wir Druck haben und für die Mitarbeiter sollte die Arbeit, auch wenn wir ausgebucht sind, angenehm sein.
Ich habe überall wo möglich Stress reduziert.
Ich habe das Online-Booking-System entdeckt und die Kunden von Anfang an daran gewöhnt, dass sie auf den Anrufbeantworter sprechen. Wir gehen tagsüber hier nie ans Telefon. Ich habe überall wo möglich Stress reduziert. Zum Beispiel, indem meine Mitarbeiter eben nicht die Rezeptionistin oder die Putzfrau spielen müssen. Ich habe die Arbeit einfach anders strukturiert.
Meine Eltern haben das Thema damals natürlich schon angesprochen. Die dachten, ich würde studieren. Mich persönlich hat es nicht abgeschreckt, aber es hat mich im Laufe der Jahre immer wieder gestört und frustriert. Man arbeitet super viel und hat nie Geld übrig. Überstunden werden nicht bezahlt – das ist in meinem Salon anders, hier wird jede angefangene Stunde bezahlt. Die Gehälter sind bei mir generell höher als in den meisten Salons.
Ich versuche, mich flexibel zu zeigen, erwarte aber dafür natürlich was.
Die meisten Salon-Inhaber denken sehr ökonomisch und wollen schnellstmöglich schwarze Zahlen schreiben. Das versuche ich auch. Aber ich verzichte erstmal auf einen Teil meines Gehaltes, um ein gutes Team aufzubauen. Ich versuche, mich flexibel zu zeigen, erwarte dafür natürlich aber was. So bekomme ich ein gutes Arbeitsumfeld hin.
Ich glaube nicht, denn die Friseure haben nur eine ganz kleine Lobby. Die meisten Friseure übernehmen Strukturen so, wie sie sie gelernt haben: Zuckerbrot und Peitsche. Die Unterdrückung und das Kleinhalten hat System. Dabei ist es etwas ganz Altmodisches.
Ich versuche Hierarchien flach zu halten. Es gab aber schon Mitarbeiter, die damit nicht zurecht gekommen sind. Sich in Neukölln zu siezen, ist schon schräg. Aber es ist ein schmaler Grad und bei Frauen ist es auch noch mal was Anderes. Eine Frau soll ihren Mann stehen, aber dominantes Verhalten wird schnell als Zickigkeit ausgelegt.
Ich merke das gar nicht. Leute probieren das aus und ein- oder zweimal geht das vielleicht auch gut. Aber viele merken, dass das mit den Gehältern nicht angehen kann. Und so, wie man auch kein billiges Fleisch essen will, will man auch nicht zur Ausbeutung von Arbeitskräften beitragen.
Generell ja, bei mir natürlich nicht.
Das Durchsetzungsvermögen – ob nun bei Politikern, Köchen oder Friseuren – scheint bei Männern irgendwie größer zu sein bzw. ist es ein Muster. Die einzige Starfriseurin, die auch mein großes Vorbild ist, ist Marlies Möller.
Viele Frauen finden das toll, vom Mann frisiert zu werden. Bei einem schlechten Tag muss ich echt aufpassen, dass ich nicht schnippisch bin. Bei einem Mann wiederum wird das als Allüre ausgelegt, das gehört fast schon dazu. Es wird nicht direkt als schlechte Laune abgetan. Ich schließe mich da aber gar nicht aus. Wenn ich eine Dienstleistung entgegennehme, habe ich auch einen anderen Blick auf Männer als auf Frauen. Das ist komisch, es steckt aber so in einem drinnen.
Ich bin da auch sehr streng. Manche Dinge mache ich einfach nicht, Foliensträhnchen zum Beispiel. Ich habe ganz andere Techniken und möchte gar kein Alu benutzen. Wir benutzen stattdessen unterschiedliche Papiersorten – von Wachs- bis Reispapier. Die Techniken habe ich schon in den Neunzigern von einem französischen Friseur gelernt – die Französinnen sehen sowieso viel lässiger aus. Nicht so aufgedonnert, aber trotzdem schick.
Ich möchte keine großen Kredite aufnehmen und mich mit tausenden Euros verschulden.
Erstmal muss ich zur Ruhe kommen. Ich habe das alles ohne Kredit gemacht, ich hatte finanzielle Unterstützung von Eltern und Freunden. Das soll bis Ende des Jahres alles abbezahlt sein. Ich möchte keine großen Kredite aufnehmen und mich mit tausenden Euros verschulden, um einen Laden synthetisch aufzubauen. Ich finde große und schick designte Läden zwar schön, aber ein organisches Wachstum finde ich auch schön. Es nimmt auf jeden Fall den Druck raus, nicht blitzschnell schwarze Zahlen schreiben zu müssen, um sich einen Porsche kaufen zu können. Man findet eh nur sehr schwer gute Leute, die für einen arbeiten.
Ich habe eine Nanny, die uns sehr viel hilft. Ohne würde es nicht gehen. Und die Großeltern wohnen um die Ecke und unterstützen am Wochenende. Aber wenn es gar nicht anders geht, lass ich auch schon mal die Kinder mit dem Taxi von der Schule abholen und hierher bringen. (Lacht)