Das machen, worauf man Lust hat, spontan Ideen umsetzen, ohne alles zu zerdenken oder den 5-Jahresplan auf Papier zu haben – ein Lebenskonzept, dem Anton Pasca (42) folgt. Vor einem halben Jahr eröffnet der studierte Kulturwissenschaftler spontan das „Pflanz Kafka“ mit Fotografin Lisa Meinen (39), die er über gemeinsame Freunde kennenlernt. Sie möchte einen Blumenladen eröffnen, er ein Café – it’s a match – „Pflanz Kafka“, ein Café mit Pflanzen in Hamburg-Ottensen entsteht. Wir sprechen mit dem gebürtigen Rumänen über die Gründung, Neuanfänge, Stevie Wonder und das Leben in einer 13er-WG.
Anmerkung der Redaktion: Das „Pflanz Kafka“ hat den Ort gewechselt und ist nun Am Rathenaupark 13 in 22763 Hamburg zu finden!
Anton Pasca: Ein Freund hat das Wortspiel „Pflanz Kafka“ vorgeschlagen. Und da mir Kafka nicht ganz fremd war und ich verschiedene Aspekte des Ladens damit assoziieren konnte, haben wir uns für den Namen entschieden. Im Nachhinein haben wir uns noch mehr belesen, für die Kafka-Fans, die bei uns einen Kaffee trinken wollen. Im Moment lese ich „Das Schloss“.
Für mich kommt die Begeisterung zu Pflanzen und fürs Gärtnern durch dieses Projekt. Bei Lisa, meiner Geschäftspartnerin, spielten die Pflanzen und Blumen eine primäre Rolle, sie wollte einen Blumenladen eröffnen. Ich komme aus der Gastronomie und hatte die Eröffnung eines Cafés vor Augen. Vorher hatte ich keinen grünen Daumen und auch keine Pflanzen zu Hause, aber mittlerweile bin ich fast Experte für Zimmerpflanzen und lerne auch mit Schnittblumen umzugehen, sodass ich in Abwesenheit von Lisa einen schönen Strauß für unsere Kund*innen binden kann.
Durch die Gegebenheiten der Fläche hat sich unsere Idee überhaupt erst entwickelt. Es war wichtig, die Wohnräume hinten mitzudenken, denn vorne auf der Fläche können nur zwei Leute sitzen. Also haben wir hinten so gut es ging saniert und mit Nachbarschaftshilfe möbliert. Uns schwebte ein Stil aus Alt und Neu vor, mit Wohnzimmer-Charakter.
Ich bin als Kind aus Rumänien mit meinen Eltern nach Deutschland gekommen und habe festgestellt, dass ich nach 13 Jahren immer einen Rappel bekomme und einen Ortswechsel brauche.
Ich habe vorher viele Jahre in der Gastronomie gearbeitet. Ich lebe erst seit zwei Jahren in Hamburg, vorher habe ich 14 Jahre in Leipzig gelebt. Dort bin ich nach dem Studium geblieben und habe dort mit vier Freunden eine kleine Kiez-Kultur-Kneipe betrieben. Die gab es zehn Jahre lang, viereinhalb davon habe ich mitgemacht. Der Mietvertrag lief aus und wir mussten schließen. Danach hat mir etwas gefehlt, und ich stellte mir damals einen eigenen Ort vor, der eine Fusion aus Gastronomie und Kultur ist. Mit dem Gedanken bin ich nach Hamburg gezogen, in der Hoffnung, dass sich das hier ergeben könnte.
Ich bin als Kind aus Rumänien mit meinen Eltern nach Deutschland gekommen und habe festgestellt, dass ich nach 13 Jahren immer einen Rappel bekomme und einen Ortswechsel brauche. Aufgewachsen bin ich in Bielefeld, nach 13 Jahren ging ich nach Leipzig und dort blieb ich weitere 14 Jahre. Mein Bruder lebt hier in Hamburg, außerdem betreibt ein guter Freund die Eckkneipe „Aalhaus“ und hatte direkt einen Job für mich. Ich wusste, dass ein Neuanfang in einer neuen Stadt schwierig sein kann, deshalb ist es gut, ein gewohntes Umfeld zu haben.
Man muss das Positive ein Stück erwarten und das Ungewöhnliche ausprobieren.
Wie hast du deine Geschäftspartnerin Lisa kennengelernt?
Wir kannten uns schon aus Leipzig durch gemeinsame Freunde. Mein Bruder arbeitet mit ihr fotoredaktionell zusammen. Sie erzählte ihm von der Idee und er dachte gleich an mich, ich stand zu dem Zeitpunkt quasi in den Startlöchern und wir legten los.
Defintiv! Das kommt durch meine Biografie. An meine Kindheit in Rumänien habe ich amibvalente Erinnerungen. Das Land war in den Achtzigern unter Nicolae Ceausescu sozial, ökonomisch und politisch in einem maximal desolaten Zustand. Trotzdem bin ich wohlbehütet aufgewachsen und habe das nicht so wahrgenommen. Rückblickend wurde mir klar, was für ein Glück es ist, in einer freien Welt zu landen.
Ich habe schon ein Gefühl für Glück – vielleicht liegt das auch an meinem Sternzeichen Widder. Eine Weile hatte ich geglaubt, ich sei ein Glückskind, habe mich aber daran auch mal verbrannt und gelernt, dass man Glück hat, wenn man dafür bereit und offen ist. Man muss das Positive ein Stück erwarten und das Ungewöhnliche ausprobieren.
Dadurch, dass die Miete überschaubar ist, war es uns möglich, in der Coronazeit nicht komplett unterzugehen. Ab Mai haben wir dann nach und nach wieder Pflanzen rausgestellt und gemerkt, dass die Nachfrage nach Zimmerpflanzen steigt. Mittlerweile ist auch das Café wieder geöffnet.
Auf jeden Fall. Während Corona haben wir einen Blumenlieferservice aufgebaut. Daraus soll vielleicht bald ein Blumenabonnement werden. Nach der Schließung hatten wir noch jede Menge Pflanzen hier im Laden. Ich wohne in einer 13er-WG in Ottensen und einer der Mitbewohner ist schon 60 Jahre alt, ein alter Punk, er ist ein absoluter Risikopatient. Wir hatten überlegt, wie wir das entzerren können, also habe ich hier für einen Monat in den hinteren Räumen gewohnt. Dabei habe ich unsere Pflanzen aufgepäppelt und bei Instagram zum Verkauf reingestellt, was großen Anklang fand. Wir haben sie dann entweder vor der Tür abholen und per Paypal bezahlen lassen, oder ich habe sie ausgeliefert.
Und dabei kam uns die Idee, dass sowas auch dauerhaft funktionieren könnte. Gerade, wenn wir irgendwann mal eine ganz „normale“ Miete bewältigen wollen, müssen wir uns etwas überlegen. Allein von der Wirtschaftlichkeit, die der Laden im Moment hergibt, können wir nicht leben.
Von montags bis mittwochs haben wir geschlossen und können uns teilweise um andere Projekte kümmern. Lisa arbeitet freiberuflich als Fotografin. Ich habe vor Corona für verschiedene Groß-Caterings und für die Kneipe „Aalhaus“ gearbeitet. Die Catering-Jobs sind komplett weggebrochen, im Aalhaus geht es jetzt aber wieder los. Das Positive daran ist, dass ich mich in dieser Zeit verstärkt hier einbringen konnte. Das nächste Teilprojekt wird ein Plattenladen, den ich hier integrieren möchte, sein. Ich möchte immer 22 unterschiedliche Platten zum Kauf anbieten. Die 22 ist meine Glückszahl, ich kuratiere die Platten und werde sie wöchentlich oder monatlich zusammen mit Pflanzen platzieren.
Eine gutes Set oder ein guter Musiknachmittag, eine gute Radiosendung oder ein gutes Festival sind für mich meist genreübergreifend.
Das ist auch eine Geschichte aus dem Bereich „Glück haben“. Eine ehemalige Arbeitskollegin hatte mich dort vorgeschlagen und ich habe es durch das Casting mit den 12 Mitbewohner*innen geschafft. Ich habe schon in mehreren WG’s in meinem Leben gewohnt, es ist bisher aber die großartigste, weil es eine Anzahl von Leuten ist, bei der demokratische Prozesse entstehen. Wir wohnen in einer alten umgebauten Fabrikhalle auf 600 Quadratmetern in Hamburg-Ottensen. Die gemeinsame Wohnfläche ist riesig, man hat eher das Gefühl in einer 5er-WG auf sehr viel Platz zu wohnen, weil nie alle gleichzeitig da sind. Und es ist sogar noch bezahlbar.
Ja, alle sind sehr unterschiedlich, aber es gibt viel Miteinander. Und es hilft, wenn du ein Café eröffnest, und alle deine Mitbewohner*innen da waren, dann hast du schonmal etwas Umsatz gemacht. (lacht)
Layout: Kaja Paradiek