Dass wir hier bei femtastics große Wilhelmsburg-Fans sind, hat sich längst rumgesprochen. Als unsere Lieblings-Bier-Sommelière Sophia Wenzel uns ihre Freundin Sofija Dreshaj ans Herz legte, die gerade ihr eigenes Café mit Kanuverleih eröffnet hat, haben wir keine Sekunde gezögert und sind sofort auf die Elbinsel gedüst. Sofija betreibt nicht nur seit April die wunderschöne Willi Villa, sondern hat auch den urig-charmanten Biergarten Zum Anleger von ihren Eltern übernommen. In ihrer lichtdurchfluteten Wilhelmsburger Wohnung erzählt sie uns wie es ist, in einer Gasto-Familie aufzuwachsen und von der Herausforderung, zwei Betriebe zu führen.
Femtastics: Bist du in Wilhelmsburg geboren?
Sofia Dreshaj: Wir sind vor 26 Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und sind auf der Veddel gelandet, da war ich zwei Jahre alt. Wir haben für ein Jahr mit zwölf Personen in einer winzigen Wohnung geschlafen und gelebt. So hatte ich total die schlechten Assoziationen zu Wilhelmsburg und Veddel. Die Zeit war echt schwer. Irgendwann sind wir nach Harburg gezogen. Vor zehn Jahren haben meine Eltern den Biergarten eröffnet, in dem ich während der Sommerferien und nach der Schule immer viel geholfen habe. Ich selbst bin erst vor drei Jahren wieder zurück nach Wilhelmsburg gezogen. Wilhelmsburg fühlt sich wie meine Heimat an.
Ich liebe das Multikulturelle.
Warum lebst du gern in Wilhelmsburg?
Ich liebe das Multikulturelle. Wenn ich einfach im Bus sitze und die Menschen beobachte, ist es immer interessant und spannend. Es ist sehr locker, entspannt und authentisch hier. Wenn ich in ein Lokal gehe, dann guckt dich keiner an und denkt, wer kommt denn da rein? So ist auch unser Biergarten und Willi Villa. Es geht darum, eine entspannte Zeit am Wasser zu haben. Du bist für dich, kannst ein Buch lesen oder dich einfach mit Leuten unterhalten.
Das heißt, in der Innenstadt zu leben kannst du dir gar nicht vorstellen?
Ich kann es mir vorstellen, will es aber nicht.
Bist du oft auf der anderen Elbseite?
Selten. Hier ist die Willi Villa und der Biergarten, mein Fitnessstudio ist um die Ecke und in diesem Umkreis von zwei Kilometern bewege ich mich die meiste Zeit. (Lacht.)
Wie ist es, in einer Gastrofamilie aufzuwachsen?
Keiner in unserer Familie hat es wirklich gelernt, wir haben einfach gemacht. Wir hatten unseren kleinen Garten am Wasser und haben Tische hingestellt und gegrillt. Der Biergarten war also gar nicht geplant, aber irgendwann sind immer mehr Gäste runtergekommen und haben gefragt, ob sie was zu trinken kaufen können. Erstmal verschenkten wir dann unsere eigenen Getränke und als dann immer mehr Barkassen kamen, hatte mein Vater die Idee, den Biergarten aufzubauen. Von Jahr zu Jahr wurden es mehr Tische. Mittlerweile können wir bis zu 500 Gäste beherbergen.
Wie ist es, mit der Familie zusammen zu arbeiten?
Schön und anstrengend. Ich habe das irgendwie ganz gut gemeistert. Meine Schwester hat immer Kopfschmerzen bekommen und hat irgendwann gesagt, ich bin raus. Sie ist dann Lehrerin geworden. Wir haben beide nebenher studiert. Ich habe BWL und Romanistik studiert.
So hat mein Papa mich auch erzogen: Du musst immer dein eigener Chef sein!
Wolltest du eigentlich was anderes machen?
Ja, ich wusste aber nicht was. Die Gastro war immer so ein auf und ab. Zuletzt hieß es nein, doch nicht. Aber ich habe gemerkt, dass die Eltern immer weniger Kraft haben. Und bevor wir das in andere Hände geben, wollte ich es selbst übernehmen. Selbständig wollte ich immer sein, der Gedanke war immer da. So hat mein Papa mich auch erzogen: Du musst immer dein eigener Chef sein!
Und dann hat sich alles so ergeben.
Vor zwei Jahren habe ich das Restaurant direkt neben dem Bootsanleger eröffnet, das Wein Bistro. Das war kurz vor dem Ende meines Studiums.
Dein erstes Baby!
Genau. Da war ich 25 und bin sofort Testsieger mit dem Restaurant geworden. Während ich das Restaurant eröffnete, schrieb ich nebenbei meine Masterarbeit, das war echt hart.
Da gehört auf jeden Fall auch eine Portion Mut dazu.
Das war die Zeit, kurz vor der IBA (Internationale Bauausstellung) und der IGS (Internationale Gartenschau) und ich habe gesehen, dass es kaum Restaurants rund um das Gelände gibt. Also habe ich gedacht, das muss klappen! Hat es dann zum Glück auch.
Inwieweit haben dich deine Eltern bei der Restauranteröffnung beraten?
Sie haben mir viel geholfen und mich unterstützt – auch finanziell. Das habe ich zum Glück alles zurückzahlen können. Irgendwann war es mir aber doch zu viel, im Restaurant zu arbeiten. Die Arbeitszeiten sind einfach krass. Bis Mitternacht dort zu stehen, das ist einfach nicht meins.
Die Gastro ist ein Knochenjob. Wie packst du das?
Ich habe lange Crossfit gemacht, ein echt harter Sport. Jetzt finde ich meine Ruhe in Bikram-Yoga. Ich liebe es einfach und mache es mindestens dreimal die Woche.
Das ist dein Ausgleich?
Ja total, wobei es jetzt auch nicht mehr ganz so anstrengend ist. Ich habe Willi Villa und den Biergarten, dort ist es nicht ganz so personenbezogen wie im Restaurant. Spätestens um 20 Uhr abends bin ich zu Hause.
Wie hast du Willi Villa eigentlich gefunden?
Das war eine öffentliche Ausschreibung. Die IGS hatte das Lokal selber betrieben. Als die IGS vorbei war, wurde ein Nachfolger gesucht. Es gab über 50 Bewerber. In meinem Konzept war der Kanuverleih mit eingeplant. Der Biergarten und die Willi Villa sind durch das Wasser verbunden, das ist natürlich super. Du kannst an einem Ort das Kanu mieten und an dem anderen Ort eine Pause machen. Das hat überzeugt …
… und du bekamst den Zuschlag.
Das hat mich total gefreut, seit April ist die Willi Villa geöffnet.
Wie hast du das Konzept für die Einrichtung entwickelt?
Ich wurde unterstützt von einem Freund, der auch schon die Einrichtung im Chapeau in Winterhude gestaltet hat. Ich wollte es so bunt wie möglich haben und hatte viele Ideen, die ich mit ihm besprochen habe. Außerdem habe ich vieles auf Reisen eingekauft. Die Wandfliesen habe ich in Istanbul gekauft, das Geschirr in Mexiko und das Bild von Frida Kahlo habe ich in Paris gefunden.
Sonst hatte ich nie einen Sommer, die letzten 10 Jahre habe ich die Sommer durchgearbeitet.
Dein eigener Chef zu sein, das kanntest du bereits. Wie ist es jetzt mit der Willi Villa für dich?
Es ist noch schöner geworden. In den letzten Jahren habe ich in dem Betrieb meiner Eltern und in meinem eigenen Restaurant sehr viel gelernt. Ich wollte immer Betriebe führen, in denen ich nicht alles alleine mache. Meine Eltern haben von A bis Z immer alles selbst gemacht. In der Willi Villa habe ich gemerkt, dass Organisation einfach alles ist. Trotzdem habe ich ein normales Leben. Sonst hatte ich nie einen Sommer, die letzten 10 Jahre habe ich die Sommer durchgearbeitet.
Da bekommt man aber auch ein zwiegespaltenes Verhältnis zum Sommer. Kannst du den Sommer überhaupt noch genießen?
Es gab schon Tage, an denen ich dachte, hoffentlich scheint die Sonne heute nicht! Jetzt kann ich es wieder genießen. Vor allem dieser Sommer war echt schön und die Willi Villa steht unter einem guten Stern.
Du bietest auch Stand-up-Paddling an, der neue Trend auf dem Wasser?
Ja total. In Wilhelmsburg waren wir damit die Ersten. Es beansprucht den ganzen Körper und macht echt viel Spaß!
Welches Projekt steht als Nächstes an?
Wir werden den Biergarten so umbauen, dass er das ganze Jahr über geöffnet hat. Das nächste Projekt ist also schon am Horizont.
Was für Fähigkeiten braucht man, um ein Gastro-Unternehmen auf die Beine zu stellen?
Das Wichtigste ist, dass man mit Menschen gut kann und dass es dir Spaß macht – das spürt der Gast sofort. Man sollte ein Organisationstalent sein, es ist viel Koordination. Teilweise hast du acht Veranstaltungen parallel und dann musst du schauen, dass genug Besteck, Teller und so weiter da sind.
Das Betriebswirtschaftliche liegt dir aber auch.
Ja, das habe ich zum Glück auch studiert. Da hilft aber auch meine Mutter viel, Buchhaltung ist eine Sache für sich.
Du reist gern und viel, was sind deine Lieblingsziele?
Dieses Jahr war ich auf Capri, was total schön war. Mexiko war auch super. Als nächstes fliege ich nach Jakarta, dort wohnt meine beste Freundin. Mit ihr geht es weiter nach Singapur und Bali. Danach treffe ich mich mit einer anderen Freundin in Indien und mache meinen Yoga-Schein.
Dann machst du quasi Winterpause?
Das ist der erste Winter, in dem ich Pause mache und Zeit für mich habe. Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt alles für die letzten zehn Jahre harte Arbeit zurück bekomme. Ich werde zwei Monate lang reisen und dann geht es los mit dem Umbau des Biergartens. Darauf freue ich mich total!
Wir sind auch gespannt, vielen Dank für den schönen Nachmittag in der Willi Villa!
5 Kommentare
Oh, das ist toll dort (Anleger Biergarten), ich war dieses Jahr das erste mal in Wilhelmsburg bei Freunden zu Gast die dort direkt um die Ecke wohnen und war total begeistert von allem..SOOO ein toller Platz und so leckeres Essen!! Gruß aus Köln
Jetzt muss doch nur noch die Sonne scheinen und dann rauf aufs Fahrrad — schöne Inspiration 😉