Das Café „Gretchens Villa“ ist eine beliebte Anlaufstelle zum Frühstücken in Hamburg. Im September 2015 feierte es seinen fünften Geburtstag – und gleichzeitig eröffnete nebenan die Konditorei „Gretchens Zuckerbude“. Kurz nach diesem Ereignis treffen wir die 34-jährige Inhaberin Stefanie Herbst in ihrer Dachgeschosswohnung im Hamburger Grindelviertel zu einem Kaffee und Gespräch darüber, wie es wirklich ist, ein eigenes Café zu führen, ob sie selbst eigentlich noch gerne backt, welche Kuchen die Gäste am liebsten mögen und was sie mit der „Zuckerbude“ vorhat.
femtastics: Ich weiß gar nicht, wie oft ich von Frauen schon gehört habe: „So ein Café, das wäre ja auch was für mich!“. Was sagst Du, wenn Du diesen Satz hörst?
Stefanie Herbst: Ich sage dann: Nette Idee, aber überleg‘s Dir noch mal. Die erste Reaktion ist dann immer totale Überraschung – wie kann es sein, dass eine Frau, die so ein schönes Café führt, so etwas sagt? Es ist auch schön und ich würde es nicht tauschen wollen, aber es bringt viele Entbehrungen mit sich. Dieser Sache muss man sich bewusst sein.
Was hat Dich daran gereizt, ein eigenes Café zu haben?
Ich habe immer total gerne gebacken, Kaffee getrunken und immer gerne Leute bewirtet oder ihnen etwas Gutes getan. Das bringt auch tierisch Spaß! Zu Anfang dachte ich: Ach, so ein kleines, süßes Café, ich backe ein paar Kuchen, ich koche Kaffee und habe ein paar Gäste, … aber wenn das erfolgreich wird, dann wird es stressiger und dann hat man einfach viel zu tun.
Wie war es für Dich dann in der Realität als das Café richtig anlief?
Das erste halbe Jahr lang hast du Adrenalin und Power, das ist dein Traum und alles läuft gut, die Leute kommen und sind zufrieden. Du hast Kräfte, bei denen du nicht weißt, woher du sie holst, aber du hast sie einfach. Du merkst auch nicht, dass du eigentlich keine Zeit mehr hast, Freunde oder Familie zu sehen. Dass du an den Wochenenden keine Termine wahrnehmen kannst. Irgendwann kommt aber der Punkt, an dem man es doch merkt. Und da habe ich zu mir gesagt: Okay, ich wollte es so, ich schaffe das.
Du hast früher, bevor Du „Gretchens Villa“ eröffnet hast, etwas ganz Anderes gemacht. Was hast Du ursprünglich mal studiert oder gelernt?
Ich habe nach dem Abi direkt eine Ausbildung zur Verlagskauffrau bei Axel Springer gemacht. Parallel dazu habe ich gekellnert, um meine Wohnung usw. finanzieren zu können. Ich habe 35 Stunden pro Woche meine Ausbildung beim Verlag gemacht und habe noch mal 15 Stunden pro Woche gekellnert – ich fand das immer viel cooler als die Ausbildung. Dann habe ich nach der Ausbildung noch ein Abendstudium zur Kommunikationswirtin gemacht. Ich habe insgesamt, vom ersten Tag der Ausbildung bis zur Eröffnung des Cafés fast neun Jahre im Medienbereich gearbeitet. Das hat auch Spaß gemacht und war cool. Vor allem die letzten drei Jahre, als ich beim „Blonde“ Magazin gearbeitet habe, waren tolle Jahre.
Was war ausschlaggebend dafür, dass Du etwas Neues machen wolltest?
Zum einen hat man bei „Blonde“ so frei gearbeitet, dass für mich der Gedanke, mich irgendwo, in einem anderen Verlag oder einer anderen Firma, wieder einzureihen, gar nicht möglich war. Ich wurde durch „Blonde“ in dieser Hinsicht für den normalen Markt „verdorben“ . Wenn dann hätte mich das Unternehmen total kriegen müssen oder ich hätte in dem Bereich weiter selbstständig arbeiten müssen. Zum anderen kam hinzu, dass es mit so einem kleinen Magazin immer anstrengend war. Wir haben so für das Überleben des Magazins gekämpft und so viel gegeben, von morgens bis abends. Als der alte Verlag, bei dem „Blonde“ damals war, insolvent wurde, habe ich das als Punkt für einen Neuanfang gesehen. Ich hatte mein Café zwei Jahre geplant und Businesspläne geschrieben. Damals war der Punkt, es wirklich zu machen.
Ich hatte immer schon gesagt, dass ich gerne ein eigenes Café hätte. Irgendwann habe ich jeden damit genervt, bis alle gesagt haben: Dann mach es doch.
Das heißt, Du hattest die Idee schon länger?
Ich hatte immer schon gesagt, dass ich gerne ein eigenes Café hätte. Irgendwann habe ich jeden damit genervt, bis alle gesagt haben: Dann mach es doch. Insgesamt lief meine Planung über zwei Jahre und ich habe mich auch schon immer nach möglichen Ladenlokalen umgesehen. Irgendwann musste ich mich entscheiden: Weiter davon träumen oder es einfach machen.
Wie hast Du das finanziell gelöst?
Ich hatte über längere Zeit selbst etwas Geld angespart. Als ich das Ladenlokal gefunden hatte und wusste, wie viel Geld ich zum Start brauchen würde, bin ich zur Haspa gegangen. Die machen sehr viel für kleine und mittelständische Gründer. Ich hatte ein Team von drei Frauen, die mich bei der Gründung beraten haben. Mir kam zugute, dass ich selbst aus dem kaufmännischen Bereich komme und Ahnung davon hatte, wie ich vorgehen muss.
Hast Du ein Ladelokal im Karoviertel gesucht?
Gar nicht. Eigentlich wollte ich nach Eppendorf. Es war ein Zufall, dass ich den Laden auf Immoscout entdeckt habe und ihn kannte. Es war vorher schon ein Café und ich war dort auch schon einmal frühstücken. Ich habe angerufen und sie sagten mir, dass sie schon so viele Interessenten haben, dass sie wahrscheinlich schon fündig geworden sind. Ich habe gesagt: Das mag sein, aber ich glaube, ich bin die Richtige. Ich habe eine Chance bekommen und wir waren uns relativ schnell einig.
Kürzlich hast Du den fünften Geburtstag von „Gretchens Villa“ gefeiert. Wie ist der Weg dahin verlaufen?
Ich finde es echt krass, dass fünf Jahre um sind. Es fing euphorisch an und es gab auch Talfahrten, weil das Café so viel Energie frisst. Es war eine Achterbahnfahrt – und auch sehr lehrreich. Ich habe viel Lehrgeld und Lehrnerven bezahlt. Zuletzt war es so, dass ich mir gesagt habe: Ok, ich habe viele Mitarbeiter gefunden, denen ich echt vertraue, ich kann jetzt auch etwas abgeben. Es ist nicht einfach, Verantwortung aus der Hand zu geben und das mache ich erst seit rund einem Jahr. Vier Jahre lang war ich eigentlich immer im Café, permanent. Im letzten Jahr war ich dann kaum noch da und konnte mich auch einmal zurücklehnen und andere Sachen sehen. Ich konnte privat auch mal wieder auf Geburtstage gehen und soziale Kontakte haben (lacht).
Und Du hast kürzlich auch „Gretchens Zuckerbude“ eröffnet, direkt nebenan dem Café.
Genau. Jetzt habe ich meinen ursprünglichen Traum umgesetzt und die Konditorei eröffnet. Ich war letztes Jahr an einem Punkt, an dem ich etwas ändern musste. Das vorige Jahr war so anstrengend. Ich sagte damals schon: Ich möchte eine Konditorei eröffnen, zurück zu meinem ursprünglichen Traum: Kuchen backen und den auch außer Haus verkaufen. Das hat dann doch eine Zeit gedauert und jetzt ist es passiert.
Jetzt hast Du zwei Läden: ein Café und eine Konditorei.
Ich habe „Gretchens Villa“ mit Frühstück und Mittagstisch, und nebenan ist jetzt meine Konditorei. Sie ist noch ganz klein, im Entwicklungsstadium, aber sie wächst immer mehr. Und jetzt kann ich auch wieder kreativ sein, wozu ich in den letzten Jahren nicht mehr viel Gelegenheit hatte. Das kennt man ja, wenn man immer den gleichen Job macht. An „Gretchens Zuckerbude“ hängen ganz viele Ideen. Ich kann jetzt wieder einbringen, was ich ursprünglich mal gelernt habe und mir überlegen, was ich mit der Marke machen möchte.
Was macht Dir denn an Deiner Arbeit am meisten Spaß?
Jetzt gerade backe ich ja nicht, weil wir in der Konditorei einen Konditor haben und auch eine Mitarbeiterin ausbilden. Aber in der Zukunft möchte ich – zumindest einmal die Woche – in der Konditorei mitarbeiten und mithelfen. Ich finde es toll, wenn du aus Zutaten so ein wunderschönes Produkt machst und die Leute freuen sich daran. Da geht mir das Herz auf. Außerdem finde ich es toll, eine Marke aufzustellen und mir zu überlegen, was ich mit ihr noch machen will. Dazu werde ich jetzt im Herbst hoffentlich etwas mehr Zeit haben.
Ist im Herbst weniger los im Café?
Im Sommer haben wir, draußen und drinnen zusammengenommen, rund 100 Plätze. Und im Herbst und Winter haben wir nur die Plätze drinnen. Im Sommer ist die Marktstraße und das Karoviertel aber auch generell belebter als im Winter. Im Winter ist nicht so viel los. Aber die Konditorei soll auch ein Anreiz für Gäste sein, auch im Winter zu kommen.
Wer entwickelt eure Kuchen und Torten?
Im Moment macht das Axel, unser Konditormeister, mit Anregung von Shari, unserer Auszubildenden, und mir. Ich bin seit Anfang an dabei und weiß genau, was von den Gästen gut angenommen wird und was nicht.
Am liebsten essen unsere Gäste Käsekuchen, in allen Variationen.
Was kommt am besten bei den Gästen an?
Ich habe anfangs zu Axel gesagt: Am liebsten essen unsere Gäste Käsekuchen, in allen Variationen. Vielleicht machen wir einen reinen Käsekuchen-Laden auf. Das würde bestimmt auch super funktionieren. Danach kommt Streuselkuchen. Diese Arten von traditionellen Kuchen hatte ich früher ja auch nur im Café. Axel sagt immer zu mir, ich bin eine Hausfrauenbäckerin. Ich sag dann immer: Stimmt, aber das schmeckt auch. Auf das Sortiment bezogen heißt das jetzt, ich bringe das Alte mit und Axel holt das Neue rein. Er macht auch kleine Törtchen und experimentelle Sachen. Darauf lässt sich nicht jeder ein, weil man von außen nicht sieht, was man kriegt – anders als bei einem Kuchen, der schon angeschnitten ist. Es gibt eben zwei Arten von Kuchenessern: diejenigen, die sich auf etwas einlassen und die anderen, die genau wissen wollen, was sie kriegen.
Am Anfang hatten wir einen kleinen Haushaltsofen und da passen nur zwei Kuchen rein.
Zu Anfangszeiten des Cafés hast Du alles selbst gebacken, richtig?
Am Anfang war das hart. Abgesehen vom Backen war ich neu in der Gastronomie und wusste nicht, wie man so einen Laden führt. Ich habe alles selbst eingekauft, habe mir nichts liefern lassen. Erst nach und nach habe ich gelernt, welche Zutaten ich mir alle liefern lassen kann. Zum Einkaufen kommt das Backen hinzu. Ich wollte alles selbst backen, weil es mein Herzensprojekt war. Am Anfang hatten wir einen kleinen Haushaltsofen und da passen nur zwei Kuchen rein. Ich habe also immer während meiner normalen Schicht Kuchen gebacken. Manchmal war es auch so, dass ich samstags abends noch diverse Kuchen für Sonntag backen musste. Dann bin ich schnell zum Italiener um die Ecke zum Essen gegangen und dann zum Backen zurück ins Café. Irgendwann ging unser Ofen kaputt und ich habe mir einen riesigen neuen Ofen gekauft, in den sechs Kuchen gleichzeitig passen. Ich nenne ihn Bernd.
Und die Rezepte für die Kuchen hast Du damals selbst entwickelt?
Ich stand in der kleinen Küche im Café und wusste: ich muss zehn Kuchen backen. Also habe ich angefangen und nach Gefühl variiert und verfeinert. Mal kam noch ein Espresso in den Teig, ein paar Nüsse oder ich habe andere Dinge ausprobiert. Ich habe immer blind gebacken, einfach nach meinem Geschmack. Mir war aber auch wichtig, alles selbst zu machen. Wenn jemand zu mir gesagt hat: „Oh lecker! Backt ihr das selber?“ Dann konnte ich auch ehrlich sagen: Ja. Und wenn ein Kuchen mal nicht geschmeckt hat, dann hatten wir ihn halt versemmelt. Jetzt machen wir das nicht mehr so. Axel backt strickt nach Fahrplan. Jetzt produzieren wir auch nur noch in der Konditorei und das Café nebenan muss nicht mehr als Backstube dienen.
Was hast Du für die nächsten Monate geplant?
Erst einmal möchte ich den Bekanntheitsgrad der Zuckerbude als Konditorei in Hamburg erweitern. Wir haben die letzten Jahre keinen Außer-Haus-Verkauf von Kuchen angeboten und jetzt können und dürfen wir das endlich! Außerdem wünsche ich mir, dass es nicht nur eine Konditorei und ein Café ist, sondern, dass der Laden dich anschreit, wenn du reinkommst. „Zuckerbude“ heißt es nicht ohne Grund. Es sollen noch Backbücher und Backequipment dazukommen, sodass man sich auch länger im Laden aufhalten will. Am allerliebsten möchte ich auch gerne mein eigenes Backbuch machen.
Mir bringt Backen einfach viel Spaß und es entspannt mich auch total. Ich sage immer: Backen ist mein Yoga.
Du hast also immer noch Lust aufs Backen?
Total. Es fehlt mir momentan auch ein bisschen. Schon damals als ich bei „Blonde“ war, habe ich dauernd Selbstgebackenes mit ins Büro gebracht. Mir bringt das einfach viel Spaß und es entspannt mich auch total. Ich sage immer: Backen ist mein Yoga. Ich will meinen Alltag wieder so hinkriegen, dass er ein bisschen von allem mitbringt – nicht nur die organisatorische Arbeit, sondern auch ein bisschen in der Küche.
Wie sieht momentan Dein Alltag aus?
Momentan sitze ich viel am Schreibtisch und arbeite an unserer Struktur, um den Ablauf in unserer Konditorei zu optimieren. Ich arbeite in meinem Büro, genau gegenüber vom Café. Gerade ist jeder Tag anders, ich arbeite sehr viele Listen ab. Aber es lohnt sich und eine eher normale Arbeitswoche ist wieder in Reichweite.
Und was machst Du an den anderen Tagen, wenn Du nichts mit „Gretchens Villa“ oder der „Zuckerbude“ zu tun hast?
Man mag es kaum glauben, aber am liebsten gehe ich dann essen (lacht). Heute Morgen haben mein Freund und ich im „Salon wechsel Dich“ gefrühstückt. Ich finde es total entspannend, im Café zu sitzen und mich berieseln zu lassen – dann fallen mir auch immer neue Ideen ein. Ich bin viel mit meinem Hund in meinem Kiez unterwegs. Bei „Küchenfreunde“ gehe ich auch gerne essen.
Welche anderen Cafés magst Du gerne?
Hier im Kiez „Salon wechsel Dich“ und das „Café Leonar“. Wenn ich mal Zeit habe, bin ich auch gerne im „Glück und Selig“, weil ich mich mit den beiden Mädels auch gut verstehe.
Wenn Du noch einmal an dem Punkt vor fünf Jahren wärst, würdest Du „Gretchens Villa“ noch einmal eröffnen?
Ja, ich würd‘s noch mal machen. Ich glaube, ich hätte nicht direkt noch einmal das zweite Café nebenan eröffnet. Die Konditorei war vor kurzem ja noch das zweite Café. Ich würde mir selber und allen anderen dann raten: Mach erst einmal das eine. Und mach das zwei, drei Jahre lang und guck dann, dass Du dich weiterentwickelst. Ich habe schon nach anderthalb Jahren das zweite Café eröffnet und das war eigentlich zu früh.
Ich würde niemals sagen: Wag es nicht, Deine Träume umzusetzen. Doch, hab den Mut! Aber lass dir Zeit und fang erst mal langsam an. Eins nach dem anderen.
Wie kam das damals?
Die Fläche neben der „Villa“ wurde spontan frei und ich habe mich direkt darum beworben, obwohl das eigentlich nicht geplant war. Heute denke ich: Alles nach einander, nicht alles sofort. Und lieber mit Bedacht als aus der Pistole geschossen. Ich würde niemals sagen: Wag es nicht, deine Träume umzusetzen. Doch, hab den Mut! Aber lass dir Zeit und fang erst mal langsam an. Aufstocken geht immer. Eins nach dem anderen.
Guter Tipp! Vielen Dank, Steffi!
3 Kommentare
Klasse! Danke für das tolle Interview! Als ich in Hamburg zwei Semester Praktikum gemacht habe war ich super oft in der Villa zum Mittagessen. Ich hab´s geliebt!
Es ist wirklich total spannend mal was über die Frau hinter diesem legendären Café zu lesen. Irgendwie ist dieser Ort mir jetzt noch sympathischer als vorher. Jetzt habe ich allen Grund endlich mal bei der Zuckerbude vorbei zu schauen…
Ich wollte euch schon länger sagen: Ein wirklich besonderes und tolles Magazine habt ihr hier geschaffen!
Liebe Grüße
Harriet