Veljko Tatalović ist der Geschäftsführer und kreative Kopf hinter „Playground Coffee“. Geboren in Kroatiens Hauptstadt Zagreb und aufgewachsen bei Koblenz, arbeitet er seit mittlerweile acht Jahren mit Kaffee – als Röster und Café-Besitzer. Neben seinem Hauptstandort auf Hamburg St. Pauli, einem hübsch eingerichteten Ladenlokal zwischen Reeperbahn und Millerntor Stadion, betreibt der 33-Jährige noch einen Café-Kiosk in der Innenstadt. Dass nicht alle Geschäftspartnerschaften funktionieren, erlebte er mit seinem ersten Café-Projekt: Veljko stieg aus und gründete vor rund vier Jahren „Playground Coffee“ – und jetzt läuft es richtig gut.
Wir treffen uns mit Veljko in seinem Café auf St. Pauli. Sein Kumpel Matze, der von Anfang an mit an Bord ist, ist auch dabei, hält sich lieber im Hintergrund. Dass die beiden nicht nur einen Treffpunkt für Kaffeeliebhaber, sondern auch einen Ort des Austauschs geschaffen haben, wird schnell klar: Junge Familien kommen zum Luft holen her, später schaut ein DJ rein und zeigt stolz die Spielzeugautos, die er gerade auf Ebay für seinen Sohn gekauft hat. Veljko kennt viele seiner Gäste persönlich und weiß, wer welchen Kaffee am liebsten trinkt. Zwischen Theke und Sitzecke erzählt er uns von seiner Gründergeschichte mit allen Höhen und Tiefen.
Veljko Tatalović: Ursprünglich komme ich aus einer ganz anderen Richtung: Ich habe eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker in einer Oldtimer-Werkstatt gemacht – die Ausbildung habe ich allerdings abgebrochen. Mit der Idee Fotografie zu studieren, bin ich 2007 nach Hamburg gekommen. Hier habe ich mit einem Praktikum bei einem Fotografen angefangen, danach als selbstständiger Assistent gearbeitet und mich dabei unwissend in die Elite der Werbefotografie reingeschummelt. Ich wusste am Anfang überhaupt nicht, wie krass die Fotografen sind, mit denen ich arbeiten würde! Ich war erst viele Jahre Assistent für verschiedene Fotografen, habe mir eine Mappe aufgebaut und auch selbst für Magazine fotografiert. Ich bin da so reingerutscht. Aber als Fotograf arbeitet man fünf Tage im Monat und macht an den restlichen Tagen Akquise, pflegt die eigene Mappe und die Homepage. Das war mir zu wenig und ich wollte mir ein zweites Standbein aufbauen – und fand Kaffee rösten oder Bier brauen spannend.
Ich wollte ein Genussmittel herstellen. Früher habe ich als DJ aufgelegt und den Winter über das Eiscafé Venezia am Schulterblatt im Hamburger Schanzenviertel als Pop-up-Bar gemietet. Drei Monate habe ich dort Longdrinks verkauft und weil der Laden immer voll war, kamen danach ein paar Angebote in diese Richtung. Aber ich wollte auf keinen Fall mehr nachts arbeiten. Dann habe ich angefangen in einer Hamburger Rösterei zu arbeiten und wurde die rechte Hand der Geschäftsführung.
Wenn du ein Projekt aufbaust, bei dem viele deiner Freunde involviert sind, ist es schwierig, das wieder fallen zu lassen.
Stimmt. Nebenbei habe ich immer noch fotografiert und hatte auf einmal eine Sieben-Tage-Arbeitswoche. Ich wollte tiefer in die Kaffee-Materie eintauchen, wollte kreativer arbeiten und etwas eigenes machen. Also habe ich aufgehört zu fotografieren und mit einem Freund ein Café hochgezogen – das haben wir dann aber ordentlich gegen die Wand gefahren.
Es hat zwischen uns Gründern nicht gepasst. Aber wenn du ein Projekt aufbaust, bei dem viele deiner Freunde involviert sind, ist es schwierig, das wieder fallen zu lassen. Am Ende war es trotzdem eine Erfahrung.
Man sollte sich gut überlegen, welche Unternehmensform man wählt und mit wem man gründet. Aus Naivität und Euphorie dachte ich, dass alles klappen wird. Das ist ein Gefühl, wie frisch verliebt zu sein. Aber wenn man sich nicht mehr einig ist, hängt man trotzdem gemeinsam in der Firma fest. Im Nachhinein bin ich aber dankbar, dass es so gekommen ist. Es ist vielleicht eine dieser Schicksalsgeschichten, bei denen man nie weiß, wie es ausgeht. Ich hatte Glück und es ist etwas Gutes herausgekommen. Vielleicht auch, weil ich ja nicht mit der Idee selbst gescheitert war. Deshalb funktioniert der zweite Anlauf ja auch.
Welchen Kaffee wählen wir aus? Wie soll das Design der Verpackung aussehen? Diese kreative Arbeit ist genau das, was mir Spaß macht.
Ich war wahnsinnig enttäuscht und hatte auch erstmal keine Lust mehr, etwas zu gründen. Meine Familie und Freunde meinten aber, dass ich es definitiv noch einmal probieren soll.
Es war nicht die erste Idee. Aber dann habe ich mir gesagt, ich versuche es noch mal und mache alles noch viel besser. Ich hatte ja jetzt die Erfahrung und sowieso auch die Kaffee-Expertise. Hier bei „Playground Coffee“ waren von Anfang mein Kumpel Matze und ein Grafiker mit dabei, mit denen ich schon vorher gearbeitet habe. Denen vertraue ich. Wir haben gemeinsam angefangen und auf einmal kam wieder die Lust. Denn diese kreative Arbeit ist genau das, was mir Spaß macht: Welchen Kaffee wählen wir aus? Wie soll das Design der Verpackung aussehen?
Zuerst brauchst du einen Namen und dann geht’s los mit dem Konzept und der Überlegung, wie viel Geld man investieren will. Ich hatte kurze Zeit vorher Daniel vom Burgerladen „Ottos Burger“ kennengelernt, der gerade die Zusage für die Location im Hamburger Grindelviertel in der Nähe der Uni bekommen hatte. Und dann sind wir da gemeinsam reingezogen. Es war klar, dass es dort nichts langfristiges ist, aber es war ein guter Start mit einfachsten Mitteln.
Ich habe oft erst Pop-ups gemacht, um zu schauen, ob und wie Ideen funktionieren. Man muss ja nicht direkt einen 200-Quadratmeter-Laden mieten, um zu starten. Bei „Ottos Burger“ hatten wir nur einen Tresen, über den wir Kaffee verkauft haben. Zum Rösten haben wir uns bei Kollegen eingemietet und deren Maschine mitbenutzt.
Als zweites kam im Frühjahr 2016 der Kaffee-Kiosk am Rathaus in Hamburg dazu. Die Fläche gehört der Evangelischen Kirche und der Pastor ist ein Nachbar von Matze. Er hat uns den Kiosk angeboten, wir haben zwei Wochen lang renoviert und dann angefangen auch dort Kaffee zu verkaufen. Seit März 2017 haben wir unseren Hauptstandort auf St. Pauli.
Ja, aber der Laden hier ist so angelegt, dass eine Person alles alleine stemmen kann. Ich habe auch keine Kredite aufgenommen, alles Geld ist reinvestiert worden und bis auf die Kaffeemaschine hat sich alles selbst bezahlt. Trotzdem habe ich die letzten sechs Jahre wieder sieben Tage die Woche gearbeitet.
Mein Ansatz dieser Firma ist, dass es allen gut gehen soll. Nicht der Umsatz steht im Fokus, sondern wir und unsere Mitarbeiter.
Ja, in diesen Dimensionen bewegst du jeden Monat auch ziemlich viel Geld hin und her. Das wirkt am Anfang alles total unwirklich, aber man gewöhnt sich an die Größe der Summe. Wir haben ja auch noch einen Onlineshop, ein kleines Lager samt Büro und kümmern uns um den Versand sowie den Rohkaffeeeinkauf. Außerdem bieten wir Barista-Kurse und Kaffee-Caterings an und beliefern große Büros udn Cafés.
Man muss sich der Verantwortung bewusst sein. Mein Ansatz dieser Firma ist, dass es allen gut gehen soll. Nicht der Umsatz steht im Fokus, sondern wir und unsere Mitarbeiter. Und wenn es blöd wird, machen wir eben wieder zu. Wir haben uns gefragt, was uns wichtig ist: Wollen wir reich werden oder mehr Freizeit haben? Freitags einfach mal frei machen zum Beispiel? Auf dieses Ziel arbeiten wir hin. Vier Jahre gibt es „Playground Coffee“ schon und es macht jeden Tag richtig Spaß. Wir haben keine Investoren im Nacken und können es deshalb locker angehen. Das Gute ist, dass wir über die Jahre trotzdem Sprünge machen.
Das kam mit der Zeit und natürlich habe ich auch Sorgen. Ich habe aber früh gelernt abzuschalten. Sobald ich den Laden zuschließe, will ich meine Gedanken hier lassen.
Unsere Mission ist es, Kaffee simpel zu halten und zugänglich zu machen. Jeder Gast kann sich hier neben die Maschine setzen und Fragen stellen.
Bei uns im Team gibt es keine große Hierarchie. Ich halte nicht unbedingt am Rösten fest. Wenn da ein Mitarbeiter total Lust drauf hat, darf der das übernehmen. Bei uns dürfen die Leute auch direkt an die Kaffeemaschine. In vielen anderen Läden musst du 3-4 Monate andere Arbeiten machen, bevor du einen Baristakurs bekommst. Ich finde das mega frustrierend für die Mitarbeiter. Wir leben davon, dass alle die Kaffeemaschine richtig bedienen können. Vielleicht haben wir auch deshalb recht wenig Fluktuation. Unser Ziel ist eine langfristige Zusammenarbeit.
Ich habe immer so viele Ideen und viele Themen, die mich noch interessieren – das ist ein bisschen mein Problem. Wir sind hier relativ offen, wie es weitergeht. Aber anscheinend machen wir es ja bisher so gut, dass es weiterlaufen kann.
Wir haben zwischen fünf und acht wechselnde Kaffeesorten hier – es macht keinen Sinn, eine noch größere Auswahl anzubieten. Wieso soll der Kunde zwischen 25 Kaffees wählen können? Da wechseln wir unsere wenigen Sorten lieber öfter aus. Wir verkosten aber wahnsinnig viel Kaffee und schulen dadurch unsere Sensorik.
Wir sind hier immer auf einer Bühne, man muss jeden Tag vor den Gästen abliefern, egal wie es einem wirklich geht. Das kann wahnsinnig anstrengend sein.
Ja. Für mich fängt Nachhaltigkeit hier im Café an. Wie wir mit unseren Mitarbeitern umgehen, welche Lieferanten wir hier haben und natürlich, woher wir unseren Kaffee bekommen. Unser Kaffee kommt von kleinen Firmen und ist nicht zertifiziert, weil diese Zertifikate einfach viel zu teuer sind. Der Kaffee muss einfach richtig geil schmecken und dafür muss der Farmer einen guten Job machen. Wenn der Kaffee gut war, kaufen wir nächste Saison wieder dort ein. Eine faire Bezahlung ist uns wichtig.
Es gibt Listen von Importeuren und aus meiner Erfahrung weiß ich ungefähr, wie der Kaffee aus einzelnen Ländern schmecken könnte und bestelle kleine Proben. Für diese Proben haben wir hier unseren eigenen Mini-Röster im Laden stehen. Darin rösten wir den Kaffee und verköstigen ihn am nächsten Tag.
Es passiert momentan nicht so viel. Unsere Mission ist es, Kaffee simpel zu halten und zugänglich zu machen. Jeder Gast kann sich hier neben die Maschine setzen und Fragen stellen. Wir wollen keine Geheimnisse. Ein guter Gastgeber zum Wohlfühlen zu sein, ist uns wichtiger, als vorzuschreiben, wie oder welchen Kaffee du zu trinken hast. Wir gehören in Europa zu den besten Röstereien und einige aus unserer Szene erklären den Gästen, bei welcher Temperatur sie ihren Kaffee trinken und wann sie umrühren dürfen.
Das Schönste ist, so viel mit Menschen tun zu haben und genau das ist auch das Anstrengendste. Wir sind hier immer auf einer Bühne, man muss jeden Tag vor den Gästen abliefern, egal wie es einem wirklich geht. Das kann wahnsinnig anstrengend sein. Manchmal würde man sich gerne einfach nur in eine Ecke an den Laptop setzen und in Ruhe irgendwelche Arbeit machen. Man lernt mit der Zeit, sich ein dickes Fell zuzulegen. Aber es macht einfach wahnsinnig viel Spaß, unseren Kaffee zu machen und dann zu sehen, dass jemand am anderen Ende der Welt ihn bestellt und trinkt. Im Café bekommen wir immer direktes Feedback und auch das ist toll. Jeder kann sagen, ob der Kaffee schmeckt oder nicht. Es ist egal, ob du Kaffee-Experte bist oder nicht.
Etwas Neues zu starten ist genau das, was mir Spaß macht. Es ist die schönste und aufregendste Phase.
Jemand müsste „Playground“ aufkaufen (lacht). Aber auch wenn das nie passiert, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ich es nochmal neu versuche. Etwas Neues zu starten ist genau das, was mir Spaß macht. Es ist die schönste und aufregendste Phase. Bei einem Projekt wie auch in der Liebe.
Fotos: Sarah Buth
Text: Anissa Brinkhoff
Layout: Carolina Moscato