Eine von acht Frauen ist ungewollt kinderlos. „Na, wann ist es denn soweit?“, diese Frage löst nicht nur bei vielen Frauen*, die ungewollt kinderlos sind, schmerzhafte Gefühle aus, sondern ist auch der Titel des neuen Buchs von Autorin Anna Wilken. Die 25-Jährige leidet an Endometriose und befindet sich seit längerem in Kinderwunschbehandlungen. Sie will mit diesem Buchtitel ganz bewusst provozieren – und so die Themen Kinderwunschbehandlungen und Kinderlosigkeit in die mediale Öffentlichkeit holen. Damit Betroffene keine übergriffigen Fragen mehr aushalten müssen und sich ganz selbstverständlich über alle Behandlungen und Möglichkeiten informieren können. Wir haben Anna zum Interview getroffen und mit ihr darüber gesprochen, warum sie sich dazu entschlossen hat, öffentlich über ihre Kinderwunschbehandlungen zu sprechen, wie sie trotz ihres bisher unerfüllten Kinderwunsches und der psychischen Strapazen so positiv bleibt, und was wir alle tun können, damit dieses Thema in die Mitte der Gesellschaft rückt.
Anna Wilken: Für mich ist es anstrengend, das Thema zu verheimlichen, weil sich teilweise mein ganzer Alltag um diese Termine dreht. Ich sehe auf Instagram, wie viele Accounts, die zu Kinderwunschthemen posten, Avatare sind. Weil die Frauen heimlich über ihren Kinderwunsch reden wollen, sodass das Umfeld und der Arbeitgeber nichts mitbekommen. Ich verstehe, dass nicht jede*r so offen und ehrlich sein kann. Aber wenn der Großteil anfängt, offener darüber zu reden, ist dem Thema geholfen. Wie soll mein Gegenüber Rücksicht auf mich nehmen, wenn er oder sie gar nicht weiß, was in mir vorgeht?
Es ist mir eine Herzensangelegenheit, meine Reichweite zu nutzen, um dem Thema Endometriose wie auch dem unerfüllten Kinderwunsch mehr Sichtbarkeit zu geben.
Beim Lesen von Büchern haben wir eine ganz andere Aufmerksamkeitsspanne. Auf Instagram kann ich Inhalte verlinken, aber meine Follower*innen fragen trotzdem nach kurzer Zeit nochmal nach. Für mich sind das zwei Medien, die sich total unterscheiden und deshalb gut ergänzen. Ich hätte gerne noch mehr ins Buch geschrieben, weil das Thema Kinderwunsch so komplex ist, aber diese Inhalte kann ich jetzt zusätzlich auf Instagram teilen und thematisieren. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, meine Reichweite zu nutzen, um dem Thema Endometriose wie auch dem unerfüllten Kinderwunsch mehr Sichtbarkeit zu geben.
Ich möchte, dass der Kinderwunsch enttabuisiert wird.
Ich möchte, dass der Kinderwunsch enttabuisiert wird. Der Titel „Na wann ist es denn soweit?“ ist super provokant und ich hatte zwischendurch Angst, dass er falsch aufgenommen wird. Aber diejenigen, die uns Betroffenen diese Frage stellen, provozieren auch. Und ich möchte Druck aus dem Thema nehmen. Gar nicht in dem Sinne, dass wir uns mal entspannen sollen – ich hasse diese Aussage. Wenn ich die Aussage „den Druck rausnehmen“ in Bezug aufs Kindermachen höre, bekomme ich die Krise.
Natürlich ist es hilfreich für die Psyche, wenn man sich weniger unter Druck setzt. Aber von den Leuten, die sich entspannen und dann trotzdem kein Kind bekommen oder adoptieren, hört man nie wieder was. Ich will mit meinem Buch vermitteln, dass es sehr viele – medizinische – Möglichkeiten gibt, die bei Kinderlosigkeit helfen können. Aber wir müssen nichts machen. Denn dieses Müssen löst total viele Schuldgefühle aus. Wenn jemand zu dir sagt, du musst das und das machen, impliziert das, dass alles, was du vorher gemacht hast, eigentlich falsch war.
Fast zwei Jahre habe ich meine Kinderwunschbehandlungen geheim gehalten.
Fast zwei Jahre habe ich meine Kinderwunschbehandlungen geheim gehalten. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch gar nicht verdaut, dass ich Kinderwunschbehandlungen machen lassen muss, um Mutter zu werden. Beim Schreiben meines ersten Buches „In der Regel stark“ über Endometriose habe ich aber gemerkt, dass das Thema nicht fehlen darf. Auf Instagram habe ich erst angefangen, von den Behandlungen im Nachhinein zu berichten und mittlerweile berichte ich auch zeitgleich zu meinen Behandlungen.
Ich werde richtig sarkastisch und stelle eine genauso doofe Gegenfrage. Oder ich sage meine Meinung, dass ich es übergriffig finde. Wir sollten unbedingt mutiger sein und kontern.
Das ist super schwierig und ich kann eigentlich keinen Rat geben. Ich persönlich denke mir, dass die anderen Mütter mir nichts weggenommen haben. Sie können nichts dafür, dass es bei mir so ist wie es ist. Ich freue mich, wenn meine Freundinnen mir verkünden, dass sie sofort schwanger geworden sind. Auch, wenn ich mich natürlich zeitgleich frage, wieso es bei mir nicht klappt. Aber ich werde ja durch deren Schwangerschaften selbst nicht mehr oder weniger schwanger.
Ein von acht Paaren betrifft Kinderlosigkeit. Und was drüber hilft, ist reden.
Als mir meine Freundin erzählte, dass sie einen Schwangerschaftstest macht, meinte ich direkt zu ihr, dass sie jetzt nicht aus Rücksicht anfangen soll, mich anders zu behandeln. Und sie war total irritiert, weshalb sie mich denn überhaupt anders behandeln sollte. Das fand ich toll, dass sie so reagiert hat. Ich bekomme eher das Gefühl vermittelt, dass bei mir etwas nicht richtig läuft, wenn man mich anders behandelt und Abstand nimmt. Wenn es einem dann doch zu viel wird, kann man es immer sagen.
Eines von acht Paaren betrifft Kinderlosigkeit. Und was hilft, ist darüber reden.
Auch wenn ich ein sehr realistischer und positiv denkender Mensch bin, machen diese Behandlungen und das Hoffen und Bangen sehr viel mit mir.
Was zu mir passt, findet sich medizinisch. In der Kinderwunschklinik wurde mir gesagt, welche Behandlung ich brauche. Deshalb würde ich auch immer empfehlen, Termine in solchen Kliniken zu machen. Ansonsten informiere ich mich am liebsten mithilfe von Büchern.
Aufgrund meiner Depression und Panikattacken war ich schon vorher über drei Jahre lang in einer Verhaltenstherapie. Als ich nach Heidelberg umgezogen bin und neue Ärzte brauchte, habe ich per Zufall entdeckt, dass es hier einen Kinderwunschpsychologen gibt. Dort bin ich seit einiger Zeit in Behandlung. Auch wenn ich ein sehr realistischer und positiv denkender Mensch bin, machen diese Behandlungen und das Hoffen und Bangen sehr viel mit mir.
Auf gar keinen Fall sollte man Freundinnen mit zu vielen Fragen in die Enge treiben. Was mir richtig gut tut: Wenn ich Nachrichten von Freundinnen bekomme und sie einfach nur schreiben, „Hey, ich denke an dich, meld‘ dich, falls du möchtest.“ Solche unaufdringlichen Nachfragen finde ich total schön.
Ich rede nicht darüber, in welcher Woche ich meine Fehlgeburt hatte. Vielleicht werde ich das irgendwann mal tun, aber aktuell möchte ich es nicht. Und mein Freund und ich haben für uns eine persönliche zeitliche Grenze, wie lange wir es mit den Behandlungen versuchen wollen. Diese Grenze kennt auch niemand, noch nicht mal meine Mutter.
Wir haben keine Summe festgelegt, weil wir es uns aktuell gut leisten können. Ich schäme mich immer ein bisschen, das zu sagen, weil ich weiß, wie privilegiert wir sind. Ich habe mit dem Label „Jo & Judy“ einen Kinderwunschplaner herausgegeben, der auch einen Finanztracker enthält. Der kann helfen, die eigene finanzielle Situation einzuschätzen. Und man sollte sich unbedingt bei den Krankenkassen informieren, welche Kassen welche Behandlungen unterstützen.
Natürlich bin ich auch mal wütend auf meinen Körper, wenn ich höre, dass ich mit 24 Jahren schon nicht mehr ausreichend Eizellen habe, um einfach schwanger zu werden.
Ich habe vom Kinderwunschpsychologen gelernt, dass die Medaille immer zwei Seiten hat. Es gibt meistens den Ruhepol und den Stressmacher in der Partnerschaft. Mein Partner ist der Ruhepol und ich bin die Stressmacherin. Wären wir beide Stressmacher, wäre es sehr anstrengend. Deshalb ist es total okay, wenn beide unterschiedlich mit dem Thema umgehen. Natürlich sollte der Partner aber zuhören und Fragen stellen. Wenn er nicht die Hormone nehmen muss, wie soll er sonst auch wissen, was in der Frau vorgeht?
Ich kann das nur im Hinblick auf die Endometriose sagen. Ich fühle mich generell wohl in meinem Körper, aber bei der Diagnose hat sich mein Körper falsch angefühlt, weil er einfach macht, was er will. Damals konnte ich damit erst nicht umgehen. Dann habe ich versucht, die Endometriose in mein Leben zu integrieren und nicht umgekehrt. Ich habe durch die Endometriose die größte Freundschaft mit meinem Körper geschlossen. Natürlich bin ich auch mal wütend auf meinen Körper, wenn ich höre, dass ich mit 24 Jahren schon nicht mehr ausreichend Eizellen hatte, um einfach schwanger zu werden. Aber in Freundschaften hat man ja auch mal Streit – und diese Einstellung hilft mir, damit umzugehen.
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Teaserfoto: Anna Wilken