Gefahren der KI: Müssen Kinder und Jugendliche besonders geschützt werden?

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10. Juli 2024

Bei digitalen Bildern lässt sich kaum noch unterscheiden, was echt und was falsch ist. Auf Social Media sind bereits manche Influencer*innen erfolgreich, die vollständig von Künstlicher Intelligenz kreiert wurden. Diese Entwicklungen beeinflussen unsere Sehgewohnheiten und unser Schönheitsideal. Schon heute fühlen sich jede dritte Frau* und fast jedes vierte Mädchen* in Deutschland unter Druck gesetzt, ihr Aussehen zu verändern aufgrund der Inhalte, die sie online sehen – selbst wenn ihnen bewusst ist, dass diese verfälscht oder von KI generiert sind**. Warum und wie deshalb dringend mehr Kompetenz und Wissen rund um Social Media und KI schon in der Jugend vermittelt werden müssen und welche Gefahren der KI es generell gibt – darüber sprechen wir mit Silke Müller.

Silke Müller ist Schulleiterin an der Waldschule Hatten im Landkreis Oldenburg. Beschäftigt sich seit 2009 intensiv mit der Digitalisierung und dem digitalen Lernen an Schulen. Nicht nur an ihrer Schule, sondern auch als Beraterin und Referentin auf Landes- und Bundesebene. Sie hat 2023 ein Buch über die Auswirkungen von Social Media auf Kinder veröffentlicht und 2024 eins über die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf Familie und Schulen.

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Partner dieses Beitrags ist „Dove“. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der berühmten „Dove“-Kampagne für #RealBeauty – mit der die Beautybrand das Versprechen gab, Frauen* immer so zu zeigen, wie sie im wirklichen Leben aussehen – führte „Dove“ die bisher umfassendste Studie über Schönheit auf der ganzen Welt durch. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass für mehr als sieben von zehn Frauen* der Druck, schön zu sein, in den letzten acht Jahren immens zugenommen hat. Dabei spielen soziale Medien und Influencer*innen eine zentrale Rolle. Weil Analyst*innen erwarten, dass 90 Prozent der digitalen Inhalte bis 2025 von KI generiert werden, erweitert „Dove“ nun sein Versprechen, wahre Schönheit zu schützen, und verpflichtet sich, in seiner Kommunikation niemals künstliche Intelligenz einzusetzen. Mehr dazu lest ihr hier.


Bilder: „Dove“

femtastics: Silke, worin siehst du – bei aller Liebe zur Digitalisierung – gerade die größten Herausforderungen?

Silke Müller: Die größte Herausforderung ist für mich, dass diejenigen, die Kinder und Jugendliche beim Heranwachsen begleiten, souverän und kompetent sein müssten im Umgang mit all diesen Inhalten, die uns in Social Media begegnen. Das ist aber nicht der Fall. Egal, ob das Lehrer*innen, Eltern oder Großeltern sind. Über Politik brauchen wir an dieser Stelle gar nicht sprechen, wie viel Unkenntnis da zum Teil vorhanden ist. Das macht mir große Sorgen, weil ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll in der Aufzählung, wo man eigentlich Kompetenz bräuchte.

Welche Gefahren siehst du ganz konkret durch Social Media und KI für Kinder und Jugendliche?

Fangen wir mit Social Media an: Kinder sind sehr stark in puncto Sucht beeinflusst. Es gab in diesem Jahr eine Studie der „DAK“, die darauf hinweist, dass sich die Mediensucht verdoppelt hat seit der Pandemie. Die „Postbank Digitalstudie“ aus 2023 sagt, dass die Internetznutzung pro Woche bei Jugendlichen durchschnittlich 63,7 Stunden beträgt . Wenn wir Kindern sagen: „Mach‘ mal das Handy aus!“, dann ist das eben nicht mehr so einfach, weil die Sucht möglicherweise schon so raumgreifend für die Kinder ist, dass sie wirklich eine Abhängigkeit zeigen.

Wenn wir Kindern sagen: „Mach‘ mal das Handy aus!“, dann ist das nicht mehr so einfach, weil die Sucht möglicherweise schon so raumgreifend ist.

Die politische Meinungsbildung ist eine Riesenkatastrophe. Aber auch die Gefährdung von Leib und Leben durch Cybercrime, die Psyche, aber auch im Grunde genommen das Sein als empathischer Mensch. Der Raum der Bedrohung ist so unfassbar groß, dass die wenigen Regulierungen, die wir haben, kaum helfen und die Unkenntnis von Eltern und all jenen, die sich kümmern müssten, das noch verstärken. Wir tun den Kindern da echt Schlimmes an!

Was ist dein Eindruck, wann das anfängt?

Sobald die Kinder ein Smartphone in die Hand bekommen und Zugriff auf diverse soziale Netzwerke haben. Ich kann nicht verstehen, dass Eltern so fahrlässig handeln, dass sie im Grundschulalter ihrem Kind ein Smartphone in die Hand drücken. Immer mit der Ausrede „Ich kann meinem Kind vertrauen“ oder „Ich muss ja wissen, wo mein Kind ist“. Ich würde gerne jedes Elternteil rütteln und fragen: „Was machst du da? Wie kann man sein Kind freiwillig in so ein Haifischbecken werfen?“.

Es braucht Medienkompetenz ab der ersten Klasse, möglicherweise mittlerweile schon in der Kita. Aber es braucht nicht diese freie Verfügbarkeit von Smartphones für Kinder.

Und ich bin pro Digitalisierung und weiß, unsere Welt ist digital. Es braucht Medienkompetenz ab der ersten Klasse, möglicherweise schon in der Kita. Aber es braucht nicht diese freie Verfügbarkeit von Smartphones für Kinder. Für mich ist es ein wichtiger Unterschied, ob es begleitet ist, diesen Kompetenzaufbau herzustellen, oder ob Kinder quasi alleine experimentieren. Sie sollen irgendwann experimentieren, aber nicht in einem Raum, der absolut gefährdend ist.

Deshalb sage ich ganz ehrlich, 14 Jahre wäre für mich das Alter, in dem Kinder einen mehr oder weniger nicht unbegrenzten, aber weniger begleiteten Umgang mit dem Smartphone im Netz haben könnten. Ich würde sogar auf 16 hochgehen.

Du hast eben schon die psychischen Auswirkungen angesprochen. Die Beautymarke „Dove“ hat in einer neuen globalen Studie herausgefunden, dass Social Media und digitale, von KI erzeugte Bilder, einen riesigen Druck auf Mädchen und auch Frauen ausüben. Laut der Studie fühlen sich 37% der Mädchen in Deutschland unter Druck gesetzt, ihr Aussehen zu verändern aufgrund der Inhalte, die sie online sehen. Was kann dagegen getan werden – und von wem?

Dieses Thema gehört bewusst in die Schule und in die Lehrpläne. Es fängt eigentlich nicht damit an, dass ich mich beeinflussen lasse, sondern damit, wie wenig Selbstbewusstsein ich habe. „Wie definiert man Schönheit? Was ist mein Wert und wie baue ich Selbstbewusstsein auf?“ – solche Fragen sollte man zum Gegenstand des Unterrichts machen. Von KI generierte Bilder werden unsere bisherigen Schönheitsideale ja nochmal um Längen schlagen, weil sie alles in reinster Perfektion darstellen.

Gespräche über den eigenen Wert müssen viel stärker in den Vordergrund rücken. Wir müssen Kinder viel mehr bestärken: „Du bist gut wie du bist, du siehst toll aus, du bist ein einzigartiger Mensch!“.

Man macht ja als Eltern selbst oft den Fehler, dass man Trends mitmacht. Dann gibt es die neuesten Haarspangen oder den neuesten Trend, wie man Kinder kleiden sollte. Man richtet sie teilweise wie „Instagram“-Püppchen her und fotografiert sie. Ihr wisst selbst, wie Kinderbilder durchs Netz geistern. Und ich kann es sogar verstehen, dass Eltern den Stolz auf ihre Kinder nach außen tragen wollen, dass sie sagen: „Ich bin so stolz auf mein Kind, die ganze Welt soll daran teilhaben, wie toll und süß mein Kind ist!“. Aber es ist ziemlich egoistisch und ziemlich narzisstisch. Ehrlicherweise auch übergriffig.

Gespräche über den eigenen Wert müssen viel stärker in den Vordergrund rücken. Wir müssen Kinder viel mehr bestärken.

Wie können diese Diskussionen in Schulen stattfinden?

Wir haben bei uns in der Schule die „Social Media Sprechstunde“, in der es immer wieder um solche Fragen geht. Genau so etwas sollte an Schulen eingeführt werden. Egal, ob Sprechstunde, Projektwoche, Themenwoche, Methodentage, was auch immer. Im Grunde genommen einfach Zeit einräumen, um diese Themen in die Mitte zu stellen.

Analyst*innen gehen davon aus, dass 2025 90% aller digitalen Inhalte von KI generiert sein werden. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung deiner Meinung nach auf das Schönheitsideal?

Eine katastrophale. Es fängt ja schon mit dem Begriff „KI“ an. Dr. Diana Knodel, Expertin für KI und digitale Bildung, erklärt in einem Interview „KI“ als wäre man fünf Jahre alt, sodass es jede*r versteht. Sich mit Menschen zu unterhalten, ist der erste Weg. Ich glaube, dass wir Senior*innen Angebote machen müssten, damit sie verstehen, was KI ist. Wo hilft mir das im Alltag und wo muss ich aufpassen?
Das gilt für Ältere, das gilt für die Politik.

Und da gibt es nicht die eine Plattform, wo ich durchgeführt werde wie in einem Lehrbuch. Dafür verändert sich alles auch zu schnell. Aber es braucht diesen ersten Zugang. Einfach zu sagen: „Okay, wenn ich das lese, wenn ich das schaue, wenn ich den Podcast höre, dann bin ich drin im Thema“. Das ist mein Ansatz, überhaupt dieses Bewusstsein aufzubauen.


Das ganze Interview mit Silke Müller hört ihr in unserer Podcast-Episode!

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Collage: „Canva“
Foto Silke Müller: Carolin Windel


– Werbung: In Kooperation mit „Dove“ –

** Laut der Studie „Global State of Beauty“

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