Etwa neun von zehn Schwangeren lassen in Deutschland bei der Diagnose Trisomie 21 einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, so schätzen Expert*innen. Thekla Wilkening (Beraterin, Autorin und Moderatorin mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Zirkularität) ist dreifache Mutter und teilt auf “Instagram” sowie in ihrem Newsletter persönliche Einblicke ins Leben mit ihrer Tochter Toni, die vor zwei Jahren mit dem Downsyndrom geboren wurde.
Welche Auswirkungen hatte die Diagnose für sie und ihren Partner? Und wie sieht ihr Leben zusammen mit Toni aus? Darüber sprechen wir mit Thekla Wilkening in dieser Podcastfolge.
Thekla Wilkening: Ich erinnere mich sehr gut daran. Die meisten von uns gehen mit einem sehr großen Optimismus in eine Schwangerschaft. Ich erinnere mich noch, dass ich ein bisschen verwirrt war, als mein Arzt sagte, dass er mich gerne in zwei Wochen wiedersehen würde, weil zu viel Fruchtwasser da war. Das war in einer ganz klassischen Vorsorgeuntersuchung. Ich freute mich eigentlich, weil ich wusste, dass ich Toni nochmal sehen würde. Wir wussten damals schon, dass es ein Mädchen wird und hatten schon den Namen Toni für sie.
Es war der Welt-Downsyndrom-Tag, und ich wusste irgendwie, dass meine Tochter Downsyndrom hat. Der Arzt rief uns dann abends an und bestätigte es.
Das war ungefähr in der sechsten Schwangerschaftswoche, im fünften Monat haben wir die finale Diagnose erhalten. Damals habe ehrlich gesagt noch gar nichts verstanden. Ich ging dann zum Diagnostiker in die Uniklinik. Das war richtig krass, weil mein Mann wegen der Pandemie nicht mitkommen durfte, und ich alleine war. Der Diagnostiker schaute fast eine Stunde lang alles am Baby an und verglich die Werte. Am Ende kam er zu dem Fazit, dass tatsächlich Abweichungen da sind und wir eine Fruchtwasserpunktion machen müssen. Das war wirklich eines der schlimmsten Dinge, die ich in meinem Leben je machen musste. Eine riesige Nadel wird durch den Bauch bis zum Fruchtwasser geführt. Es tat physisch nicht wirklich weh, aber der emotionale Schmerz war auf jeden Fall enorm.
Im Anschluss bekam ich eine Broschüre über das Leben mit Menschen mit Behinderung, legte sie aber erst mal beiseite, weil ich nicht wusste, was ich damit anfangen sollte. Ein paar Tage später checkte ich morgens „Instagram“: Es war der Welt-Downsyndrom-Tag, und ich wusste irgendwie, dass meine Tochter Downsyndrom hat. Der Arzt rief uns dann abends an und bestätigte es.
Wir standen dann am 21. März 2022 mit zwei Diagnosen da: Downsyndrom und die unsichere Flüssigkeit im Kopf, die die Gehirnentwicklung beeinflussen könnte. Niemand konnte uns sagen, was das bedeutet. Ich glaube, die Unsicherheit war der größere Schock.
Es gibt Beratungsstellen, die testen, ob man Erbanlagen hat. Bei uns war es eine so genannte freie Trisomie, diese entsteht völlig random im Moment der Befruchtung. Der Berater sagte uns, dass die meisten Eltern sich gegen ein Kind mit Downsyndrom entscheiden. Für uns war eher die Unsicherheit da, ob sie überhaupt bleiben kann, ob wir die Schwangerschaft durchstehen können.
Ich ging oft zum feindiagnostischen Arzt, was sehr gut war. Begleitung ist wichtig, solange es eine positive, gesunde Begleitung ist. Mir half es, die Schwangerschaft vierzehntägig zu betrachten. Es gab keinen Druck, eine schnelle Entscheidung zu treffen. Emotional war das natürlich eine andere Sache.
Ich hatte schon ein Kind, und der Vergleich zur ersten Schwangerschaft war da. Man ist eigentlich optimistisch, geht aber sofort vom Schlimmsten aus. Wir dachten, sie könnte nicht überleben, was im Nachhinein nicht realistisch klingt, aber man denkt sofort an das Schlimmste.
Wir haben es nur wenigen Leuten erzählt, weil wir nicht abschätzen konnten, wie sie reagieren würden. Ich sprach nur mit meinen engsten Freundinnen darüber, die zufälligerweise alle schon Kinder hatten. Sie konnten das Thema emotional besser aufnehmen. Manche hatten viele Fragen, die ich nicht beantworten konnte.
Wir wünschen uns Akzeptanz und Unterstützung für Toni und alle Menschen mit Behinderung.
Ja, bei einzelnen Ärzt*innen oder Beratungsstellen wurden wir defensiv behandelt und fühlten uns bemitleidet. Das war schmerzhaft. In unserem Umfeld überwog das Positive.
Ich habe Angst vor dem Rechtsruck, wie z.B. bei dem Anschlag auf ein Wohnheim für Menschen mit Behinderung in Mönchengladbach. Ein Rechtsruck schließt auch Menschen mit Behinderung aus. Das macht uns Angst und verstärkt unseren Beschützerinstinkt. Wir wünschen uns Akzeptanz und Unterstützung für Toni und alle Menschen mit Behinderung.
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Foto: Denys Karlinsky