Mit Meditation und Achtsamkeit hatte Schauspieler Günter Bubbnik nichts zu tun – bis er eine persönliche Krise erlebte und sich im Leben neu orientierte. Als er mit Stressmanagement und Meditation in Berührung kam, war er sofort begeistert, weil er am eigenen Leib erfuhr, welche Möglichkeiten in diesen Methoden stecken. Heute ist Günter, der in Wien geboren wurde, zertifizierter MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction)– und Achtsamkeitstrainer, arbeitet noch für ausgewählte Projekte als Schauspieler, ist nebenbei Dozent und entwickelt neue Ideen, um noch mehr Menschen an Achtsamkeit heranzuführen. Und das nicht nur in seiner Wahlheimat München, sondern auch ortsunabhängig online. Wir sprechen mit ihm darüber, warum ihn diese Themen so faszinieren und Günter verrät uns Übungen, die gegen Stress helfen (was wir in der aktuellen Corona-Krise alle ganz besonders gebrauchen können).
Günter Bubbnik: In meiner ersten Ausbildung haben sie uns noch gesagt: Man wird niemals davon leben können. Ich habe es trotzdem gemacht, ich kannte das ja schon. Als ich Schauspieler werden wollte, haben mir alle dasselbe gesagt. Ich gehe da lieber nach meinem Herzen und vertraue darauf, wofür ich brenne.
Jetzt ist Achtsamkeit schon in gewisser Weise ein Trend, aber keiner, der wieder verschwinden wird, dafür ist die Menschheit zu weit gekommen. Meine Kurse werden von den Krankenkassen bezuschusst, weil ich ein pädagogisches Studium habe – das ist ein Zeichen, dass Achtsamkeitskurse akzeptierter geworden sind. Weg von Hokuspokus hin zu etwas, das wissenschaftlich anerkannt ist. Aber das Thema hat sein volles Potential noch immer nicht entfaltet. Es ist noch immer nicht da, wo es hinkommen kann. Ich denke, das wird eine ganze Generation verändern – die Generation, die mit einem Verständnis für Achtsamkeit aufwächst und die lernt, wie man mit Gefühlen umgeht und damit, wenn es einem schlecht geht. Ich denke ganz ehrlich, dass es um eine neue Stufe des Bewusstseins der Menschen geht.
Ich habe in Wien Schauspiel studiert und relativ schnell nach der Schauspielschule eine Rolle in einer Telenovela bekommen. Das war ein Daily Format, es wurde also jeden Tag gedreht, um jeweils eine Folge zu produzieren. Zuerst dachte ich: Jackpot! Dann wurde es schnell ziemlich anstrengend, in der Freizeit musstest du unheimlich viel Text lernen, du hattest immer 60-Stunden-Wochen. Es ging mir sehr schlecht, ich habe schlecht geschlafen und bin in einen Burnout gerutscht. Ich wusste: Das kann ich so nicht weitermachen.
Nach langem Überlegen habe ich beschlossen, in München Lehramt zu studieren: Sport und Mathe. Das hatte ich früher schon einmal vor und im Alter von 32 habe ich es gemacht. (lacht) In der Uni hatten wir ein Seminar mit dem Namen „Meditation in der Schule“. Lehrer sollten lernen, wie sie mit Stress umgehen. Ich hatte mit Meditation früher noch nie etwas zu tun, aber dachte mir: Warum nicht? Es hat mir richtig richtig gut gefallen und das Thema hat mich voll begeistert. Es war ein MBSR-Kurs über ein Semester.
Ich habe nach der Schauspielschule eine Rolle in einer Telenovela bekommen. Zuerst dachte ich: Jackpot! Dann wurde es schnell ziemlich anstrengend.
MBSR steht für Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion bzw. Mindfulness-Based Stress Reduction. Es wurde ursprünglich als Schmerztherapie für Menschen mit chronischen Schmerzen entwickelt, angelegt als 8-Wochen-Kurs. Die betreffenden Patienten haben tatsächlich gelernt, anders mit ihren Schmerzen umzugehen. So ist es auch bei Stress: Ich sage den Teilnehmern meiner Kurse nicht: „Ihr werdet keinen Stress mehr empfinden.“ – du kannst aber den Umgang mit Stress verändern. Das Prinzip von MBSR gibt es schon seit den 70er-Jahren und es wurde seitdem wissenschaftlich erforscht und validiert. Wenn wir Stress empfinden, nimmt die Aktivität im Hippocampus im Gehirn ab, wodurch unsere Gedächtnisleistung und Emotionsregulation abnimmt. Mit der Meditation nimmt diese Gehirnaktivität erwiesenermaßen wieder zu. Der 8-Wochen-Kurs verändert nachhaltig etwas im Gehirn.
Ein Klassiker ist der „Bodyscan“, bei dem man gedanklich durch den Körper wandert und versucht, die Körperempfinden wahrzunehmen. Sehr wichtig ist die Meditation mit dem Atem. Wenn man versucht, sich nur auf den eigenen Atem zu konzentrieren, driftet man gedanklich schnell ab – aber allein, festzustellen, dass man abgedriftet ist, ist schon Achtsamkeit. Man muss sich nur bemühen, immer wieder zum Atem, zum Hier und Jetzt zurückzukommen. Es klingt so einfach, aber so komplex ist es auch.
Ich habe gemerkt, dass er mir sehr gut getan hat. Es ging mir viel besser, ich habe wieder besser geschlafen und mich ausgeglichener gefühlt. Ich habe mich mit dem Prof gut verstanden und mit ihm an einer Konferenz zu MBSR teilgenommen. Da wurde mir bewusst: Das ist genau das, was ich machen will – es tut mir selbst so gut und ich möchte es gern an andere Menschen weitergeben! Ich habe dann parallel zu meinem Studium eine Ausbildung zum MBSR-Lehrer gemacht. Danach ging es recht schnell: Ich habe meine ersten Kurse angeboten und gutes Feedback bekommen. Meine Schauspielausbildung hat mir von Anfang an geholfen, weil ich eine Sprachausbildung bekommen habe – und die Stimme spielt bei Meditationen und MBSR-Kursen eine wichtige Rolle. Es hat einfach sehr gut gepasst!
Ich habe mich weitergebildet: Nach der MBSR-Ausbildung habe ich noch Ausbildungen in Erlebnispädagogik, in TAA, „Training für Achtsamkeit am Arbeitsplatz“ und in MBCL, „Mindfulness‑Based Compassionate Living“ gemacht und aktuell arbeite ich an einem Pionier-Ausbildungsprogramm für Lehrer, um das Thema Achtsamkeit in Schulen zu bringen. Zudem arbeite ich mittlerweile selbst als Dozent für Achtsamkeit an der TU München und der Hochschule München. Ich interessiere mich wahnsinnig für diesen Bereich.
Ich möchte mein Lehramtstudium nach wie vor abschließen. Ich hätte gerade mein Staatsexamen schreiben sollen, das wurde wegen Corona verschoben. Auch die Schauspielerei habe ich nicht aufgegeben, ich möchte nur nicht gezwungen sein, davon zu leben. Wenn ich mir aussuchen kann, ob ich einen Schauspieljob machen möchte oder nicht, ist das eine ganz andere Situation als jeden annehmen zu müssen.
MBSR-Kurse – offline und online – sowie Meditationen und Mitgefühlskurse – ebenfalls online und offline. Ich habe Kurse zu „Achtsamkeit in der Natur“ und „Achtsam Segeln“ angeboten, ich biete Achtsamkeits- und Stressmanagement-Kurse in Unternehmen an und ich habe eine Firma gegründet, „Mindful Minds Management„, bei der es um die Vermittlung von Achtsamkeitstrainern an Unternehmen geht. Aktuell arbeite ich noch an ein paar weiteren Ideen.
Es gibt ein Zitat von Jon Kabat-
Zinn, das ich sehr mag: „Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen zu surfen.“
Ich versuche, sehr fokussiert und effizient zu arbeiten. Ich habe den Vorteil, dass ich selbstständig bin und meine Zeit flexibel einteilen kann. Aber natürlich muss man auch, wenn man etwas gerne tut, darauf achten, eine Balance zu finden. Auch als Achtsamkeitstrainer bin ich nicht davor geschützt, Stress zu haben.
Es gibt ein Zitat von Jon Kabat-
Immer wieder kommen Leute zu mir und sagen: „Günter, du kannst mir doch das Meditieren beibringen. Mach mal!“ Nach zwanzig Minuten sagen sie dann: „Also ich spüre noch nix.“ (lacht) Du gehst ja auch nicht ins Fitnessstudio, trainierst einmal und erwartest, dass du dann riesige Muckis hast! Du musst mindestens eine Woche konsequent täglich meditieren bevor du irgendeine Art der Veränderung spüren kannst. Definitive Veränderungen merkst du nach dem 8-Wochen-Programm. Ich möchte niemandem etwas vorschreiben, jeder darf selbst ausprobieren und erfahren, was ihm oder ihr gut tut. Mir persönlich tut es gut, morgens Früh zu meditieren, noch bevor ich aufs Handy schaue, wenn mein Geist noch ganz frisch ist und ich gedanklich noch in keinem Thema feststecke.
Ich denke, das wird eine ganze Generation verändern – die Generation, die mit einem Verständnis für Achtsamkeit aufwächst und die lernt, wie man mit Gefühlen umgeht und damit, wenn es einem schlecht geht.
Ich mache das schon seit zwei Jahren. Ich möchte den Leuten die Angst vor dem Thema Achtsamkeit und digitale Welt nehmen. Meiner Erfahrung nach lässt sich beides nämlich super kombinieren. Wenn eine Gruppe von 30 Menschen digital gemeinsam eine Achtsamkeitsübung macht, hat das eine unglaublich starke Wirkung. Hinzu kommt ein anderer Aspekt: Aktuell biete ich u.a. 30-minütige geleitete Meditationen online an – und das würden Menschen offline wahrscheinlich gar nicht nutzen, weil für 30 Minuten niemand extra ins Yogastudio kommt. Digital wird das ganze Thema zugänglicher und einfacher zu nutzen. Ich finde es toll, was jetzt auch im Rahmen der Corona-Krise passiert: Da rücken Leute über die digitale Welt wieder enger zusammen. Auch für Menschen, die auf dem Land leben, ist es super – nicht jeder hat ein Yogastudio direkt in der Nähe.
Ich biete täglich Online-Live-Meditationen an und man findet meine Kurse auch über My Fitness Card und ab Mai über Urban Sports Club. Ich freue mich, wenn ich Menschen über unterschiedliche Kanäle erreichen kann.
Regelmäßiges Meditieren hilft auf jeden Fall. Ich kann es wirklich empfehlen, einfach mal einen Online-Kurs oder eine Live-Meditation auszuprobieren. Auch Sport hilft sehr und ebenso wichtig ist eine gute Ernährung. Vielleicht kann man die Zeit zu Hause auch nutzen, um alte Hobbys wieder aufzunehmen, vielleicht die Gitarre auszupacken oder Ähnliches. Ich finde es auch schön, alte Freunde anzurufen oder Gruppentelefonate mit Freunden zu starten.
Eine einfache, schöne Übung ist der „Genussspaziergang“, ein achtsamer Spaziergang. Ich lasse mein Handy zu Hause, gehe raus und beobachte, nehme bewusst wahr, was um mich herum passiert, was ich sehe, höre, fühle. Auch der „Bodyscan“ oder eine geführte Meditation sind gute Übungen. Wenn man sich für meinen Newsletter anmeldet, bekommt man zum Beispiel eine geführte Audio-Meditation, die man nutzen kann.
Ich gehe fest davon aus, dass es irgendwann das bedingungslose Grundeinkommen geben wird. Wenn man sich näher damit beschäftigt, ist das ganz logisch, allein deshalb, weil immer mehr Maschinen alte Jobs übernehmen. Und wenn dadurch der Druck wegfällt, dass Menschen arbeiten müssen, um zu überleben, wird sich die Welt ändern. Man könnte sich dann viel mehr in dem entfalten, was einem wirklich liegt und was einen wirklich interessiert. Mein Wunsch wäre es, frei von Zwängen leben zu können. Es wäre unglaublich schön, wenn es eine Welt gäbe, in der man sich nicht mehr durch Leistung und Arbeit identifizieren muss. Ich denke, dass unsere Kinder das vielleicht erleben werden. Ich würde mich dann immer noch mit Achtsamkeit beschäftigen, Kurse, Workshops und Retreats anbieten – am liebsten von einem Ort irgendwo im Süden aus – und vielleicht würden dann noch mehr Menschen einen Zugang zu diesen Themen finden.
Der nächste Online-MBSR-Kurs von Günter Bubbnik startet am 30. April 2020.
Online-Live-Meditationen bietet er zu folgenden Uhrzeiten an:
Montag: 18:30 Uhr, Dienstag: 7:15 Uhr, Mittwoch: 18:30 Uhr, Donnerstag: 7:15 Uhr, Freitag, Samstag, Sonntag: jeweils 11 Uhr.
Fotos: Günter Bubbnik
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