In ihrem Alltag als freie Journalistin, Bloggerin und seit Neuestem auch Autorin schreibt Antonia Wille über die Geschichten Anderer. In ihrem Buch „Angstphase“ rückt sie selbst in den Fokus und bekennt sich erstmalig öffentlich zu ihrer Angst. Die 33-Jährige spricht über das Leben mit einer Angststörung und startet somit den Dialog über ein Thema, das oft als unvereinbar mit dem Prinzip der Leistungsgesellschaft gilt. Das möchte die Mitgründerin des Mode- und Beauty-Blogazines „Amazed“ ändern. Wie sie gelernt hat Freundschaft mit ihrer Krankheit zu schließen, berufliche Herausforderungen zu meistern und Anderen Mut machen möchte, trotz Angst frei leben zu können, berichtet uns die Münchnerin im Interview.
Ich leide an einer Agoraphobie mit leichter Panikstörung, das heißt, dass sich meine Angst auf sehr konkrete Situationen bezieht.
Antonia Wille: Ich leide an einer Agoraphobie mit leichter Panikstörung, das heißt, dass sich meine Angst auf sehr konkrete Situationen bezieht. Das sind Umstände, in denen ich mich nicht autonom aus der Lage befreien kann, wie zum Beispiel in der U-Bahn, die im Tunnel steht und ich nicht weiß, wann es weitergeht. Dann kommt die Angst, weil ich eine Art von Kontrollverlust erlebe. Ähnlich ist es, wenn ich mit dem Auto im Stau stehe oder alleine verreise.
Die Agoraphobie suggeriert einem, dass die Welt unsicher ist und man nur in seinem gewohnten Umfeld Sicherheit findet. Agoraphobie gilt als die Angst vor Menschenmassen, Angst vor Kontrollverlust im öffentlichen Raum, beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln. Bei mir kommt die Angst vor dem Kontrollverlust und starke Übelkeit hinzu. Ich frage mich in solchen Situationen, was passiert, wenn mir schlecht wird und ich nicht schnell genug wieder nach Hause komme. Es ist noch nie vorgekommen, dass ich hilflos in einer anderen Stadt war und mich übergeben musste. In so einem Fall hätte ich auch die Möglichkeit andere Menschen um Hilfe zu bitten oder mich abholen zu lassen. Dennoch ist das Gefühl der Angst so intensiv, dass ich es trotzdem scheue und als sehr schwierig empfinde. Es hilft daher auch nicht, wenn Leute mir sagen, dass ich keine Angst in der U-Bahn haben muss. Das weiß ich natürlich. Das Problem ist, dass es sich auf emotionaler Ebene trotzdem schrecklich anfühlt.
Ich war noch nie auf einem anderen Kontinent, weil Langstreckenflüge für mich ein Worst-Case-Szenario sind.
Ich habe das Glück, dass ich eine leichtere Angststörung habe. Trotzdem war ich noch nie auf einem anderen Kontinent, weil Langstreckenflüge für mich ein Worst-Case-Szenario sind. Aber auch eine Klassenfahrt nach London habe ich nicht mitgemacht, weil ich es mir damals nicht zugetraut habe. Auf der einen Seite sind mir einige Reiseerfahrungen von der Angst genommen worden, auf der anderen Seite ist mein ökologischer Fußabdruck dadurch recht überschaubar.
Ich versuche, mich nicht allzu sehr einzuschränken und fahre zum Beispiel trotz meiner Angst vor Stau mit dem Auto. Ich habe heute gute Werkzeuge an der Hand, um die Angst in Zaum zu halten.
Sicherlich gibt es Orte, die ich gerne noch sehen würde und daher daran arbeite. Ich wollte zum Beispiel seit Langem nach Island um Wale zu beobachten und habe das dann auch getan. Ich bin ein sehr positiver Mensch, der nach vorne schaut und nicht bereut. Es würde mich deprimieren, wenn ich mir ständig vorhalten würde, was ich wegen der Angst verpasst habe.
Die Agoraphobie ist ein Teil von mir, aber sie macht mich nicht alleine aus.
Meine größte Befürchtung war, dass man in mir nur noch die Angst sieht. Ich wollte nicht, dass mir nichts mehr zugetraut wird und Entscheidungen für mich getroffen werden. Meine Sorge war es, dass ich ausgeschlossen werde, weil Leute von mir denken, dass ich sowieso nicht teilnehmen würde. Die Entscheidungskraft liegt immer noch bei mir, weil ich meine Grenzen am besten einschätzen kann. Ich habe befürchtet, dass man nicht mehr sieht, dass ich Schwester, Tochter, Freundin, Autorin, Journalistin, Bloggerin bin und vor vielem auch eben keine Angst habe. Die Agoraphobie ist ein Teil von mir, aber sie macht mich nicht alleine aus.
Außerdem habe ich befürchtet, dass meine Ängste nicht ernst genommen werden. Ich weiß, dass es schwer nachzuvollziehen ist. Ängste anderer Menschen muss man nicht verstehen, aber man muss sie respektieren. Ich habe mich intensiv mit meiner Angst befasst, bevor ich offen darüber gesprochen habe. Wenn Leute sie mir dann erklären oder mir meine Gefühle absprechen wollen, finde ich das eher übergriffig. Ich kenne mich und meine Angst am besten.
Gerade im beruflichen Kontext ist es mir wichtig ernst genommen zu werden. Ich wollte nicht in eine Schublade gesteckt werden. Es ist immer noch angesehener, wenn jemand fünfmal wegen Magen-Darm absagt, als wenn offen zugegeben wird, dass eine Depression der Grund ist. Ich bin ein leichter Fall, aber es gibt Leute, die öfters aufgrund ihrer Angsterkrankung krankgeschrieben sind. Auch diese Menschen brauchen eine Lobby, damit sie sich ohne schlechtes Gewissen krank melden können– schließlich sind sie ebenso krank wie ein Migräniker oder jemand, der sich das Bein gebrochen hat. Die Angst einen Stempel aufgedrückt zu bekommen ist gesellschaftlich verankert und das ist ein Problem.
Dabei ist es so, dass gerade Angstpatient*innen belastbar sind, weil sie ihren Alltag trotz ihrer Krankheit meistern und somit eine Doppelbelastung haben. Ich habe in meiner Rolle als Dozentin gemerkt, dass ich die Angst vor den Situationen durch das Adrenalin in Energie umwandeln konnte. Das hat dazu geführt, dass ich in der Lage war sehr leistungsfähig zu sein.
Ängste anderer Menschen muss man nicht verstehen, aber man muss sie respektieren.
Vor fast drei Jahren hatte ich meine erste Panikattacke und bin in eine Krise geraten, sodass gar nichts mehr ging. Damals hatte ich das Gefühl, dass die Angst aus dem Nichts kam. Durch die Therapie habe ich dann gelernt, dass sich die Panikattacke schon lange vorher angekündigt hat. Ich habe monatelang über meine Kapazitäten hinaus gearbeitet und mich völlig überfordert. Und das, obwohl ich schon Kieferschmerzen hatte und nicht mehr richtig schlafen konnte. Durch die Panikattacke habe ich dann gemerkt, dass ich nicht so weiter machen kann wie zuvor.
Meine Angst ist ein Alarmzeichen für mich, ich nenne sie meine hysterische Beraterin. Sie sagt Stop, wenn ich es selbst nicht checke und das auf eine sehr unangenehme Art und Weise.
Meine Angst ist ein Alarmzeichen für mich, ich nenne sie meine hysterische Beraterin. Sie sagt Stop, wenn ich es selbst nicht checke und das auf eine sehr unangenehme Art und Weise. Ich habe gelernt, mein Leben anders zu strukturieren, sodass die Angst nicht permanent kommen muss. Die Angst wird bei mir nie ganz weggehen und daher musste ich gucken wie ich mit ihr leben kann. Für mich war es ein großer Schritt zu akzeptieren, dass die Agoraphobie zu mir gehört und ich sie nicht mehr als Feindbild sehen muss. Ich habe ihr gesagt: „Okay, du bist da. Wir sind Halb-Freunde. Du willst mir nichts Böses, aber den Weg, den wir gehen, bestimme ich und nicht du.“
Am Anfang wusste ich nicht, was es ist und wollte einfach, dass es weggeht. Auch als mir dann bewusst war, worum es geht, wollte ich, dass die Angst nicht da ist. Sobald sie angeklopft hat, habe ich alles dafür getan, dass sie weggeht, weil ich nicht wollte, dass sie ein Teil von mir ist.
Ich habe mich unzählige Male konfrontiert und sämtlichen Herausforderungen gestellt, damit die Angst mich nicht einschränkt. Über die Jahre hinweg habe ich gemerkt, dass ich dadurch die Verbindung zu mir verloren habe. Denn ich habe angefangen, jede Übelkeit und Bauchschmerz als Angst zu deuten. Ich wusste gar nicht mehr, ob ich gerade wirklich krank bin. Von außen wird einem zum Teil suggeriert, dass man ja eh immer krank ist oder Angst hat. Das hat dazu geführt, dass ich mich mit den schlimmsten Bauchschmerzen zu Terminen gequält habe. Auf Dauer war das wahnsinnig kräftezehrend – ich konnte mich einfach nicht mehr weiter konfrontieren.
Ich habe mich dann gefragt, was ich anders machen kann, um wieder den Kontakt zu mir selbst zu finden. Glücklicherweise hat mein Therapeut verstanden, dass Konfrontation bei Angst zwar sehr wichtig ist, dass es aber nur Sinn macht, wenn man fit ist und genügend Kapazität dafür hat. Man darf sich Pausen gönnen und sollte nett zu sich sein – etwas, das ich erst lernen musste, denn ich war lange nicht nett zu mir.
Um den Zustand zu ändern, habe ich mir genau angeschaut, wann die Angst kommt, ob sie sich durch Vorzeichen ankündigt und warum sie da ist. Ich konnte feststellen, dass die Angst vermehrt dann auftritt, wenn ich gestresst bin. Lange habe ich ganz normal gelebt und plötzlich war sie da. Wenn jetzt wieder Ängste kommen, schaue ich mir genau an, was in den Wochen zuvor los war und ob ich mich zu viel gestresst habe. Ich habe nicht mehr permanent gegen meine Bedürfnisse gehandelt und das hat ganz viel geholfen.
Seitdem ich den Blickwinkel auf die Angst geändert habe und sie als Teil von mir annehme, kann ich einfacher erkennen, was mir guttut oder nicht. Wenn eigentlich alles in mir sagt: !Du brauchst eine Pause, ruhe dich aus!“ und ich trotzdem weiter mache, meldet sich die Angst. Man muss üben auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und schließlich danach zu handeln. Wenn ein supercooles Event ansteht, ich aber merke, dass ich von der Woche ausgelaugt bin und eigentlich nur ins Bett möchte, ist es erstmal schwierig, das wirklich zu tun, denn ich möchte auch nichts verpassen. Ähnlich ist es, wenn ich eine 60-Stunden-Woche hatte, Sport getrieben habe und in eine andere Stadt fahren soll – dann sagt die Seele irgendwann Stop. Wenn ich auf mich achte und statt an fünf, nur an drei Tagen unterwegs bin, dann habe ich an einem Samstag auch eher die Kraft noch in eine andere Stadt zu fahren. Auch wenn die Angst mitfährt, schöpfe ich aus der Energie, die ich mir die Woche über aufgebaut habe und weiß, dass ich es packe. Je mehr man nach seinen Bedürfnissen handelt, desto mehr Power hat man, sich zu konfrontieren.
Mein größter Ansporn war es, dass ich nicht von der Angst eingeschränkt sein möchte. Ich strebe ein freies und unabhängiges Leben an und ich weiß aus Erfahrung, dass das durchaus möglich ist. Ich möchte der Dirigent in meinem Leben sein!
Ich bin wesentlich netter zu mir geworden und versuche so mit mir zu reden wie mit einer Freundin. Man selbst ist ja oft der härteste Kritiker. Aber auch anderen Menschen gegenüber bin ich emphatischer.
Früher war ich sehr vom Ehrgeiz getrieben und hatte das Gefühl, ich sei die Macherin und wisse wie es geht. Heute weiß ich, dass jeder sein eigenes Tempo hat. Ich bin empathischer geworden und kann besser akzeptieren, dass Menschen unterschiedlich sind und verschiedene Bedürfnisse haben. Insgesamt bin ich liebevoller und weniger streng geworden.
Ich habe eine Verhaltenstherapie gemacht, bei welcher ich Werkzeuge an die Hand bekommen habe, um gegen die Angst zu agieren. Zusätzlich habe ich eine tiefenpsychologische Therapie durchlaufen, um mich und die Angst besser verstehen zu können und zu lernen, was ich ändern muss. Aber auch Sport hat mir geholfen, weil ich so feststellen konnte, dass mein Körper viel mehr aushält als ich dachte. Ich habe mit Yoga und Meditation angefangen. Es hat mir dabei geholfen ein achtsames, bewusstes und entspanntes Leben zu führen. Außerdem habe ich mich selbst gefragt, wie ich leben möchte und konnte so herausfinden, was ich brauche.
Mein größter Ansporn war es, dass ich nicht von der Angst eingeschränkt sein möchte. Ich strebe ein freies und unabhängiges Leben an und ich weiß aus Erfahrung, dass das durchaus möglich ist. Ich möchte der Dirigent in meinem Leben sein!
Im beruflichen Kontext habe ich fast durchweg positive Reaktionen bekommen. Oft begegnen mir die Menschen mit Verständnis und sind kompromissbereit, wenn es beispielsweise darum geht ein Meeting digital stattfinden zu lassen und so die Reise zu umgehen. Wenn ich vor Seminaren gemerkt habe, dass mir die Angst den Nacken hochkriecht, habe ich offen gesagt, dass ich nervös bin. Ich habe dann vorgewarnt, dass es sein kann, dass ich herausrenne, weil mir schlecht wird. Das hat mir viel Druck weggenommen. Die Seminarteilnehmer*innen kamen nach Veranstaltungsende zu mir und haben mir gesagt: „Toll, wie du zu deiner Schwäche gestanden hast. Man hat dir gar nichts angemerkt.“
Wenn ich Schwäche zugebe, ernte ich eher Verständnis und Hochachtung. Die wenigen nicht positiven Reaktionen, die ich bekommen habe, waren von Leuten, die sich wahrscheinlich selbst von dem Thema getriggert gefühlt haben. Diese Menschen und ich passen dann eben nicht zusammen. Ich möchte ein Umfeld, in dem ich offen und ehrlich über meine guten wie schlechten Zeiten sprechen kann.
Ich möchte aufräumen mit dem Bild vom seelisch Erkrankten, der nur zu Hause liegt, die Decke anstarrt und nichts macht, denn so ist es nicht!
Es war ein jahrelanger Prozess, in dem ich viel mit meinem Umfeld über meine Ängste gesprochen habe. Wenn ich neue Leute kennengelernt habe, habe ich sie – je nachdem, wie präsent die Angst zu dem Zeitpunkt war – eingeweiht. Ich hatte eine Phase, in der es mir nicht gut ging. Also habe ich allen meinen Freund*innen gesagt, wie es mir geht und dass die Angst gerade öfter an meiner Seite ist. Durch ihre Reaktionen habe ich nochmal gemerkt, wie gut es tut, offen und ehrlich zu sein.
Mein schreiberisches Ich hat sich danach gesehnt auch diesen Teil von mir zu verarbeiten, gerade weil ich es davor oft ausgeklammert habe. Das Format Buch hat mir erlaubt die Bandbreite des Themas darzustellen und genauer darauf einzugehen, woher die Angst kommt, wie ich damit lebe und welche Aufs und Abs damit verbunden sind. Meine Hauptmotivation war, dass ich mir positive Vorbilder gewünscht habe. Es gibt zwar Dokumentationen über Angsterkrankungen, allerdings wird hier meistens der Extremfall abgebildet, indem Menschen gezeigt werden, die seit Jahren aus Angst das Haus nicht mehr verlassen. Diese Dokus haben mir ein schlechtes Gefühl in Bezug auf meine Zukunft gegeben. Sie machen die Angst zwar verständlicher, gleichzeitig werfen sie aber bei Betroffenen die Frage auf „Wird es mir genauso ergehen?“.
Dass es wenig positive Vorbilder gab, ist verständlich, da sich jeder scheut mit der Angst an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich habe mir selbst gedacht: „Du kannst dir kein positives Vorbild wünschen, aber deine Angst nicht in die Öffentlichkeit bringen wollen. Es braucht Menschen, die vorangehen. Dann bin ich es halt.“. Ich möchte aufräumen mit dem Bild vom seelisch Erkrankten, der nur zu Hause liegt, die Decke anstarrt und nichts macht, denn so ist es nicht! Ich habe ein erfülltes Leben, welches mit Erfolg gekrönt ist. Und das möchte ich in meinem Buch darstellen. Nachdem ich die positive Rückmeldung vom Verlag bekommen habe, war ich natürlich nervös. Bis zur Veröffentlichung gab es immer wieder Phasen, in denen ich mich gefragt habe, ob ich damit meine Karriere in den Sand gesetzt habe. Letztlich habe ich anhand des Feedbacks gemerkt, wie viele Leute dankbar für das Buch sind und der Dialog eröffnet wird. Das hat meinem Schreiben eine neue Tiefe gegeben.
Im Vergleich zu anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel Burn-out, sind Angsterkrankungen in der medialen Darstellung noch sehr unterrepräsentiert. Die Rückmeldungen haben gezeigt, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist.
Ich versuche, eine gute Balance zu halten. Nora Tschirner sagte einmal in einem Interview: „Man kann sich auch an den guten Dingen übernehmen.“ Wenn man seinen Job liebt und ihn sehr gerne macht, ist die Gefahr groß, dass man zu viel davon macht. Ich habe das Glück, dass ich meinen Beruf über alles liebe, weil er quasi fließend vom Beruflichen in das Private übergeht. Trotzdem versuche ich darauf zu achten, dass ich genügend Auszeiten habe. Bei beruflichen Ambitionen prüfe ich, inwiefern sie sich in meinen Alltag integrieren lassen. Wenn ich merke, dass es zu viel wird, gucke ich, wo ich Stellschrauben drehen kann, damit es besser wird.
Ich beobachte sehr genau, damit es trotz Angst funktionieren kann. Auf der einen Seite möchte ich bei meinen beruflichen Ambitionen nicht durch meine Angst gebremst werden, auf der anderen Seite möchte ich auch nicht so voranpreschen, dass mir die Angst mit dem Vorschlaghammer die Tür eintritt.
Ich würde den Menschen, die merken, dass sie durch ihre Ängste eingeschränkt sind, raten sich Hilfe zu suchen. Leider sind Therapien in Deutschland immer noch negativ behaftet, obwohl sie viel besser sind als ihr Ruf vorgibt. Wenn man aus der Passivität, die einen überfällt, rauskommt und aktiv etwas dagegen tun kann, hilft das schon sehr. Zusätzlich empfehle ich herauszufinden, wann die Angst kommt oder ausbleibt und was einem guttut. Es ist auch sinnvoll abzuwägen, wie belastend sie ist. Wenn es sich um Angst vor großen Spinnen handelt, kann man durchaus damit leben. Anders sieht es aus, wenn man aufhört Dinge zu tun, die man mag. Dann empfehle ich auf jeden Fall professionelle Hilfe, um die Strukturen der Angst zu verstehen und sich ihr aktiv entgegenstellen zu können.
Niemand muss 24/7 happy sein– alle Gefühle sind erlaubt.
In akuten Phasen von Angst hilft es mir persönlich, mich ins Jetzt zu befördern und nicht daran zu denken, wie die Situation in drei Wochen oder zwei Monaten ist. Nicht einmal die erfahrensten Virologen wissen, was passieren wird. Demnach wird es zunächst keine Antworten geben. Mit der Angst werden Horrorszenarien kreiert, die niemandem weiterhelfen. Mein Tipp ist es, sich bewusst in die Gegenwart zu befördern und zu schauen, was man jetzt tun kann, damit das Angstgefühl weggeht. Manchmal muss man einfach von Stunde zu Stunde und von Tag zu Tag leben.
Wenn man merken sollte, dass die Gedankenspirale anfängt, sollte man der Angst sagen, dass es reicht. Sich bewusst darauf zu konzentrieren, was man gerade sieht, hört und schmeckt, kann einem ebenso dabei helfen den Zustand zu durchbrechen, wie einmal um den Block zu gehen. Sport und Telefonieren sind auch gute Ablenkungen.
Außerdem rate ich gerade jetzt dazu, sich auf die positiven Dinge zu fokussieren und dankbar zu sein. Wir leben in einem sehr privilegierten Land mit guten Gesundheits- und Ernährungsversorgungssystemen und dürfen immer noch rausgehen. Wenn ein bisschen Angst in dieser Zeit mitschwingt, ist das auch okay. Niemand muss 24/7 happy sein– alle Gefühle sind erlaubt. Es ist okay, wenn man mal zwei Tage durchhängt. Es werden auch bessere Zeiten kommen, denn kein Gefühl bleibt für immer.
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