Beckenboden-Training – Warum es so wichtig ist, ihn im Griff zu haben!

„Beckenboden hin, Beckenboden her“ – spätestens, wenn wir schwanger sind, ist er plötzlich aus keiner Konversation mehr wegzudenken. Dabei sollte das Thema Beckenboden-Training ehrlicherweise nicht erst dann zur Sprache kommen!

Aber von vorne: Der Beckenboden ist, wie der Name schon verrät, der Boden unseres Beckens und befindet sich grob gesagt zwischen Charme- (meine persönliche Alternative zu „Scham“) und Steißbein, mit allen dazu gehörigen Körperöffnungen. Und auch, wenn wir immer öfter lesen und hören, wie wichtig es ist, ihn zu trainieren, zu lieben und zu pflegen und wie sehr Frau davon profitieren kann, ist er doch für viele Menschen einfach zu abstrakt.

Die wenigsten von uns wissen jedenfalls so richtig, wie sie ihn einsetzen können und wozu er überhaupt in Form gebracht gehört. Nicht zuletzt auch, weil er eben einfach nicht sichtbar ist – anders als der Bizeps oder Trizeps, die sich ja oft nach nur wenigen Übungseinheiten schon sichtbar verändern. Niemand sieht einer Frau an, ob sie einen trainierten Beckenboden hat oder nicht. Aber warum sollte Frau diesen dann überhaupt trainieren, wenn es doch gar keine optische Bewandtnis hat?

Der Beckenboden hat natürlich eine unfassbar fundamentale Funktion – wie so ziemlich jeder Boden

Nun, der Beckenboden hat natürlich eine unfassbar fundamentale Funktion – wie so ziemlich jeder Boden. Und wenn er erst einmal zu schwach geworden ist – egal ob durch eine oder mehrere Geburten, Fehlhaltungen oder andere Gründe – ist guter Rat teuer und mühsam. Und auch wenn Frauen – vor allem Schwangere, Sportlerinnen und Alte – besonders betroffen sind, geht ein intakter Beckenboden jeden etwas an (auch Männer) und sollte lange bevor er Probleme macht, Raum in der eigenen Self-Care-Routine haben.

Aber von vorne. Versuchen wir uns den Beckenboden erst einmal vorzustellen und ihn genauer zu orten, um uns seiner Bedeutung bewusst zu werden. Am ehesten lässt er sich mit einem umgedrehten Regenschirm vergleichen, der sich zwischen den Beckenknochen und dem Charme- und Steißbein spannt. Dank seiner Konstruktion trägt er das gesamte Gewicht unserer Bauchhöhle und sorgt nicht nur dafür, dass wir nicht „auseinander brechen“ (oder eben das Gefühl haben, wir würden es; wirklich tun können wir es nämlich nicht), sondern schützt unsere Organe und hält sie an Ort und Stelle – solange er voller Spannkraft und aktiv ist. Aber was passiert mit alten Schirmen bei starkem Regem oder Wind? Richtig, sie biegen sich durch – obwohl ihre Konstruktion einiges aushalten kann. Ähnlich ist das mit unserem Beckenboden. Zu große Belastung ist Stress für ihn.

Dabei ist der Beckenboden nicht einfach nur ein Muskel, sondern eine aus verschiedenen Muskeln, Bindegewebe und Fett bestehende, ziemlich komplexe Struktur. Was solide klingt, hat aber auch seine Schwachstellen. Und das sind beim Beckenboden gleich drei: die Harnröhre, der Enddarm und die Vagina, welche die ausgeklügelte Struktur unterbrechen.

Eine Schwangerschaft, fortgeschrittenes Alter und übermäßiger Sport sind die Gründe Nummer eins für eine Beckenbodenschwäche. Der Beckenboden weist aber noch andere ungeliebte Gegenspieler auf, die ihm zu schaffen machen können.

Nun haben wir bereits angerissen, was den Beckenboden negativ beeinträchtigen und dazu führen könnte, dass er es von heute auf morgen auf unsere Trainings-Agenda schafft: eine Schwangerschaft, fortgeschrittenes Alter und übermäßiger Sport sind die Gründe Nummer eins für eine Beckenbodenschwäche. Der Beckenboden weist aber noch andere ungeliebte Gegenspieler auf, die ihm zu schaffen machen können: So kann er ständiges Sitzen zum Beispiel gar nicht leiden und auch Bewegungsmangel kann dazu führen, dass er in seiner Funktionstüchtigkeit beeinträchtigt wird. Die Moral von der Geschicht‘? Zu viel und zu wenig mag er nicht! Das Geheimnis liegt wie so oft auch hier in der goldenen Mitte: die richtige Belastung ist für den Beckenboden das A und O und die kann man erlernen.

Stephanie Johne arbeitet nicht nur als Journalistin, sondern auch als Doula und ist Gründerin von „Warrior Woman“


Wie äußert sich denn nun aber eine eingeschränkte Beckenbodenfunktion? Wann weiß ich, dass ich betroffen bin? Eine Blasenschwäche kann zum Beispiel auf eine Dysfunktion hinweisen und das betrifft nicht nur die unliebsamen Tröpfchen in der Hose beim Niesen oder Husten, sondern beispielsweise auch, wenn es sehr lange dauert, bis der Urin beim Toilettengang ins Fließen kommt oder es noch lange nachtröpfelt. Ein weiterer Indikator können wiederkehrende Hämorrhoiden oder Harnwegsinfekte sein, für die wir die Ursachen oft ganz woanders suchen und die meist ausschließlich medikamentös behandelt werden. Schwerere, kaum mehr zu ignorierende Anzeichen, wären hingegen ein Prolaps der Gebärmutter, der Blase oder des Darms oder auch eine wirklich akute Inkontinenz. Allerdings sollten wir es so weit lieber nicht kommen lassen!

Kommen wir zurück zu den wirklich schönen Dingen im Leben – Sex! Denn ja, natürlich hat der Beckenboden auch auf diesen Einfluss.

Damit braucht es eigentlich kaum mehr noch Argumente für einen trainierten Beckenboden, oder? Gut, vielleicht eines noch: Kommen wir zurück zu den wirklich schönen Dingen im Leben – Sex! Denn ja, natürlich hat der Beckenboden auch auf diesen Einfluss. Frauen mit einem kräftigen Beckenboden spüren ihre Partner*innen viel intensiver, nicht nur, weil ein fester Beckenboden die Durchblutung der Sexualorgane und damit die Empfindsamkeit steigert, sondern auch, weil wir so die Intensität des Intimakts selbst in der Hand – oder eben im Beckenboden – haben, durch simples bewusstes Aktivieren oder Entspannen des Beckenbodens. Das geht mit ein bisschen Übung übrigens auch ganz ohne Partner*in und bringt manche Frauen allein so zum Orgasmus.

Aber genug der vielen theoretischen Worte – wie kann Frau ihren Beckenboden denn nun erspüren und trainieren? Dafür hilft es, zunächst ein Gefühl für ihn zu bekommen. Denn anders als bei anderen Muskeln, ist beim Beckenboden eben nicht sichtbar, ob er angespannt ist oder nicht. Um den Beckenboden zu erspüren, hilft es, sich vorzustellen, wie wir den Eingang zur Vagina versuchen zu verschließen – anders als wenn wir die Popbacken zusammen kneifen, aktivieren wir hierfür den Bereich zwischen Anus und Charmebein. Yoga wäre hierfür eine wunderbare Übung, nicht nur weil die Atmung im Yoga Zwerchfell und Beckenboden immer wieder aktiv an- und entspannt, sondern auch, weil seine Aktivierung Teil vieler Asanas ist, wenn sie richtig ausgeübt werden.

Ein regelmäßiges gezieltes Beckenbodentraining sollte so alltäglich sein wie der Besuch im Yoga- oder Fitnessstudio.

Unabhängig davon sollte ein regelmäßiges gezieltes Beckenbodentraining aber so alltäglich sein wie der Besuch im Yoga- oder Fitnessstudio. Die meisten bieten mittlerweile eigens Kurse dazu an und natürlich gibt es auch jede Menge Gadgets zum Trainieren des Beckenbodens, wie die Yoni Eggs von „Liebelei“ zum Beispiel, die mit den wunderbaren Yoni Yoga-Übungen eine echte Wohltat für den Beckenboden sind. Wer es technischer mag, wird bei „Perifit“ oder „Elvie“ fündig – sogenannte intelligente Beckenbodentrainer zum Einführen in die Vagina, die mit einer App gekoppelt werden und so für Spiel, Spaß und Spannung beim Trainieren sorgen.

Natürlich lässt sich aber auch ganz ohne Hilfsmittelchen und monatelanges Training schon viel bewirken. Mit diesen einfachen Alltags-Tricks haltet ihr euren Beckenboden fit:

  • Die Muskulatur zwischendurch immer mal wieder an- und entspannen – im Büro, an der Ampel im Auto, beim Telefonieren oder beim Warten auf die Bahn.
  • Bei körperlicher Anstrengung den Beckenboden immer bewusst anspannen.
  • Schweres Heben ansonsten so gut es geht vermeiden. Wenn es doch notwendig ist, auf die richtige Haltung achten und den Beckenboden vorab aktivieren.
  • Ausreichend (ungesüßte) Flüssigkeit zu sich nehmen, bestenfalls 1,5 bis 2 Liter täglich. Das muss nicht nur Wasser oder Tee, sondern können auch Brühen und Suppen sein.
  • Die Verdauung regulieren – bestenfalls langanhaltende Verstopfungen vermeiden, die tun dem Beckenboden überhaupt nicht gut.
  • Sich für den Toilettengang Zeit lassen, immer dann, wenn wirklich das Bedürfnis besteht und nicht wie gewohnt nur „prophylaktisch“ auf die Toilette gehen, bevor man das Haus verlässt.

Hier findet ihr Stephanie Johne:



Fotos: Hadas Strobl-Aloni Photography

Illustration: Helena Ravenne

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