Gibt man das Wort „Glück“ in eine Suchmaschine im Internet ein, wird man überrollt von Fragen und Antworten zu diesem Thema. Wie werde ich (endlich) glücklich? Wie finde ich mein Glück? Macht Schokolade glücklich? (Letzteres kann man eigentlich nur mit Ja beantworten). Dann tauchen da noch wissenschaftliche und philosophische Definitionen auf und man kommt ganz schön ins Grübeln. Wer dann noch anfängt, über das eigene Glücksempfinden nachzudenken, setzt das Gedankenkarussell in vollen Gang.
Uwe Jensen ist Statistik- und Ökonometrie-Professor an der Universität Kiel und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Glück und Zufriedenheit. Im Interview verrät er, wie wir im Alltag langfristig glücklicher und zufriedener werden können und was ihn persönlich glücklich macht.
Zufriedenheit ist eine Form von Glück, die länger andauert.
Uwe Jensen: Im Wesentlichen schon, ja. Ich habe immer viel zu tun, momentan sogar etwas mehr, weil auch im Privaten gerade einiges bei mir anfällt. Kurz gesagt: Irgendwas ist immer. Aber solange es läuft, bin ich zufrieden, da braucht es nicht so viel.
Ich bin ein Zufriedenheitsforscher und kein Glücksforscher. Zufriedenheit ist eine Form von Glück, die länger andauert. Es geht in der Forschung eher um Glück, das uns nicht zufällig passiert, wie beim Lose Ziehen, oder schnell wieder verschwindet. Alle unsere Forschungen basieren daher auf Zufriedenheits-Daten.
Bei Glück ist das nämlich so: Es gibt zum einen das Zufallsglück oder Tagesglück. Wenn ich zum Beispiel einen 10-Euro-Schein auf der Straße finde und mich freue, bin ich glücklich. Glück ist eher etwas Kurzfristiges. Und dann gibt es die langfristige Zufriedenheit. Es geht einher mit einem Abwägen: Was erwarte ich gerade und wurden meine Erwartungen erfüllt?
In gewisser Weise schon, wie eben gesehen. Aber die Gründe für Glück sind ganz individuell. Man muss immer schauen, in welcher Ausgangssituation die Person sich gerade befindet. Ist sie/er verheiratet oder ledig, mit Job oder arbeitslos? Darauf basiert das eigene Glück und die Zufriedenheit.
Die Hälfte der Zufriedenheitsvariation eines Menschen stammt aus den Genen. Also darin, was unsere Eltern und Großeltern uns an Zufriedenheit vererbt haben.
Ja, schon ein bisschen. Man kann auf jeden Fall versuchen, sich zufriedenheitstechnisch nicht so dösig anzustellen. Die Hälfte der Zufriedenheitsvariation eines Menschen stammt aus den Genen. Also darin, was unsere Eltern und Großeltern uns an Zufriedenheit vererbt haben.
20 % stammen aus langfristigen Dingen wie Gesundheit, Alter, finanzieller Sicherheit, Erfüllung im Job und der familiären Situation. Weitere 20 % sind dann Dinge, die kurzfristig glücklich machen und beeinflussbar sind. Dazu gehört, wie nachtragend eine Person ist, ob man einen Sinn im Leben und Ziele hat und wie viel Anerkennung man bekommt. All das kann die Zufriedenheit eines Menschen beeinflussen. Die verbleibenden 10 % sind Tagesglück, welches (bei Umfragedaten) wetterabhängig oder gefühlsabhängig sein kann.
Man sollte sich frühzeitig und langfristig darum kümmern, dass man einen Job hat, der Spaß macht und erfüllend ist und nicht “nur” Geld bringt. Man sollte sich um seine Gesundheit kümmern und soziale Kontakte pflegen. Sportliche Aktivität zahlt sich ebenfalls auf lange Sicht aus. Man sollte auch leichter mit sich sein und nicht jedem Ärger noch tagelang nachhängen.
Man kann auch wissenschaftlich ganz klar sagen: Geld macht nicht glücklich.
Das Streben nach immer mehr Glück ist ein Punkt, bei dem wieder die Ökonomie ins Spiel kommt. Geld, Besitztümer, immer mehr von allem haben wollen macht nicht zufriedener. Man kann auch wissenschaftlich ganz klar sagen: Geld macht nicht glücklich. Denn je mehr man hat, desto mehr will man. Die Ansprüche wachsen.
Ja, da gibt es deutliche Unterschiede. Unsere Messungen beginnen im Alter von 17 Jahren, zu diesem Zeitpunkt ist die Zufriedenheit am höchsten. Dann sinkt sie irgendwann, also die klassische Midlife-Crisis in den mittleren Jahren gibt es auch bei den Zufriedenheitstypen. Dann irgendwann, mit Anfang bis Mitte 60 merkt man, dass alles doch irgendwie geklappt hat. Dann steigt die Zufriedenheit in den meisten Fällen wieder. Und dann, irgendwann nördlich der 70er, geht es wieder bergab, weil dann einfach die körperlichen Beschwerden zunehmen.
An sich denke ich, dass es gar nichts Schlechtes ist, dass mit Glück auch Profit gemacht wird. Das heißt schließlich, dass sich immer mehr Menschen dafür interessieren. Solange es eine*n in irgendeiner Form weiterbringt und eben glücklich macht, ist das in meinen Augen, auch als Ökonom, völlig in Ordnung.
Wenn man Angst hat, dann ist man weniger zufrieden. In den letzten Corona-Jahren haben wir das ganz deutlich in den Zahlen gemerkt. Auch mit Alterseffekten. Ältere Menschen waren relativ weniger betroffen, die jüngeren stärker. Die Glücks-Rangliste der Bundesländer in Deutschland hat sich dadurch auch verändert. Schleswig-Holstein ist zwar immer noch auf Platz 1, aber inzwischen ist ein Land auf Platz 2, welches sonst eher weiter hinten stand. Sachsen-Anhalt nämlich. Dort wohnen relativ viele ältere Menschen und weniger junge. Das sieht man dann in der Statistik.
Ich bin auch fest davon überzeugt, dass der Job eine tragende Rolle in der Zufriedenheit der Menschen spielt.
Das kann tatsächlich wunderbar klappen, wenn es dem eigenen Selbst nicht vollkommen widerspricht. Wenn ich etwas tue, wozu ich mich nicht zwingen muss, dann ist das gut. Wenn ich denke „Ich muss jetzt das und das essen, weil das gut für mich ist, oder ich muss jetzt das tun …“, dann ist das eher kontraproduktiv.
Man muss gucken, was zu einem passt. Glück und Zufriedenheit sind individuell. Jede*r hat ein paar Dinge, die ihr/ihm Spaß machen und guttun, und genauso hat jede*r Dinge, die sie/er lieber lassen sollte.
Ich habe viel zu tun, aber das macht mir nichts aus. Ich liebe meinen Job und er erfüllt mich. Das macht mich zufrieden. Mein Zuhause macht mich glücklich, meine Familie und meine Hobbys tun ihren Rest.
Vor einigen Jahren waren die meisten Ökonomen der Überzeugung, dass vor allem Geld und Freizeit der Schlüssel zu mehr Zufriedenheit sind. Der Job an sich war egal, da sollte nur das Geld stimmen. Doch das ist längst überholt. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass der Job eine tragende Rolle in der Zufriedenheit der Menschen spielt. Und auch sinnstiftende Freizeit: Ehrenämter machen glücklich! Etwas Sinnvolles zu tun, lohnt sich also.
Es gibt also viele Möglichkeiten, Glück zu finden und auch langfristig zufrieden zu sein.
Collage: Kaja Paradiek (Fotos: Adobe Stock)