„Princess Charming“ Madleen Matthias über ihr Coming-out und den Weg zur Selbstfindung

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15. Januar 2024

Madleen Matthias,23, war die Princess Charming” 2023. In der Dating Show von „RTL“ durfte sie zwanzig Frauen* kennenlernen und hat die Zuschauer*innen nicht nur auf diese Reise mitgenommen, sondern auch Einblicke in ihr Leben als lesbische Frau* sowie in ihren Bezug zum Thema mentale Gesundheit gewährt. Wir haben mit ihr über genau diese Dinge gesprochen: das Abenteuer „Princess Charming“, ihren Coming Out Prozess und die Findung von Labels sowie ihren Umgang mit mentaler Gesundheit.

Madleen Matthias war die „Princess Charming” 2023.

femtastics: Kannst du deine Zeit bei „Princess Charming“ in ein paar Worten für uns zusammenfassen?

Es war eine einmalige, intensive und wunderschöne Zeit.

Madleen Matthias: Die ersten Worte, die mir in den Kopf kommen, wenn ich an meine Zeit bei „Princess Charming“ denke, sind „Achterbahnfahrt der Gefühle“. Es war eine einmalige, intensive und wunderschöne Zeit.

Du musstest dich in den zwei Wochen auf so viele Menschen gleichzeitig einlassen. Wie hast du es geschafft, allen gerecht zu werden?

Da ich vorher schon Berührungspunkte mit dem Thema „Offene Beziehung“ hatte, dachte ich, dass ich es gut hinkriegen würde und die nötige Basis bereits besitze. Ich wusste gleichzeitig aber auch von mir, dass ich mich in der Vergangenheit oft sehr schnell auf eine Person fixiert habe. Deswegen wollte ich bei „Princess Charming“ so offen wie möglich bleiben.

Natürlich hat man mit der Zeit seine Favoritinnen, aber ich habe versucht, jeder Frau* offen gegenüberzutreten. Das war zum Ende schwerer als gedacht. Ich habe von einigen Frauen* das Feedback bekommen, dass sie sich mehr Bestätigung und mehr Initiative von mir wünschen. Als Princess darf man da aber gar nicht so viel reingeben und es war nun mal auch meine Aufgabe, meine Aufmerksamkeit durch alle zu teilen.

Ich habe mich in der Vergangenheit oft der Person, die ich gedatet habe, stark angepasst. Da bin ich als Mensch, mit meinen Interessen und Werten, manchmal etwas untergegangen.

Durch die Rolle der Princess steht man auf einem gewissen Podest – konntest du dich mit dem Aufbau des Formats identifizieren?

Der Aufbau des Formats ist nicht realitätstreu. Ich habe versucht, diese „Power Dynamics“ so gut es geht zu reduzieren. Das funktioniert aber nicht vollständig, denn das ganze Format ist ja darauf ausgelegt, dass es eine Princess und zwanzig Kandidatinnen gibt. Es wäre schön, wenn es da in Zukunft ein Format geben würde, das offener gestaltet ist – vielleicht auch offen für polyamore Beziehungskonzepte – und trotzdem die schöne Message, die hinter „Princess Charming“ steckt, mit sich trägt.

Welche Learnings hast du für dich aus der Zeit mitgenommen?

Ich habe mich in der Vergangenheit oft der Person, die ich gedatet habe, stark angepasst. Da bin ich als Mensch, mit meinen Interessen und Werten, manchmal etwas untergegangen. Das war vor allem durch Verlustängste und eigene Unsicherheiten bedingt. In der Therapie habe ich an diesen Themen sehr stark gearbeitet und bei „Princess Charming“ konnte ich das Gelernte gut umsetzen.

Es geht ja gar nicht, sich an zwanzig Frauen* anzupassen und jeder etwas anderes zu erzählen. Für mich war es schön, zu merken, dass ich gut bin, so, wie ich bin und dass ich mich nicht verstellen muss. Außerdem habe ich gemerkt, wie ich aus mir rauskommen kann. Ich bin eigentlich ein eher introvertierter Mensch, musste aber in der Show meine extrovertierte Seite zeigen. Im Nachhinein, als ich mir die Show angeschaut habe, war ich von mir selbst überrascht, wie ich das hinbekommen habe.

Das war auch hinsichtlich meiner mentalen Gesundheit für mich eine schöne Erkenntnis: Trotz und mit meinen mentalen Themen habe ich dieses fantastische Abenteuer erleben können. Damit habe ich mir und auch anderen gezeigt, dass es trotz und mit einer Erkrankung wie Depressionen möglich ist, sowas zu erreichen und dass die Diagnosen mich nicht einschränken müssen. Das hat mich echt stolz gemacht und mir gezeigt, wie weit ich schon gekommen bin und wie ich mir selbst vertrauen kann.

Ich bin eigentlich ein eher introvertierter Mensch, musste aber in der Show meine extrovertierte Seite zeigen.

Du bist mit dem Thema Mentale Gesundheit in der Show offen umgegangen, was für viele sehr empowernd war, aber es gab ja auch kritische Stimmen. Wie ging es dir rückblickend damit?

Ich hatte vorher nicht geplant, darüber zu sprechen. Es hat sich einfach sehr natürlich ergeben. Es ist einfach ein großer Teil meines Lebens, weswegen es rückblickend nicht überraschend für mich ist, dass ich es recht schnell kommuniziert habe.

Von außen kam viel Feedback und Zuspruch von Menschen, die sich mir geöffnet haben. Gerade, was das Thema Klinikaufenthalt anging, war ich selbst überrascht, wie viele ebenfalls Erfahrung damit haben. Das hat für mich das Gefühl von „Du bist nicht allein“ gestärkt. Schon deswegen hat es sich gelohnt, darüber zu reden.

Gab es auch negative Kommentare?

Die gab es leider auch. Sie die nach wie vor bestehende Stigmatisierung auf und haben deutlich gemacht, wie viel Aufklärung es noch bedarf. Ich habe meine Diagnose oder Details über meine Erkrankung gar nicht genannt und trotzdem haben Menschen plötzlich Eigenschaften wie Empathie auf meine mentale Gesundheit geschoben. Empathie ist eigentlich etwas Schönes, aber plötzlich wurde es negativ und als Schwäche ausgelegt.

Manche Menschen waren zudem der Auffassung, dass eine Person mit psychischer Erkrankung als Princess ungeeignet ist. Aber ich bin ein Individuum mit eigener Geschichte und kann selbst einschätzen, ob ich stabil genug für eine solche Reise bin. In vielen Fällen ist mentale Gesundheit ein lebenslanges Thema. Jemandem deswegen die Autonomie abzusprechen, ist einfach nicht richtig. Man lernt, mit seinen Diagnosen zu leben und die Dinge, die man erleben möchte, damit zu erleben.

Das Thema mentale Gesundheit gehört auch einfach zum Leben dazu und darüber zu sprechen, repräsentiert das reale Dating außerhalb der Show. Gerade in der Community spielt das Thema eine sehr entscheidende Rolle.

Was tust du aktuell für deine mentale Gesundheit?

Für mich ist momentan der Schlüssel, wenn es mir schlecht geht, genau hinzuhören, welche Faktoren eine Rolle spielen. Ich schaue als allererstes in meine Zyklusapp und prüfe, ob es PMS sein könnte. Dann überlege ich, welche Stressoren sonst da sind – Uni, Winterzeit, Dunkelheit … So schiebe ich nicht mehr alles auf meine Depressionen und kann geduldiger mit mir selbst umgehen. Empathie gegenüber anderen ist eine meiner großen Stärken, aber ich vergesse oft, mit mir selbst empathisch umzugehen. Das lerne ich gerade.

Du hast bei „Princess Charming“ erzählt, dass dein Outing recht spät war. Kannst du deine Reise bezüglich des Coming Outs mit uns teilen?

Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, in dem es an queerer Sichtbarkeit gefehlt hat. Es gab so gut wie keine Repräsentation und obwohl meine Lehrerin, die den Sexualkundeunterricht an meiner Schule gemacht hat, selbst lesbisch ist, wurde das Thema nicht angesprochen. In meiner Kindheit und Jugend gab es Situationen, wo ich innerlich ein Gefühl hatte, aber ich konnte es noch nicht betiteln. Immer, wenn ich es angesprochen habe, kamen negative Reaktionen.

Empathie gegenüber anderen ist eine meiner großen Stärken, aber ich vergesse oft, mit mir selbst empathisch umzugehen. Das lerne ich gerade.

Welche Reaktionen waren das?

Ich habe beispielsweise eine meiner besten Freundinnen in der Jugend gefragt, ob sie mal darüber nachgedacht hat, wie es ist, auf Frauen* zu stehen. Ich erinnere mich daran, dass sie komisch darauf reagiert hat und ich sofort Angst bekommen habe, sie könnte denken, dass ich in sie verliebt sei. Es gab einen Jungen, der inzwischen out of the closet ist, aber es damals noch nicht war. Von den Müttern im Freundeskreis gab es da Kommentare wie „Er ist anders“ – das hat dieses Stigma gestärkt und sich internalisiert. Für mich war es immer ein Unterdrücken meiner Gefühle, die ich zudem nicht richtig einordnen konnte, da ich einfach keine queere Repräsentation gesehen habe.

Wie entwickelte sich das dann nach der Schule?

Für mein Studium bin ich in die Niederlande gezogen und im Studierendenwohnheim waren plötzlich alle um mich herum queer. Ich kam aus einer super cis-heteronormativen Bubble raus und war das erste Mal mit Queerness konfrontiert. Für mich war das total aufregend und ich habe gemerkt, wie mein Herz aufblüht. Ich konnte mich diesen Menschen schnell anvertrauen und wurde das erste Mal wirklich ermutigt. Es hat sich sofort sehr richtig angefühlt.

War das der Punkt, an dem du dich geoutet hast?

Ja, zunächst habe ich mich vor meiner Familie als queer geoutet und erklärt, dass ich mich in alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht, verlieben kann. Rückblickend habe ich das jedoch gemacht, weil ich mich nicht als lesbisch outen wollte. Es kamen Reaktionen wie „Du wirst am Ende bestimmt einen Mann heiraten, es ist nur eine Phase“.

Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass ich lesbisch bin und für mich war das wie ein zweites Coming Out. Als ich es das erste Mal ausgesprochen habe, hat es sich sehr richtig angefühlt. Meine Brüder haben darauf entspannt reagiert und den Unterschied gar nicht so wahrgenommen. Für mich war es eine große Sache.

Mit der Zeit habe ich aber gemerkt, dass ich lesbisch bin und für mich war das wie ein zweites Coming Out.

Kannst du erklären, warum?

Ich habe mein Selbstbewusstsein mein ganzes Leben lang stark von der Male Validation abhängig gemacht. Seit der Grundschule hatte ich viele Verehrer und Jungs waren immer ein großes Thema. In meiner Abizeitung stand ich als „Maneater“ – das haben Menschen über mich gedacht. Auf Familienfeiern kamen ständig Fragen wie: „Wann kommst du endlich mit einem Freund nach Hause? Du bist doch so hübsch!“. Mein Wert wurde dadurch an das männliche Geschlecht gebunden.

Für mich war es ein großer Schritt, mein Lesbischsein offen zu kommunizieren und zu wissen, dass diese Quelle der Bestätigung dadurch wegfällt. In der Community war es für mich schwieriger, Bestätigung zu bekommen – insbesondere, weil ich zunächst gar nicht „queer aussah“, wie auch immer man das definiert, aber ich wurde heterosexuell gelesen.

Zudem habe ich die Erfahrung in der Community gemacht, dass viele sich als queer identifizieren und kein Label nutzen wollen. Damals hatte ich dieselbe Ansicht und ich finde sie nach wie vor valide. Ich habe aber gemerkt, dass ich mich unwohl gefühlt habe, mich als „lesbisch“ zu betiteln, so, als wäre es nicht in Ordnung, ein Label zu benutzen. Ich bin aber eigentlich so stolz darauf, endlich aussprechen zu können, dass ich lesbisch bin und möchte das daher auch tun.

Manche haben Angst, sich als lesbisch zu outen, da sich Sexualität und Identität im Laufe des Lebens verändern können.

Was ist das Problematische an Labels?

Es kann schwierig sein, ein Label zu benutzen, da Sexualität fluide ist. Manche haben Angst, sich als lesbisch zu outen, da sich Sexualität und Identität im Laufe des Lebens verändern können. Es kommt dann die Frage auf: Was sagen andere, wenn ich jetzt doch nochmal irgendwann einen Mann* date? Ich persönlich habe meinen Frieden damit geschlossen, mich als lesbisch zu labeln in dem Wissen, dass Sexualität fluide ist und dass es das ist, was ich daraus mache.

Was ist dir bei einer Person, die du datest, wichtig?

Mir ist es wichtig, viel zu kommunizieren. Ich möchte sagen können, was ich fühle und mit der anderen Person darüber sprechen. Ansonsten ist mir Kompromissbereitschaft sehr wichtig und das gilt nicht nur für die alltäglichen Entscheidungen wie „Was essen wir heute?“, sondern auch für innere Themen. Ich habe beispielsweise erst kürzlich gelernt, dass man auch bei unterschiedlichen „Love Languages“ dafür sorgen kann, dass sich beide Menschen geliebt fühlen.

Ich darf mir meine Meinung selbst bilden und muss mich nicht von außen beeinflussen oder entmutigen lassen.

Hast du etwas, was du der jüngeren Madleen aus heutiger Sicht gerne sagen würdest?

Ich würde meinem jüngeren Ich sagen, dass es völlig okay ist, die Gefühle zu haben und dass ich sie nicht unterdrücken muss. Ich darf mir meine Meinung selbst bilden und muss mich nicht von außen beeinflussen oder entmutigen lassen.

Und gibt es noch etwas, was du Leser*innen, die mit mentaler Gesundheit, mit ihrer Sexualität oder ihrer Identität kämpfen, mitgeben würdest?

Sei geduldig und nicht zu streng mit dir selbst. Erlaube dir, dir Hilfe zu holen, auch wenn du denkst, es geht dir „nicht schlecht genug“. Du musst dich nicht mit anderen vergleichen und es ist eine große Stärke, sich seine eigenen Themen einzugestehen. Das Gleiche gilt auch für Sexualität und Identität: Alles, was du fühlst, ist gerechtfertigt und du darfst dem nachgehen.

Danke für das interessante Gespräch, liebe Madleen!

Hier findet ihr Madleen Matthias:

Fotos: RTL / Markus Hertrich (Teaserbild), privat

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